Vor 15 Jahren, am 15. August 2010, habe ich zum letzten Mal Fleisch gegessen. Einige Wochen später hat Katrin den gleichen Entschluss gefasst – der Beginn unserer gemeinsamen veganen Entdeckungsreise, wie wir diese Zeit im Rückblick gerne nennen.
Bis wir wirklich vegan lebten dauerte es noch ein paar Monate, aber aus Ermangelung eines eindeutigen Datums feiern wir seitdem jedes Jahr am 15. August unseren „veganen Geburtstag.“
Auch wenn es sich schon lange völlig normal für uns anfühlt, keine tierischen Lebensmittel mehr zu essen (und auch auf Zoobesuche, Leder, Wolle und generell alle Produkte tierischen Ursprungs zu verzichten), war es eine der folgenreichsten Entscheidungen unseres bisherigen Lebens.
Ohne diese Entscheidung wären wir heute andere Menschen, hätten einen anderen Freundeskreis und würden einer anderen Arbeit nachgehen.
Es gäbe diesen Blog nicht und auch keinen beVegt-Podcast und keine beVegt-Community, wenn wir damals nicht den Mut gehabt hätten, unserem Bauchgefühl zu folgen und das mit der pflanzlichen Ernährung mal auszuprobieren.
Es ist viel passiert in diesen 15 Jahren, und wir haben viel gelernt. Einige unserer Learnings könnten vielleicht auch für dich nützlich sein, deshalb wollen wir sie heute mit dir teilen.
Los geht’s:
Es ist ein gutes Gefühl, nach seinen Werten zu leben
Mit dem Strom zu schwimmen ist bequem, aber nichts schlägt das Gefühl, im Einklang mit den eigenen Prinzipien und Werten zu handeln – auch wenn es manchmal unbequem ist.
Es ist besser, Teil der Lösung zu sein, als Teil des Problems
Wir können die Probleme der Welt nicht im Alleingang beseitigen, und es ist oft frustrierend, wenn wir unser Bestes geben und feststellen, dass unsere Bemühungen scheinbar kaum einen Unterschied machen. Aber wenn wir vom Teil des Problems zu einem Teil der Lösung werden, ist ein wichtiger Schritt gemacht.
Wenn die große Veränderung nicht klappt, fang mit einer kleinen an
Wenn es dir schwer fällt, eine große Veränderung in deinem Leben anzustoßen, dann fang mit einer ganz kleinen an. Wenn der Stein erstmal ins Rollen gekommen ist und du Blut geleckt hast, wird dir jede nachfolgende Veränderung ein kleines bisschen leichter fallen als die vorherige.
Eine Veränderung macht Lust auf die nächste
Vielleicht geht es dir sogar wie uns und du findest richtig Gefallen daran, dich neu zu erfinden. Nachdem wir vegan geworden sind haben wir kräftig ausgemistet und den Minimalismus für uns entdeckt, unsere Jobs gekündigt, uns mit beVegt selbständig gemacht und unser Auto verkauft.
Vor einem Jahr sind wir in ein „kein Alkohol“ Selbstexperiment gestartet, das bis heute läuft, und aktuell streichen wir mehr und mehr hochverarbeitete Lebensmittel aus unserer Ernährung und experimentieren mit selbstgemachten Alternativen.
Man könnte sagen, dass wir uns die Veränderung zur Gewohnheit gemacht haben – und unser Leben ist dadurch spannender und befriedigender geworden.
Vegan zu leben ist kein Freifahrtschein
Keine tierischen Produkte mehr zu konsumieren ist ein großes Commitment, und es ist verlockend sich auf dem Gefühl auszuruhen, damit schon sehr viel für eine gerechtere, friedlichere und nachhaltigere Welt getan zu haben.
Unser persönlicher Fußabdruck ist trotzdem noch immer um ein Vielfaches größer als der der meisten anderen Menschen, und es gibt unzählige andere Bereiche, in denen wir achtsamer handeln und bessere Entscheidungen treffen können. Wir wollen nicht bequem werden und unser Leben Schritt für Schritt weiter an unseren Werten ausrichten.
Vegan zu leben ist einfach
Wir haben in Deutschland überall leichten Zugang zu pflanzlichen Grundlebensmitteln und zu speziell auf die Bedürfnisse einer veganen Ernährung abgestimmten Supplementen. Wenn man vegan leben möchte, dann ist das für die allermeisten Menschen hierzulande deshalb problemlos möglich.
Vegane Ernährung vollbringt keine Wunder
Wir kennen Menschen, deren Hautprobleme, Allergien oder Verdauungsbeschwerden sich nach dem Umstieg auf eine vegane Ernährung gebessert haben oder sogar verschwunden sind. Aber wir kennen genauso viele vegan lebende Menschen, die weiterhin unter diesen oder anderen gesundheitlichen Problemen leiden.
Wenn du aus gesundheitlichen Gründen zu einer pflanzlichen Ernährungsweise findest ist das toll, aber du solltest dir davon keine Wunder versprechen, um nicht enttäuscht zu werden. Die ethischen und ökologischen „Vorteile“ eines veganen Lebens sind für uns Motivation genug.
„Alles oder Nichts“ funktioniert für uns am besten
Wir machen keine Ausnahmen bei unserer veganen Lebensweise, und für uns ist das der beste Weg. Wir mögen es, wie einfach unsere Entscheidungen dadurch werden, und wie wenig Zeit und mentale Energie wir darauf verwenden müssen.
Das gilt übrigens auch für andere Lebensbereiche: Wenn es dir schwer fällt, ein bisschen weniger Fleisch zu essen, nur zu besonderen Anlässen Alkohol zu trinken oder seltener bei Amazon einzukaufen als bisher, dann geh doch mal testweise „all-in“ und schau, ob es dir dadurch leichter fällt.
Weniger ist mehr (wirklich!)
Durch unseren Entschluss, uns vegan zu ernähren, sind große Teile des Lebensmittelangebots im Supermarkt und die allermeisten der ca. 100.000 Restaurants und Imbisse in Deutschland uninteressant für uns geworden.
Und das ist gar nicht so schlimm wie es sich vielleicht anhört. Im Gegenteil: Weniger Auswahl bedeutet kürzere und fokussiertere Supermarktbesuche, weniger Entscheidungslähmung bei der Suche nach dem „besten“ Restaurant und eine kleinere Angriffsfläche für das Marketing der Lebensmittelindustrie (die Werbung für den neuesten Schokoriegel oder die Eiscreme-Special-Edition perlt einfach an uns ab).
Vegane Ernährung ist für uns kein Verzicht
Auf etwas zu verzichten bedeutet, dass man das „Objekt“ des Verzichts eigentlich gerne konsumieren oder besitzen würde, und es sich sozusagen verwehrt. Wir haben aber gar kein Verlangen mehr nach tierischen Lebensmitteln, sie fehlen uns nicht und es gibt inzwischen unzählige pflanzliche Alternativen. Vegan zu leben hat sich deshalb für uns nie wie ein Verzicht angefühlt.
Interessanterweise war es sogar genau andersherum: Nachdem wir vegan geworden sind, waren wir plötzlich viel experimentierfreudiger, haben in der Küche Neues ausprobiert und unseren kulinarischen Horizont deutlich erweitert.
Vorleben ist effektiver als diskutieren
In einer hitzigen und emotional aufgeladenen Diskussion wirst du selbst mit den besten Argumenten nur wenig erreichen – ein saftiger veganer Schokokuchen, ein cremiges Thai-Curry oder ein veganer Mac-and-Cheese-Auflauf leisten in vielen Fällen die bessere Überzeugungsarbeit.
Menschen möchten nicht überzeugt werden. Sie wollen das Gefühl haben, einer Sache selbst auf die Spur gekommen zu sein. Oft wirst du ihr Interesse einfach schon dadurch wecken, dass du ihnen zeigst, wie das vegane Leben für dich funktioniert, und wie gut es dir damit geht.
Du brauchst keine 1.000 Instagram-Follower, um etwas zu bewegen
Das folgt aus dem vorherigen Punkt. So lange du in deinem Alltag anderen Menschen begegnest (und das tust du ja hoffentlich), wirst du bei dem ein oder anderen Spuren hinterlassen. Wir wissen von vielen Personen in unserem Umfeld, die ihre Ernährung verändert haben und jetzt zum Beispiel weniger oder gar kein Fleisch mehr essen, obwohl wir niemals mit ihnen über dieses Thema gesprochen haben.
Dein persönliches Handeln zieht Kreise, und über deine Lebenszeit wirst du damit viel mehr bewirken als du vielleicht denkst.
100% vegan zu leben ist weder möglich noch nötig
Wir leben (noch) in einer Welt, in der tierische Produkte in nahezu allen Produktionsprozessen eine Rolle spielen. Zu 100% vegan zu leben ist deshalb kein realistisches Ziel, und veganes Leben spielt sich immer auf einem Kontinuum ab.
Wenn du persönlich möglichst nahe an die 100% rankommen willst ist das toll (wir wollen es auch). Aber bevor du gefrustet das Handtuch wirfst, weil deine Familie nicht mitzieht, die Kantine es nicht hergibt oder dir andere Hindernisse im Weg stehen, peile doch einfach die 95 oder auch 90% an.
Wenn viele Menschen dauerhaft „so vegan wie möglich“ leben bewirkt das tausendmal mehr als wenn es sie es eine kurze Zeit mit 100% versuchen und dann zu ihren alten Gewohnheiten zurückkehren, weil es zu anstrengend oder unpraktikabel ist. Dieses Prinzip gilt übrigens auch in anderen Bereichen wie Konsum und Nachhaltigkeit.
Gemeinsam ist es viel leichter
Wir haben großes Glück gehabt, weil wir unseren veganen Weg von Anfang an gemeinsam gehen konnten. Wenn du in deinem Umfeld keine Mitstreiter an deiner Seite hast, bedeutet das aber nicht, dass du es ganz alleine schaffen musst. Wir haben über die Jahre unzählige Online-Bekanntschaften geschlossen, aus denen später oft auch Freundschaften im „echten Leben“ geworden sind. Die Community, die um beVegt herum entstanden ist, inspiriert uns jeden Tag aufs Neue und gibt uns das Gefühl, mit vielen anderen Geichgesinnten auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten.
Egal wo auf deinem Weg du gerade stehst: Du kannst auch ein Teil dieser Community sein. Wir freuen uns auf dich!
Es gibt immer noch etwas zu lernen
Auch nach 15 veganen Jahren entdecken wir noch regelmäßig neue Lebensmittel und Gerichte, und auch unsere Perspektive auf die vegane Lebensweise und die damit verbundenen Themen und Herausforderungen entwickelt sich stetig weiter. Die letzten 15 Jahre waren die vielleicht lehrreichste Zeit unseres Lebens, und wir sind gespannt, was die nächsten 15 Jahre an neuen Erkenntnissen und Erfahrungen bringen werden 🙂
Und jetzt würden wir natürlich gerne wissen, was für dich die bislang wichtigsten Learnings deines veganen Lebens waren. Wenn du magst, dann verrate es uns in einem Kommentar!
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