Es klingt wie die ultimative Herausforderung: Ohne Hilfsmittel und nur aus eigener Kraft eine Strecke von 50, 100 oder sogar noch mehr Kilometern am Stück zurückzulegen.
Bei einer Ultrawanderung kannst du ein unvergessliches Abenteuer in der Natur erleben, deine Grenzen erkunden (und verschieben) und etwas schaffen, auf das du noch lange stolz sein wirst – und deshalb ist es kein Wunder, dass das Ultrawandern in den letzten Jahren so beliebt geworden ist.
Ich erinnere mich noch daran, wie ich zum ersten Mal in einer Zeitschrift einen Bericht über eine 24-Stunden-Nonstop-Wanderung gelesen habe – das ist erst ein paar Jahre her, und damals ist mir das wie etwas unglaublich Exotisches und Verrücktes vorgekommen.
Inzwischen gibt es in immer mehr Städten Großveranstaltungen wie die Mega- oder Mammutmärsche, an denen zum Teil mehrere Tausend Wanderer und Wanderinnen teilnehmen. Das Wandern ist auf dem besten Weg, wieder „In“ zu werden – und Ultrawanderungen haben daran sicherlich einen großen Anteil!
Beitragsübersicht
Die Faszination des Ultrawanderns
Ich bin selbst schon seit vielen Jahren begeisterter Wanderer, und da ich als ambitionierter Läufer immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen bin, konnte ich mich schließlich der Faszination des Ultrawanderns nicht mehr entziehen: Im Oktober 2019 bin ich beim Megamarsch Frankfurt zum ersten Mal 100 Kilometer am Stück gewandert, und in einer Zeit von knapp unter 17 Stunden ins Ziel gekommen (hier kannst du dir meinen Erlebnisbericht anhören).
Es war ein richtig hartes Stück Arbeit, aber auch eine unglaublich tolle Erfahrung, und ich wusste ziemlich schnell, dass es nicht meine letzte Ultrawanderung bleiben würde.
Aber nicht nur das Event selbst, sondern auch die Vorbereitung darauf hat mir eine Menge wertvoller Erfahrungen und ganz neue sportliche Perspektiven eröffnet!
Dein Weg zum Ultra-Finish
Wenn du in der aktuellen Zeit nach einer Herausforderung für dich suchst, wie wäre es dann mit einer Wanderung über 50, 75 oder sogar 100 Kilometer (oder mehr)? Es gibt jede Menge tolle Events, und im „Notfall“ kannst du deine Ultrawanderung natürlich auch auf eigene Faust planen und durchziehen – das pure, unverfälschte Abenteuer!
In diesem Beitrag möchte ich dir alle Infos geben, die du brauchst, um bei deiner Ultrawanderung erfolgreich ins Ziel zu kommen. Wir sprechen über die richtige Vorbereitung, über die Ausrüstung und Verpflegung – und auch über die mentale Seite des Ultrawanderns.
Ganz am Ende findest du außerdem eine Übersicht über verschiedene organisierte Ultrawanderungen in Deutschland. Schreib gerne einen Kommentar, wenn du eine Veranstaltung empfehlen kannst, die unbedingt mit in die Liste muss.
Bist du bereit? Dann lass uns starten!
Das Training für eine Ultrawanderung
Starten wir mit dem Offensichtlichen: Ja, du solltest für deine Ultrawanderung trainieren!
Deine Vorbereitung sollte einerseits aus einem allgemeinen Grundlagentraining deiner Ausdauer und Athletik bestehen. Wenn du Läufer:in bist, dann kann das dein ganz normales Lauftraining und ein Ergänzungstraining für Kraft und Stabilität sein. Aber auch regelmäßige Spaziergänge, kürzere Wanderungen über 2-3 Stunden, Fahrradtouren usw. sind eine gute Basis.
Neben diesem Grundlagentraining solltest du dich spezifisch auf die Herausforderungen vorbereiten, die dich bei einer Ultrawanderung erwarten. Und zwar indem du – Überraschung – lange bis sehr lange Wanderungen in deinem geplanten Tempo für die Ultrawanderung machst!
Diese „Probewanderungen“ erfüllen gleich mehrere Funktionen:
- Sie gewöhnen deine Muskulatur an die lange Belastung.
- Sie bieten dir die Möglichkeit, deine Ausrüstung und Verpflegung zu testen und zu optimieren.
- Sie helfen dir dabei, mögliche Probleme wie Wundscheuern, Blasenbildung etc. frühzeitig zu erkennen und vorzubeugen.
- Du kannst sie nutzen, um verschiedene Mentalstrategien zu entwickeln und auszuprobieren.
- Du kannst dich an das Wandern bei Dunkelheit und im müden Zustand gewöhnen.
Ich empfehle dir, spätestens 2-3 Monate vor deiner geplanten Ultrawanderung mit regelmäßigen längeren Probewanderungen zu beginnen, die schließlich bis zu 50 – 75 Prozent deiner Zieldistanz erreichen – je nachdem welche Strecke du dir ausgesucht hast.
Mach dir am besten einen verbindlichen Plan und trage die Termine für die Testwanderungen in deinen Kalender ein. Es sind wichtige „Trainingseinheiten“ die du genauso ernst nehmen solltest wie z.B. einen langen Lauf in der Vorbereitung auf einen Halbmarathon oder Marathon!
Ein Trainingsplan für eine 50- bzw. 100-km-Wanderung könnte zum Beispiel so aussehen:
Wochen bis zur Ultrawanderung | Ziel: 50 km | Ziel: 100 km |
---|---|---|
12 | 15 km | 20 – 30 km |
9 | 20 – 30 km | 30 – 40 km |
7 | 20 – 30 km | 40 – 50 km |
5 | 30+ km | 50+ km |
2-3 | 30+ km | 50+ km |
Deine Probewanderungen solltest du dafür nutzen, möglichst viele Probleme zu identifizieren (und zu beheben), die dir am „Tag x“ zum Verhängnis werden könnten:
- Teste verschiedene Rucksäcke, Hosen, Shirts bzw. Hemden sowie Kombinationen von Socken und Schuhen.
- Experimentiere mit deiner Verpflegung: Welche Dinge liefern dir Energie, lassen sich gut transportieren und auch im Gehen essen? Worauf hast du auch noch Lust, wenn du dich nicht mehr so gut fühlst? Welcher Snack baut dich auf und gibt dir einen Kick, wenn du in einem kleinen Tief steckst?
- Wie kannst du dir unterwegs die Zeit vertreiben und dich von deinen körperlichen Wehwehchen ablenken? Kommst du mit Musik, oder doch eher mit Podcasts und Hörbüchern besser in einen „Flow“?
All diese Dinge – die Ausrüstung, die Verpflegung und der Kopf – gehören zu dem Puzzle, das letztendlich darüber entscheidet, ob du es bis ins Ziel schaffst. Und deshalb schauen wir uns jetzt jeden dieser Aspekte einmal genauer an.
Ausrüstungs- und Verpflegungstipps für deine Ultrawanderung
Den wichtigsten Tipp zu deiner Ausrüstung gebe ich dir am besten gleich am Anfang: Nimm nur die Dinge mit, die du unterwegst unbedingt brauchst, und lass alles andere weg. Jedes Gramm, das du weniger mit dir herumschleppen musst, zählt!
Ich habe beim Megamarsch viele Wanderer gesehen, die große, mit dickwandigen Thermoskannen und mehrlagigen Outdoor-Jacken behängte Trekkingrucksäcke auf dem Rücken hatten. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder sie wollten damit ganz bewusst die Herausforderung steigern … oder sie haben völlig überschätzt, was man für eine Nonstop-Ultrawanderung an Verpflegung und Bekleidung benötigt.
Wenn du an einer Ultrawanderung in Deutschland teilnimmst, dann hast du mehrere Verpflegungsstellen unterwegs und bist nie weit von der nächsten Bushaltestelle oder dem nächsten Bahnhof entfernt. Du brauchst deshalb weder Unmengen an Proviant, noch (Ersatz-)Bekleidung für jedes erdenkliche Wetter.
Bevor ich dir gleich meine persönliche Packliste für Ultrawanderungen vorstelle, will ich auf die wichtigsten Bestandteile deiner Ausrüstung noch etwas näher eingehen: Deine Schuhe, deine Socken, deinen Rucksack und deine Verpflegung!
Das richtige Schuhwerk
Deine Schuhe sind – neben den Socken – sicherlich das wichtigste Ausrüstungsstück bei einer Ultrawanderung. Wenn du bis zu 100 Kilometer oder sogar noch mehr am Stück wanderst, dann melden sich irgendwann deine Füße zu Wort.
Und mit den falschen Schuhen wird das eher früher als später passieren.
Welche Schuhe für dich persönlich am besten funktionieren, das kannst du nur selbst herausfinden – und zwar unbedingt im Rahmen der oben angesprochenen Testwanderungen, und nicht erst wenn es darauf ankommt.
Trotzdem möchte ich dir die folgenden Denkanstöße für die Schuhwahl mit auf den Weg geben:
- Da die allermeisten Ultrawanderungen in Deutschland überwiegend auf gut befestigten Wegen stattfinden, brauchst du keine schweren, starren Wanderstiefel mit tiefem Profil.
- Wenn keine Flussdurchquerungen anstehen und auch nicht mit durchgängigem Regen zu rechnen ist, müssen die Schuhe nicht zwingend mit einer wasserdichten Membran ausgestattet sein.
- Das wichtigste Kriterium ist, dass du dich in den Schuhen wohlfühlst und nichts drückt, zwickt oder reibt (was dich spätestens auf der zweiten Hälfte der Wanderung in den Wahnsinn treiben würde).
Aus meiner Sicht spricht deshalb überhaupt nichts dagegen, zum Beispiel einen komfortablen, gedämpften Laufschuh für deine Ultrawanderung zu verwenden – so habe ich es jedenfalls beim Megamarsch gemacht.
Die Socken
Neben den Schuhen entscheiden auch die Socken maßgeblich darüber, wie sich deine Füße nach 50, 70 oder 90 Kilometern anfühlen werden.
Blasen an der Ferse, den Zehen oder der Sohle können dich bei einer Ultrawanderung psychisch zermürben. Im besten Fall senken sie „nur“ den Spaßfaktor in Richtung Null. Im schlechtesten Fall bedeuten sie das Ende deiner Finisherträume.
Blasen entstehen durch Reibung des Sockenstoffs auf deiner Haut. Gute Socken reduzieren die Reibung und verhindern bzw. verlangsamen so die Blasenbildung. Du solltest deshalb in perfekt sitzende Wander- oder Laufsocken investieren, und sie bei deinen Probewanderungen einem Härtetest unterziehen.
Eine Garantie gegen Blasen gibt es leider nicht, aber du kannst zusätzlich die folgenden Dinge ausprobieren:
- Der Hersteller Wrightsock bietet doppellagige Socken an, bei denen die Reibung zwischen den beiden Lagen statt zwischen dem Socken und dem Fuß stattfinden soll. Für Ultrawanderungen kommen z.B. die leichteren Modelle Coolmesh II* oder Stride* in Frage.
- Du kannst das Wrightsock-Prinzip auch selbst umsetzen und einfach zwei dünne Socken übereinander anziehen (als innere Lage wurden mir von einer Leserin Damenstrümpfe empfohlen).
- Und schließlich kannst du „Problemstellen“ wie die Ferse auch vorbeugend mit einem Blasenpflaster* abkleben oder einen reibungsmindernden Schutzfilm auftragen (z.B. von Second Skin*).
Bei allen diesen Maßnahmen gilt natürlich das grundsätzliche Prinzip, dass du sie ausreichend lange VOR deiner Ultrawanderung testen solltest.
Welcher Rucksack für eine Ultrawanderung?
Warum zähle ich auch den Rucksack zu den wichtigsten Ausrüstungsteilen? Ganz einfach: Genau wie falsches Schuhwerk oder die falschen Socken kann auch der falsche Rucksack deiner Wanderung ein jähes Ende bereiten.
Hier ist das wichtigste Kriterium: Der Rucksack sollte so klein und leicht wie möglich sein – idealerweise passt gerade deine minimalistische Ausrüstung (siehe unten) hinein. Rucksäcke mit mehr als 30 Liter Volumen halte ich deshalb für ungeeignet, weil sie dich dazu verleiten, mehr mitzunehmen als du unbedingt brauchst.
Ideal finde ich einen größeren Laufrucksack oder einen leichtgewichtigen Tagesrucksack mit maximal 25 Litern Stauraum (wobei 15-20 Liter locker reichen).
Für den schnellen Zugriff auf Verpflegung, Ersatzakkus, Handschuhe usw. sind zusätzliche Seiten-, Hüft- und Fronttaschen sehr praktisch, die du auch ohne Absetzen des Rucksacks erreichen kannst.
Die Verpflegung
Auch die Verpflegung gehört meiner Meinung nach zu den „Großen Vier“ was deine Ausstattung betrifft. Und das, obwohl bei Ultrawanderungen normalerweise mehrere Verpflegungsstellen angeboten werden, so dass du theoretisch sogar ganz ohne eigenen Proviant an den Start gehen könntest!
Der Verpflegung kommt beim Ultrawandern aber auch eine psychologische Bedeutung zu:
- Die Vorfreude auf einen Schoko-Müsliriegel, eine kleine Süßigkeit oder ein liebevoll vorbereitetes „Halbzeit-Festmahl“ kann dich bei Laune halten und über mentale und körperliche Tiefpunkte tragen.
- Umgekehrt kann es sehr zermürbend sein, wenn du in einer schwierigen Phase der Wanderung keine Verpflegung (mehr) hast, die dich anspricht.
Ich empfehle dir deshalb, dich nicht ausschließlich auf die angebotene Verpflegung zu verlassen, sondern unbedingt ein paar Snacks und etwas Comfort-Food einzupacken, von dem du weißt, dass du es auch im erschöpften Zustand noch runter bekommst.
Die Verpflegung gehört zu den Dingen, mit denen du während deiner Testwanderungen experimentieren solltest. Ich habe zum Beispiel herausgefunden, dass ein süß-säuerlicher Apfel neue Lebensgeister in mir wecken kann, und dass selbst der leckerste Schokoriegel nach zehn Stunden auf den Beinen keine Begeisterung mehr bei mir auslöst.
Idealerweise solltest du einen Mix an unterschiedlichen Lebensmitteln dabei haben (süß, salzig, herzhaft, knusprig, saftig usw.). Auf diese Weise stehen die Chancen gut, dass du auch in späteren Phasen deines Ultra-Abenteuers noch etwas im Rucksack hast, das deine Moral hebt.
Hier sind abschließend ein paar Ideen für geeignete Snacks. Weiter unten in der Packliste zeige ich dir dann, was ich selbst an Verpflegung mitnehme.
- frisches Obst (Bananen, Äpfel, Birnen, Pflaumen)
- Trockenobst (Aprikosen, Datteln, Feigen, Apfel- oder Bananenchips)
- Trail Mix (z.B. aus Erdnüssen, Rosinen und Schokodrops) oder selbstgemachte gebrannte Nüsse
- belegte Brote bzw. Brötchen
- Salzkartoffeln
- selbstgemachte Müsliriegel, Flapjacks oder Proteinriegel
- Schokoriegel, schokolierte Nüsse oder Kaffeebohnen
- Fruchtmus
- Energy-Gels (geht auch selbstgemacht: Rezept 1, Rezept 2), Traubenzucker
Packliste für eine Ultrawanderung
Nach diesen Vorüberlegungen stelle ich dir jetzt meine persönliche, minimalistische Packliste für Ultrawanderungen vor. Verwende sie gerne als Orientierungshilfe und passe sie an die jeweiligen Wetterbedingungen, die Vorgaben des Veranstalters und deine eigenen Bedürfnisse an:
Verpflegung
- 2 Liter Trinkblase mit Leitungswasser
- 2 Äpfel
- 1 Beutel Trailmix (Erdnüsse, Mandeln, Sonnenblumenkerne, Rosinen, Schokodrops)
- 2-3 Brote oder Brötchen mit pflanzlichem Aufstrich
- 1-2 Gelpäckchen und einige Traubenzucker für den Notfall
- 4-5 Riegel (Schoko, Carbs + Protein)
Bekleidung
- bequeme Zip-Off-Hosen und Funktionsshirt
- Pulli, Halstuch, Handschuhe + Mütze für die Nacht
- Sonnenbrille+ Kopfbedeckung für sonnige Tage
- Regencape oder weite Lightweight-Regenjacke, die ÜBER den Rucksack angezogen werden kann (ich verwende diesen Poncho von Vaude*, den man ganz praktisch als Hüfttasche transportieren kann)
- 1 Paar Socken und ggf. 1 Funktionsshirt zum Wechseln
Sonstiges
- kleiner faltbarer Trinkbecher (z.B. Fold-A-Cup*) für Kaffee und Tee an den Verpflegungsstationen
- Blasenpflaster (z.B. von Compeed*)
- Stirnlampe* + Ersatzbatterien
- (Outdoor-)Uhr (hier geht’s zu unserem Uhren-Ratgeber)
- Smartphone + Kopfhörer
- Geld, Schlüssel, Personalausweis + Versicherungskarte
- Taschentücher + Notfall-Klopapier
- Hand-Desinfektion
Und so sah das Ganze dann bei meiner letzten Testwanderung für den Megamarsch Frankfurt 2019 aus (bei der ich übrigens bewusst in die Nacht hinein gewandert bin):
Vor dem Start solltest du – je nach Wetterlage – außerdem Sonnenschutz auftragen und potenzielle Scheuerstellen mit Vaseline oder Second Skin* eincremen. Ggf. kannst du dir für den Notfall außerdem kleine „Probepackungen“ mit Sonnencreme und Vaseline einpacken.
Ins Ziel kommen
Bei einer 100-km-Wanderung beträgt das Zeitlimit in der Regel 24 Stunden. (Sehr) schnelle Ultrawanderer können diese Strecke in 14 Stunden oder sogar noch schneller schaffen, aber die meisten Teilnehmer:innen kommen jenseits der 18-Stunden-Marke ins Ziel (wenn sie denn ins Ziel kommen).
Egal wie schnell du also unterwegs bist: Du wirst eine Menge Zeit auf deinen Füßen verbringen, und bei vielen Ultrawanderungen auch durch die Nacht laufen. In der Dunkelheit wird dich mangels optischer Eindrücke kaum noch etwas von den immer stärker werdenden Schmerzen in deinen Füßen und Beinen und den immer lauter werdenden Gedanken ans Aufgeben ablenken.
Langer Rede kurzer Sinn: 100 Kilometer oder sogar noch mehr am Stück zu wandern ist (sehr) hart, und ohne das richtige Mindset wirst du es nicht schaffen. Abschließend möchte ich dir deshalb noch ein paar Gedanken und Tipps zu diesem Thema mit auf den Weg geben.
Die Einstellung ist der wichtigste Erfolgsfaktor
Die Einstellung, mit der du an die Ultrawanderung herangehst, ist mit Abstand der wichtigste Erfolgsfaktor – weit vor allen anderen Dingen über die wir bislang gesprochen haben, wie der Vorbereitung, Ausrüstung und Verpflegung.
Das bedeutet ganz konkret: Wenn du NUR die richtige Einstellung hast und unbedingt ins Ziel kommen willst, dann wirst du auch ins Ziel kommen (wenn du dich nicht verletzt) – eine gute Vorbereitung, Ausrüstung und Verpflegung machen dir die Sache bloß leichter.
Umgekehrt hast du OHNE die richtige Einstellung selbst mit der perfekten Ausrüstung und Vorbereitung nicht den Hauch einer Chance, eine 100-km-Wanderung zu finishen: Wenn es richtig hart wird findest du dann einfach keinen Grund mehr, warum du dir das noch länger antun solltest.
Das richtige Mindset
Was meine ich also, wenn ich von der „richtigen“ Einstellung bzw. dem „richtigen“ Mindset spreche? Es ist eigentlich ganz einfach:
- Du willst nicht nur dabei sein, so lange es dir Spaß macht, sondern wirklich unbedingt ins Ziel kommen.
- Du bist darauf vorbereitet, dass du spätestens auf der zweiten Hälfte der Wanderung Schmerzen haben und körperliche und mentale Erschöpfung erleben wirst.
- Du bist fest enschlossen, trotzdem weiterzugehen und einen Fuß vor den anderen zu setzen, bis du die Ziellinie überquerst.
Die Finisherquote bei Ultrawanderungen bewegt sich in der Regel im Bereich von nur 25 bis 50 Prozent, weil viele Teilnehmer:innen mit einer anderen Einstellung an den Start gehen: Sie möchten die Atmosphäre genießen, Spaß haben und einfach schauen, wie weit sie kommen – und das ist natürlich völlig okay!
Aber wenn du bis hierhin gelesen hast, dann willst du vielleicht nicht nur dabei sein, sondern das Ding tatsächlich bis zum Ende durchziehen. 🙂
In diesem Fall solltest du dir das oben vorgestellte Mindset zu eigen machen. Sieh es als einen Teil deiner mentalen Vorbereitung, dir die drei Punkte immer wieder vor Augen zu führen und zu deinem inneren Mantra zu machen.
Motivationstipps für unterwegs
Die richtige Einstellung wird dir dabei helfen, die schwierigen Phasen deiner Ultrawanderungen zu überstehen und nicht aufzugeben. Aber es gibt noch ein paar weitere Dinge, die du tun kannst, um deine Erfolgschancen zu verbessern.
Sorge für Ablenkung und Unterhaltung
Natürlich kannst du nach dem Start deine Gedanken schweifen lassen, die Umgebung beobachten, die aufregende Atmosphäre genießen oder dich mit anderen Teilnehmern unterhalten. Du wirst aber im Laufe einer Ultrawanderung unweigerlich an einen Punkt kommen, an dem sich jeder Kilometer zieht wie Kaugummi, und deine Gedanken nur noch um die Schmerzen in deinen Füßen und die noch vor dir liegende Strecke kreisen.
Nimm dir deshalb Hörbücher, Podcasts oder Musik mit, mit denen du dich unterwegs ablenken kannst. Mit einem spannenden Hörbuch oder deiner Lieblings-Playlist auf den Ohren vergeht die Zeit gleich viel schneller!
Teile die Strecke in Etappen ein
Wenn du die ganze Zeit nur an die vielen Kilometer denkst, die dich noch vom Ziel trennen, dann kann die Ultrawanderung wie eine unlösbare Aufgabe erscheinen – besonders wenn das Hochgefühl der ersten Kilometer nachgelassen hat und sich so langsam die ersten Zipperlein bemerkbar machen.
Eine gute Strategie gegen diese mentale Überforderung ist es, die Strecke gedanklich in einzelne Etappen zu unterteilen – zum Beispiel in Abschnitte von 10 oder 20 Kilometern. Mit diesen „vernünftigen“ Distanzen kann dein Kopf besser umgehen, und sie lösen keine lähmenden Gedanken bei dir aus, weil du sie schon unzählige Male zurückgelegt hast.
Idealerweise verknüpfst du die Etappenziele mit kleinen Belohnungen, um dich bei Laune zu halten und dich für den nächsten Abschnitt zu motivieren: „Nach 20 Kilometern starte ich den Podcast, den ich mir extra für diese Wanderung aufgehoben habe, nach 40 Kilometern gönne ich mir einen Schokoriegel …“ usw.
Begrenze deine Pausenzeiten
Das klingt vielleicht erst mal seltsam: Sind Pausen nicht wichtig, damit du dich ausruhen kannst, um gut gestärkt die nächste Etappe in Angriff zu nehmen?
Es kommt darauf an: Wenn du eine gute „Pausendisziplin“ an den Tag legst (Vorräte auffüllen, Blasen oder Scheuerstellen versorgen, heißen Kaffee oder Tee für die Moral schlürfen und zügig wieder aufbrechen), dann können Pausen ein wichtiger Erfolgsfaktor bei deiner Ultrawanderung sein.
Andererseits kann jede eingelegte Pause auch das Ende deines Finishertraums bedeuten: Das Sitzen fühlt sich nach den vielen Stunden auf wunden Füßen so unglaublich gut an, und der Kaffeeduft erinnert dich daran, dass du morgen auch einfach ausgeschlafen am reich gedeckten Frühstückstisch sitzen könntest …
Es ist deshalb keinesfalls eine „Todsünde“, auch mal eine Verpflegungsstelle auszulassen, wenn du noch ausreichend Flüssigkeit und Verpflegung im Rucksack hast.
Ich selbst habe bei meiner ersten Ultrawanderung sogar nur eine einzige Verpflegungsstelle angesteuert, um meine Blasen zu verarzten und meinen Wasservorrat aufzufüllen – und schon diese kurze, etwa 10-minütige Pause hat mich so aus dem Tritt gebracht, dass ich anschließend mehrere Kilometer brauchte, um wieder meinen Rhythmus zu finden.
Leg dir ein Mantra zurecht
Ein Mantra ist ein kurzer Satz oder auch nur ein einzelnes Wort, das du wiederholt aussprichst (in Gedanken oder auch hörbar), um dich zu fokussieren oder dich in einen bestimmten emotionalen oder meditativen Zustand zu bringen.
Mantren können dir dabei helfen, die schwierigsten Phasen der Ultrawanderung zu überstehen, an denen deine Kraft und Motivation am Tiefpunkt sind und der Gedanke ans Aufhören immer lauter wird.
Für eine Ultrawanderung könnten zum Beispiel diese Mantren funktionieren:
- „Immer nur der nächste Schritt“
- „Ich bin stärker als der Schmerz“
- „Ich wachse über mich hinaus“
Diese Mantren sind mir spontan in den Sinn gekommen, aber natürlich kannst du auch dein eigenes Mantra entwickeln! Finde etwas, das zu dir passt und dich berührt – und setze es schon bei deinen Testwanderungen ein, um es zu verinnerlichen und zu prüfen, ob es die gewünschte Wirkung entfaltet.
Ultrawanderungen in Deutschland
Ich hoffe, dass ich mit diesem Ratgeber die Lust aufs Ultrawandern in dir wecken konnte, und dass du es jetzt kaum noch erwarten kannst, dich dieser Herausforderung zu stellen!
Wenn du noch nicht weißt, wo du dir den Traum vom Ultrafinish erfüllen sollst, dann wirf einen Blick in die nachfolgende Liste, in der ich einige Veranstaltungen in Deutschland zusammengetragen habe.
Ich möchte sie noch erweitern, deshalb schreib gerne einen Kommentar wenn du eine Veranstaltung empfehlen kannst – ich ergänze sie dann!
- Megamarsch
- Mammutmarsch
- Kölnpfad Ultrawandern
- Rhein-Ahr-Marsch
- Fichtelbergmarsch
- Horizontale „Rund um Jena“
- Hollenmarsch Bödefeld
- GrimmSteig-Tage
- AdventureWalk
- Schlackenmarsch
- Sieben-Seen-Wanderung
- Nord-Marsch
- Aindlinger Kleeblattmarsch
Buchtipp: Handbuch Ultrawandern
Zum Weiterlesen kann ich dir das Handbuch Ultrawandern* von Stefanie Nonnenmann und Wolfgang Niedermeier empfehlen, das im Februar 2021 erschienen ist. Meines Wissens ist es das erste deutschsprachige Buch überhaupt, das sich mit dem Ultrawandern auseinandersetzt, und du findest darin jede Menge praxiserprobte Tipps rund um Ausrüstung, Training, Verpflegung und Motivation. Ich habe vom Verlag ein kostenloses Rezensionsexemplar erhalten und kann das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen!
Stephi
Tolle Tipps, danke!
Jens
Hallo Daniel,
da ich Anfang Mai den Megamarsch in München mitlaufen wollte (der ist jetzt erstmal auf Oktober verschoben), helfen mir deine Tips ungemein. Ich hätte vermutlich deutlich mehr an Verpflegung mitgenommen…
Machen evtl. Wechselschuhe Sinn?
Wie hast du dich denn Ernährungsmäßig auf die Ultrawanderung vorbereitet?
Daniel Roth
Hallo Jens, ein zweites Paar Schuhe würde ich nicht mit mir rumschleppen wollen. Ich denke es ist auch im Hinblick auf die Blasenproblematik besser, die Schuhe nicht zu wechseln.
Ich hatte auf der zweiten Hälfte ziemlich heftige Blasen an den Fersen, und hab dann Blasenpflaster draufgeklebt und frische Socken angezogen. Anschließend war es deutlich schlimmer als vorher, und ich könnte mir vorstellen dass das auch passieren kann, wenn man die Schuhe wechselt … irgendwann sind Füße, Socken und Schuhe aufeinander „eingespielt“ und im Idealfall vermeidet man es, diese empfindliche Symbiose zu stören. Das ist jedenfalls meine Theorie dazu, haha 🙂
Und ernährungsmäßig hab ich mich nicht besonders vorbereitet – ist auch meiner Meinung nach nicht nötig, wenn man sich ansonsten möglichst gesund und ausgewogen ernährt.
Ich drücke dir die Daumen, dass der Megamarsch im Oktober stattfinden kann. Das wird bestimmt ein Wahnsinns-Erlebnis!
Pia
Hallo Daniel,
vielen Dank für deinen tollen Artikel! Nachdem ich letzten Sonntag auf meinem Longrun den dazugehörigen Podcast gehört habe, war ich ganz gespannt, auf die Tipps 🙂
Ich hätte noch eine kleine Anregung zu anderer Sache…. vielleicht könntet ihr eure (zukünftigen Artikeln) mit einem Datum versehen? Ich find das irgendwie aufschlussreich bzw. informativ zu sehen, von wann ein Artikel ist. Aber ist reine Geschmackssache 🙂
Bleibt gesund und liebe Grüße
Pia
Daniel Roth
Hallo Pia, das war dann ja wirklich ein super Timing 🙂
Und zu deiner Anregung: Dass bei unseren Beiträgen kein Datum erscheint ist eine bewusste Entscheidung, da Google dann das Alter in die Ermittlung des Suchrankings einbeziehen würde und ältere Beiträge immer „unsichtbarer“ werden würden. Da die meisten unserer Beiträge aber zeitlos sind (und wir sie ja auch immer wieder auf den neuesten Stand bringen), möchten wir das gerne vermeiden.
Es gibt aber einen Trick, mit dem du das Erscheinungsdatum herausfinden kannst: Schau einfach auf unserer Archiv-Seite unter https://www.bevegt.de/archiv vorbei und suche auf der Seite nach dem Beitragstitel – dort wird das Veröffentlichungsdatum nämlich jeweils angezeigt.
Patricia Heissenberger
Wow, vielen vielen Dank für diesen ausführlichen Bericht! Lutz und ich liebäugeln auch mit einem Megamarsch, da kommen die ganzen Tipps wie gerufen 😊
Daniel Roth
Macht es unbedingt!!! 🙂 Liebe Grüße auch an Lutz und hoffentlich bist spätestens 2021 beim BGL …
Svenja
Ein sehr motivierender und inspirierender Artikel! Danke dafür 🙂
Mein Freund und ich sind in den letzten 2 Jahren auch ans Wandern gekommen und nach einem Wanderurlaub auf La Gomera (sehr zu empfehlen!) nun vollends angefixt. Wir haben zufällig grade kürzlich erst die Idee gefasst, eine Ultrawanderung zu probieren.
Dazu zwei kleine Fragen: Wir haben uns aufgrund der Steigungen auf Gomera an das Wandern mit Wanderstöcken gewöhnt und fühlen uns damit auch im Flachland irgendwie dynamischer. Wären die bei so einem Marscch erlaubt?
Und was ist so die typische Verpflegung an den Stationen? (Das findet man aber bestimmt auch mit etwas Googelei beides raus.)
LG Svenja
Daniel Roth
Hallo Svenja, vielen Dank für die tolle Rückmeldung! Und klar könnt ihr bei der Ultrawanderung eure Stöcke mitnehmen – wenn ihr sicher gehen wollt könnt ihr ja einfach beim Veranstalter nachfragen, aber ich wüsste nicht, warum das jemand verbieten sollte.
Und eine „typische“ Verpflegung gibt es nicht – das hängt wirklich total von der Veranstaltung ab. Beim Megamarsch gab es z.B. heiße und kalte Getränke, Obst, Gemüsebrühe, belegte Brote, Müsliriegel, Salzstangen etc.
Setzt die Idee mit der Ultrawanderung auf jeden Fall in die Tat um! Ihr werdet es nicht bereuen … jedenfalls nicht, wenn ihr im Ziel seid 😉
Svenja
Danke für die Antwort, dann werden wir wohl lieber erstmal die Stöcke einplanen. Wir haben damit das Gefühl, die Belastung von den Beinen etwas auf den ganzen Körper umzuverteilen. Ob das nur Kopfsache ist weiß ich nicht, bei langen Wanderungen schadet es aber bestimmt nicht 🙂
Wir haben uns jetzt vorgenommen, sofern möglich, gegen Ende des Jahres mal eine 50 km Wanderung als Testlauf/Vorbereitung mitzumachen und nächstes Frühjahr dann die 100 km anzugehen. Ich bin gespannt!
Henk
Cooler Artikel. Gleich wieder Lust aufs Wandern bekommen, und vielleicht kommt so ein Marsch noch auf die Bucketlist 🙂
Katrin Schäfer
Dann nimm es dir vor, Henk – du wirst es bestimmt nicht bereuen 🙂
Viele Grüße
Katrin
Michael Raab
Ich glaube den Youtube Kanal, Outdoor mit Sebastian, habt ihr auch erwähnt, für mich immer extrem motivierend dem zuzugucken.
Daniel Roth
Ja, der ist auf jeden Fall sehr inspirierend! Man will nach seinen Videos irgendwie gleich raus in die Natur und ein kleines Abenteuer erleben 🙂
Christof
Hallo Daniel,
vielen Dank für diesen tollen, ausführlichen und in die Tiefe gehenden Artikel! Werde ich in meinen Meine-Empfehlungen-Artikel am Sonntag aufnehmen.
Bin schon öfter auf meinen Fernwanderungen zwischen 40 und 50 km gelaufen, auf dem Jakobsweg in Frankreich einmal 53 km. Da war ich aber jedesmal schon paar Wochen unterwegs und gut eingelaufen. Aus dem Stand heraus machen das Füße und Körper nur schwer mit. Deswegen finde ich es super, dass Du Tipps für die Vorbereitung und eine Art Trainingsplan eingebaut hast.
Du hast mich motiviert, mal an so eine organisierte Ultrawanderung mitzumachen, am liebsten über 100 km.
Viele Grüße
Christof
Daniel Roth
Hallo Christof, das freut mich! Ich wollte eigentlich Anfang Juli in Köln beim Kölnpfad Ultrawandern meinen zweiten „100er“ machen, aber das fällt natürlich Corona-bedingt ins Wasser. Ich werde trotzdem versuchen, es auf eigene Faust durchzuziehen (hier bei uns, vielleicht auf dem Fernwanderweg E1).
Gestern waren wir nach längerer Zeit mal wieder 35km unterwegs, und heute spür ich jeden Muskel … es wird also definitiv wieder ein hartes Stück Arbeit, aber das Erlebnis ist kaum zu toppen 🙂 Höchstens vielleicht durch das Gefühl, wenn man sich anschließend völlig fertig und übermüdet endlich aufs Bett fallen lassen kann (natürlich nach dem Duschen)!
Als erfahrener Fernwanderer hast du das auf jeden Fall drauf!
Christof
Ich finds interessant, dass Läufer wie Ihr nach langen Wanderungen Muskelkater & Co. habt. Und ich als Wanderer nach einem Lauf meinen Körper ziemlich spüre. Laufen und Wandern beanspruchen halt doch recht unterschiedliche Muskelbereiche.
Daniel Roth
Stimmt, die Belastung beim Laufen ist definitiv eine ganz andere als beim Wandern. Es lohnt sich also, beides gelegentlich zu tun 🙂
Thomas
Ich habe mir vorgenommen, vom 20. auf den 21. Juni meinen ersten 100er zu gehen und das mit einer Spendensammlung zu verbinden, irgendwo muss die Form aus dem Training ja hin.
Daher – vielen Dank für die guten Tipps. Ich gehe davon aus, dass das trotz Erfahrung mit Ultras, Ironman und 300km Radtouren die härteste sportliche Leistung wird – die längste wird es auf jeden Fall.
Ich bin überrascht, mit wie wenig Verpflegung Du zurechtgekommen bist – da esse ich ja normalerweise an einem Tag mehr…
Ich werde berichten.
Katrin Schäfer
Hallo Thomas,
alles Gute für deine Wanderung und viel Spaß dabei! Daniel wird auch berichten wie es ihm bei seiner privaten 100 km-Wanderung ergeht 🙂
Viele Grüße
Katrin