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Wenn bei uns früher im Sportunterricht ein Dauerlauf auf dem Programm stand, war Seitenstechen DIE Top-Ausrede, um die „Leidenszeit“ zu verkürzen. Die Ausfallquote war teilweise so hoch, dass man den Eindruck bekommen konnte, Seitenstechen sei ansteckend. Aber ich will meinen damaligen Mitschüler:innen natürlich nichts unterstellen, denn vielleicht hatten viele von ihnen ja tatsächlich mit den fiesen Schmerzen zu kämpfen.
Fakt ist, dass die unangenehmen Stiche in der unteren Magen- und Leistengegend ein absoluter Spaßkiller beim Laufen sind. Wir können nicht mehr richtig atmen, kommen aus dem Rhythmus, der ganze Oberkörper verkrampft sich und jeder Schritt wird zur Qual. In vielen Fällen bedeutet Seitenstechen das Ende unserer Trainingseinheit oder – noch schlimmer – eines ambitionierten Wettkampfziels.
Dabei ist Seitenstechen kein reines Anfängerproblem, sondern kann auch fortgeschrittene Läufer:innen und sogar Profis treffen. Ein bekanntes Beispiel ist der ehemalige deutsche Spitzenläufer Falk Cierpinski, der in seiner Karriere gleich mehrmals von Seitenstechen im Wettkampf ausgebremst wurde.
Grund genug, dass wir uns einmal ganz ausführlich mit diesem typischen Läufer:innenproblem beschäftigen. In diesem Beitrag beantworten wir die wichtigsten Fragen zum Seitenstechen und zeigen dir, was du tun kannst, um Seitenstechen vorzubeugen und im Fall der Fälle wieder loszuwerden.
Beitragsübersicht
Wenn anschließend noch Fragen offen geblieben sind, oder du deine eigenen Erfahrungen bzw. Tipps beisteuern willst, dann freuen wir uns über deinen Kommentar!
Was ist eigentlich Seitenstechen? Und durch welche Symptome äußert es sich?
Als Seitenstechen (oder Seitenstiche) bezeichnet man einen Schmerz unbekannter Ursache im Unterbauch, unterhalb der unteren Rippen. Die Schmerzen machen sich entweder auf der linken Seite, etwa in der Milzgegend, oder auf der rechten Seite im Bereich der Leber bemerkbar, und können bis in den Oberbauch ausstrahlen. Besonders hartnäckige Seitenstiche können sogar von Übelkeit begleitet sein. Sie sind aber in keinem Fall gefährlich oder gesundheitsschädlich.
Die Schmerzen treten in der Regel bei andauernder körperlicher Belastung auf. Typische Bewegungsformen sind zum Beispiel Laufen, Seilspringen sowie Ausdauerfitnesskurse. Durch die stechenden Schmerzen und manchmal auch Krämpfe wird die Atmung beeinträchtigt, so dass wir nur noch flach ein- und ausatmen und schließlich das Tempo reduzieren oder sogar komplett stehenbleiben müssen. Ein schmerzverzerrtes Gesicht gibt es oft gratis dazu.
Viele Betroffene machen in dieser Situation allerdings ganz automatisch das Richtige: Sie unterbrechen ihren Lauf, gehen ein paar Schritte und versuchen dabei, tief ein- und auszuatmen (mehr dazu gleich).
Was sind die möglichen Ursachen für Seitenstechen?
Bis heute ist nicht zweifelsfrei geklärt wie Seitenstechen entsteht. Was die Erforschung der Ursachen schwierig macht ist die (ansonsten sehr erfreuliche) Tatsache, dass die Schmerzen ausschließlich unter Belastung auftreten und normalerweise sofort wieder verschwinden, sobald man eine Pause einlegt. Es werden aktuell verschiedene Ursachen diskutiert, und es ist gut möglich, dass das Seitenstechen durch eine Kombination von mehreren Faktoren entsteht.
Hier ein ganz kurzer Überblick über einige der Theorien, die bislang im Raum stehen:
- Verformung von Leber und Milz durch veränderte Durchblutung
- Minderdurchblutung des Zwerchfells führt zu Krämpfen durch Sauerstoffmangel
- Eingeschränkte Beweglichkeit des Zwerchfells durch Verkrampfung der Bauchmuskulatur
- Ansammlung von Gasen im Dickdarm führt zur schmerzhaften Ausdehnung des Darms
- Schlechte Körperhaltung erzeugt beim Laufen Druck auf die Zwischenrippennerven
- Nahrungsaufnahme zu kurz vor dem Training belastet den Magen
Diese „organischen“ Erklärungsversuche lassen sich etwas greifbarer den drei Bereichen Atmung, Ernährung und Körperhaltung zuordnen – das sind also Ansatzpunkte, mit denen du experimentieren kannst, wenn du Probleme mit Seitenstechen hast. Daneben gibt es noch weitere mögliche Ursachen wie zu intensives Training bzw. ein zu schnelles Lauftempo, eine schwache Rumpfmuskulatur oder ein zu kurzes Warm-Up vor der Belastung.
Was darüber hinaus definitiv feststeht ist, dass Seitenstechen mit zunehmender Fitness immer seltener auftritt – eine gute Nachricht, wenn du gerade erst mit dem Laufen angefangen hast und dich die Seitenstiche zur Verzweiflung treiben!
Was kannst du tun, um Seitenstechen vorzubeugen?
Du kennst bestimmt die alte Weisheit: Vorbeugen ist besser als Heilen. Deshalb schauen wir uns jetzt ein paar Dinge an, die du tun kannst, um das Risiko für Seitenstechen zu minimieren. Sie sind entweder aus den oben vorgestellten möglichen Ursachen abgeleitet, oder sie fallen in die Kategorie der „Erfahrungsmedizin“ 🙂
Atmung
- Versuche, den gesamten Lauf über bewusst auszuatmen. Unter Belastung neigen wir oft dazu, die Ausatmung vorzeitig zu unterbrechen, wodurch unsere Atmung flach und unvollständig wird. Eine Methode die du ausprobieren kannst ist die 2-ein-3-aus-Atmung, bei der du zwei Schritte lang ein, und drei Schritte lang ausatmest.
- Versuche, beim Laufen in den Bauch statt in den Brustkorb zu atmen.
- Mache Atemübungen zu einem festen Bestandteil deines Tagesablaufs, vielleicht sogar mit einem kurzen Atemritual am Morgen und am Abend. Eine ganz einfache Atemübung kann zum Beispiel so aussehen: Tief ausatmen, bis sich keinerlei Luft mehr in Bauch, Brust und Lunge befindet. Tief durch die Nase einatmen und die Luft bewusst in den Bauch lenken. Kurz innehalten und anschließend wieder tief durch den Mund ausatmen. Mehrmals wiederholen.
- Kapalabhati, auch als Feueratmung oder “Schädelleuchten” bekannt, ist eine Atemübung aus dem Yoga, bei der du in aufrechter Haltung einmal durch die Nase ein- und anschließend staccatoartig ausatmest. Sie trainiert das Zwerchfell und die übrige Atemmuskulatur. Wenn du noch ungeübt bist reichen 3-5 Ausatmungen, aber du kannst dich später auf ein Vielfaches davon steigern.
Ernährung
- Iss mindestens 2-3 Stunden vor dem Lauf nur noch leicht verdauliche Lebensmittel. Die letzte größere Mahlzeit sollte besser noch länger zurückliegen.
- Notiere dir Lebensmittel und Gerichte, die bei dir zu Seitenstechen führen, und meide sie ab sofort vor deinen Läufen.
- Ungünstig wirken sich in der Regel neben fett- und proteinreichen Lebensmitteln auch Getränke mit Kohlensäure aus. Da die Ernährung bzw. Verdauung aber ein sehr individuelles Thema ist können natürlich auch andere Speisen zu Seitenstechen führen.
Training
- Starte dein Lauftraining langsam und betont locker. Das gilt besonders für den ersten Kilometer. Und zwar bei jedem Lauf – also auch dann, wenn nur ein lockerer Dauerlauf ansteht. Auf diese Weise gibst du deinem Körper Zeit, langsam hochzufahren und Muskulatur, Kreislauf und Atmung auf die intensivere Belastung vorzubereiten.
- Arbeite an deinem Laufstil und eigne dir eine aufrechte, lockere Oberkörperhaltung an. Viele Lauftrainer:innen oder Vereine bieten Laufkurse an, in denen du die Grundlagen einer guten Lauftechnik lernen kannst.
- Wähle ein Lauftempo, das deinem aktuellen Fitnessstand entspricht. Wenn du beim Laufen jedes Mal Seitenstechen bekommst könnte das auch ganz einfach daran liegen, dass du zu schnell läufst. Wie du das optimale Lauftempo für dich findest erfährst du in diesem Beitrag.
- Bleib dran und arbeite mit regelmäßigen Läufen an deiner Grundlagenausdauer. Bei den meisten Läufer:innen verschwinden die Seitenstiche mit fortgeschrittenem Trainingszustand ganz automatisch.
- Trainiere deine Rumpfmuskulatur mit läuferspezifischen Kraft- und Stabilitätsübungen, um ein Verkrampfen der Bauchmuskeln während des Laufens zu verhindern und einen aufrechten, guten Laufstil zu ermöglichen.
Was kannst du tun, wenn du beim Laufen Seitenstechen bekommst?
Auch wenn sich mit den genannten Tipps das Risiko für Seitenstechen deutlich reduzieren lässt, kann es dich natürlich trotzdem gelegentlich erwischen. Wenn es einmal passiert ist, kannst du die folgenden Maßnahmen ergreifen, damit die Schmerzen schnell nachlassen und du dein Training wieder aufnehmen kannst:
- Verringere dein Tempo und atme ganz bewusst und tief aus. Presse beim Ausatmen mit beiden Händen fest auf die Stelle am Bauch, an der du die Seitenstiche spürst.
- Wenn das nicht hilft unterbrich deinen Lauf und gehe locker weiter. Strecke beide Arme nach oben und atme tief und entspannt ein und aus. Versuche bewusst in den Bauch zu atmen.
- Sollte auch das nicht zum Abklingen der Schmerzen führen solltest du kurz stehenbleiben, weiter bewusst ausatmen und die schmerzende Stelle mit mittlerem Druck massieren. Auch ein leichtes Vorbeugen kann helfen, den Bauchraum zu entlasten und zu entspannen.
- Wenn die Schmerzen verschwunden sind kannst du zunächst wieder ein paar Schritte gehen, bevor du in einen ganz lockeren Trab wechselst und dich langsam wieder zu deinem normalen Lauftempo vortastest. Denk dabei an eine entspannte Körperhaltung und die bewusste Atmung.
PS: Wenn du noch einen Tipp hast, den wir hier nicht aufgeführt haben, dann freue ich mich, wenn du ihn in den Kommentaren mit uns teilst!
Rita
Jegliche Sportlehrer*innen oder Trainer*innen haben mir früher immer geraten, durch die Nase zu atmen (ein und aus). Mir hat das bis jetzt immer sehr schnell zu Linderung der Schmerzen geholfen.
Katrin Schäfer
Danke Rita – und was hilft sollte man beibehalten!
Viele Grüße
Katrin