Eine Klimmzugstange ist das ultimative Trainingstool für die einsame Insel: Es gibt kaum ein anderes Hilfsmittel, mit dem man ähnlich effektiv eine so große Anzahl an Muskelgruppen trainieren könnte, und das dabei so wenig Platz in der Wohnung einnimmt (okay, das ist vermutlich kein Problem, das einen auf einer einsamen Insel umtreiben würde).
Und trotzdem besitzen und nutzen meiner Erfahrung nach nur die wenigsten Sportler:innen eine Klimmzugstange. Ich denke das hat etwas damit zu tun, dass eine Klimmzugstange zwar ein tolles, aber auch ziemlich furchteinflößendes Trainingstool ist. Schließlich ist der Klimmzug eine der anspruchsvollsten Kraftübungen die es gibt, und die meisten Menschen schaffen ohne gezieltes Training nicht mal einen einzigen sauberen Klimmzug!
Wenn du zu diesen Menschen gehörst, oder zwar eine Klimmzugstange besitzt, sie aber nie benutzt, dann ist dieser Beitrag für dich. Ich stelle dir im Folgenden 8 großartige Übungen mit der Klimmzugstange vor, mit denen du (fast) jeden Muskel deines Körpers trainieren kannst.
Wir starten mit den Basics, mit denen du starten kannst, selbst wenn du jetzt noch keinen Klimmzug schaffst, und arbeiten uns dann langsam zu den anspruchsvolleren Übungen vor, die du nach einigen Wochen gezielten Trainings ebenfalls beherrschen wirst.
Ganz am Ende des Beitrags findest du außerdem Empfehlungen für zwei Klimmzugstangen zum Eindrehen bzw. Einhängen in den Türrahmen, die wir selbst besitzen und regelmäßig verwenden.
Beitragsübersicht
Die Grundlage schaffen
Damit du überhaupt mit der Klimmzugstange trainieren kannst, musst du erstmal in der Lage sein, dich frei hängend an ihr festzuhalten. Und das ist leichter gesagt als getan, denn im Alltag trainieren wir nur sehr selten unsere Griffkraft.
Wenn du also gerade erst mit dem Klimmzugtraining beginnst, dann ist das deine erste Baustelle. Das freie Hängen (das im Fitnessjargon auch als „Dead Hang“ bezeichnet wird) stärkt aber nicht nur deine Handmuskulatur, sondern auch die Arme und die Schultern sind dabei aktiv.
Hängen
Greife die Klimmzugstange mit schulterbreitem Abstand im Obergriff (die Handflächen zeigen vom Körper weg) und hebe die Unterschenkel im 90-Grad-Winkel nach hinten ab. Aktiviere deine Schultern, indem du sie nach hinten und unten ziehst. Hänge möglichst still, ohne Schwingbewegungen und mit Körperspannung im Rumpf und Gesäß.
Beginne mit 3*10 Sekunden (30-60 Sekunden Pause) und steigere die Dauer von Woche zu Woche, bis du problemlos 30-60 Sekunden am Stück hängen kannst. Nun bist du bereit für die nächsten Übungen.
Rumpf, Bauchmuskulatur und Hüftbeuger stärken
Wenn in Zusammenhang mit einer Klimmzugstange zuerst an das Training der Arm-, Schulter- und Rückenmuskulatur denkst, dann liegst du damit natürlich nicht falsch. Aber dieses großartige Trainingsgerät hat noch viel mehr zu bieten – zum Beispiel einige der besten und effektivsten Übungen für die Rumpf- und Bauchmuskulatur sowie für den Hüftbeuger überhaupt!
Um die folgenden Übungen durchzuführen musst du keine „richtigen“ Klimmzüge beherrschen. Du kannst sie in dein Training einbauen, sobald über eine ausreichende Griffkraft verfügst (siehe oben). Die Übungen sind im Schwierigkeitsgrad aufsteigend sortiert, so dass du zunächst mit den Knee Raises anfangen solltest, um dich nach und nach auf die sehr anspruchsvollen Leg Raises vorzubereiten.
Hanging Knee Raises
Greife die Klimmzugstange im Obergriff (die Handflächen zeigen vom Körper weg) und komme in die hängende Grundposition ohne Bodenkontakt. Nun führst du in einer langsamen und kontrollierten Bewegung deine angewinkelten Beine vor dem Körper nach oben, bis die Oberschenkel etwa parallel zum Boden sind. Komme ohne Pause zurück in die Grundposition und starte die nächste Wiederholung.
Dein Oberkörper sollte während dieser Übung möglichst bewegungslos bleiben – bring die Knie nicht mit Schwung nach oben, sondern ausschließlich mit Muskelkraft aus deinem Hüftbeuger und Rumpf.
Starte mit 3*5 Wiederholungen (oder mehr, wenn du dich unterfordert fühlst), und steigere nach und nach bis auf 3*15 Wiederholungen.
Hanging Side Knee Raises
Mit dieser Variante der Knee Raises beziehst du stärker die schräge Bauchmuskulatur mit ein. Der Übungsablauf ist identisch wie oben beschrieben, außer dass du die Knie nicht gerade vor dem Körper, sondern abwechselnd nach rechts bzw. links anhebst.
Starte mit 3*5 Wiederholungen (oder mehr, wenn du dich unterfordert fühlst), und steigere nach und nach bis auf 3*15 Wiederholungen.
Fahrradfahren
Diese dynamische Variante des Kniehebens ist bereits etwas anspruchsvoller, weil die Bauchmuskulatur keine Pause bekommt und permanent arbeiten muss.
Greife die Klimmzugstange im Obergriff (die Handflächen zeigen vom Körper weg) und komme in die hängende Grundposition ohne Bodenkontakt. Jetzt fängst du an, mit den Beinen eine fließende, aber langsame und kontrollierte „Fahrradfahr-Bewegung“ zu machen. Der Oberkörper sollte dabei möglichst regungslos bleiben – setze deine Rumpfmuskulatur ein, um Schwing- und Drehbewegungen des Oberkörpers zu minimieren.
Starte mit 3*15 Sekunden (60 Sekunden Pause), und arbeite dich bis zu 3*30 Sekunden oder mehr vor.
Hanging Leg Raises
Hanging Leg Raises sind eine der effektivsten Bauchmuskelübungen überhaupt – und wirklich sehr anspruchsvoll. Wenn du irgendwann mal 10 saubere Wiederholungen am Stück schaffst, dann gehörst du damit zu einer kleinen Elite 🙂
Die Übung funktioniert genau wie die oben beschriebenen Hanging Knee Raises, mit dem Unterschied, dass du die Beine nicht anwinkelst, sondern durchgestreckt lässt. Auch hier ist es ganz wichtig, dass du die Beine nicht mit Schwung nach oben bringst, sondern ausschließlich durch die Kraft deiner Hüftbeuger und Rumpfmuskulatur.
Dass du es richtig machst erkennst du daran, dass dein Oberkörper nicht zu schwingen beginnt, sondern während des gesamten Bewegungsablaufs fast regungslos bleibt.
Starte mit 3*3 Wiederholungen (mehr oder weniger, wenn du dich über- oder unterfordert fühlst) und steigere die Anzahl, sobald du die jeweilige Wiederholungszahl sauber durchführen kannst.
Die Königsdisziplin: Der Klimmzug
Der Klimmzug ist eine der Königsdisziplinen des Krafttrainings und erscheint dir vielleicht völlig unerreichbar, wenn du dich zum ersten Mal an eine Klimmzugstange hängst und versuchst, dich daran nach oben zu ziehen.
Das Erfolgsgeheimnis liegt aber wie so oft darin, sich mit vorbereitenden Übungen nach und nach an den ersten „richtigen“ Klimmzug heranzutasten. Das Tolle ist, dass schon diese Vorübungen hocheffektiv sind, und du deshalb von Anfang an von den vielen positiven Effekten des Klimmzugtrainings profitieren kannst.
Du stärkst damit vor allem deine Arme, Schultern sowie den Rücken, aber darüber hinaus sind bei einem sauber durchgeführten Klimmzug der gesamte Rumpf sowie auch die Gesäßmuskulatur aktiv!
Verschiedene Griffvarianten
Klimmzüge kannst du mit verschiedenen Griffvarianten durchführen. Für den Anfang solltest du vor allem den Ober- und den Untergriff kennen, die mit Abstand am häufigsten eingesetzt werden:
- Beim Obergriff (auch „Ristgriff“ genannt) zeigen die Handflächen vom Körper weg.
- Beim Untergriff (auch „Kammgriff“ genannt) zeigen die Handflächen in Richtung des Körpers.
Die gewählte Griffvariante entscheidet darüber, welche Muskeln wie stark beansprucht werden. Während beim Obergriff die Hauptarbeit von der Rücken- und Schultermuskulatur getragen wird, kommt beim Untergriff der Bizeps stärker ins Spiel.
Klimmzüge im Untergriff (Chin-ups) fallen den meisten Menschen etwas leichter als Klimmzüge im Obergriff (Pull-ups), so dass du am besten mit dieser Variante startest. Bei den im Folgenden vorgestellten Vorübungen darfst du aber zwischen den beiden Griffarten wechseln, um möglichst abwechslungsreich zu trainieren und die Grundlage für beide Klimmzugvarianten zu schaffen.
Vorübung 1: Der negative Klimmzug
Die schwierigste Phase des Klimmzugs ist (natürlich) das Hochziehen des Körpers aus der Grundposition mit gestreckten Armen. Wenn du mit dem Training beginnst, ist es sehr gut möglich, dass du das kein einziges Mal schaffst. Um trotzdem die für den Klimmzug notwendigen Muskelpartien zu trainieren, kannst du sogenannte „negative Klimmzüge“ durchführen.
Dabei nutzt du zunächst deine Beine, um in die obere Endposition des Klimmzugs zu springen, und lässt dich dann möglichst langsam in Richtung Boden ab (je langsamer, desto besser). Alternativ kannst du einen Stuhl oder Schemel unter die Klimmzugstange stellen, von dem aus du die obere Position erreichst.
Genau wie beim Hängen (siehe oben) solltest du während des Herablassens deine Schultermuskulatur aktivieren, indem du die Schultern bewusst nach hinten und unten ziehst.
Wiederhole die Übung mehrfach und versuche, dich mit der Zeit immer langsamer und kontrollierter herabzulassen. Als Steigerung kannst du auch kurze, mehrsekündige Pausen auf dem Weg nach unten einlegen, z.B. jeweils nach einem Drittel der Strecke (also in den Positionen von Bild Nr. 2 und 3).
Vorübung 2: Klimmzug mit Unterstützung
Eine tolle Möglichkeit, von Anfang an den kompletten Bewegungsablauf eines Klimmzugs zu trainieren, bieten sogenannte Widerstandsbänder (wir verwenden diese hier*). Diese Bänder werden in die Stange eingehängt, und du trittst dann mit dem Fuß oder Knie in die Schlaufe, wodurch ein Teil deines Körpergewichts vom Band getragen wird.
Widerstandsbänder gibt es in unterschiedlichen Stärken: Je dicker das Band, desto mehr Körpergewicht trägt es und desto leichter werden die Klimmzüge. Am besten legst du dir 2 oder 3 verschiedene Stärken zu, so dass du die Bandstärke nach und nach reduzieren kannst, bis du deine ersten freien Klimmzüge schaffst.
Beginne mit 3*3 Wiederholungen (mehr oder weniger, wenn du dich über- oder unterfordert fühlst) und steigere dich, bis du 5-10 unterstützte Klimmzüge am Stück schaffst. Dann kannst du zu einem schwächeren Band und schließlich zu freien Klimmzügen (siehe unten) wechseln.
Klimmzüge im Untergriff (Chin-ups) und Obergriff (Pull-ups)
Klimmzüge im Untergriff werden auch als Chin-ups bezeichnet. Da bei dieser Griffvariante der Bizeps deutlich mehr einbezogen ist als beim Obergriff, fallen dir Chin-ups wahrscheinlich leichter als Pull-ups (es kann aber natürlich auch umgekehrt sein).
Starte den Klimmzug aus der Grundposition mit ausgestreckten Armen und aktivierter Schultermuskulatur (Schultern nach hinten und unten ziehen). Nun ziehe dich in einer flüssigen Bewegung nach oben, bis sich deine Hände auf Höhe deiner Brust befinden und die Arme im Ellbogengelenk komplett angewinkelt sind – und lasse dich anschließend kontrolliert wieder ab.
Sobald du einige Chin-ups beherrschst, kannst du dich an Pull-ups wagen – also Klimmzüge im Obergriff, bei denen vor allem der große Rückenmuskel (Latissimus dorsi) beansprucht wird.
Ganz wichtig: Beim Klimmzug geht es nicht um eine möglichst hohe Frequenz. Im Gegenteil: Je kontrollierter und langsamer du die Bewegung durchführst, desto größer ist der Trainingseffekt.
Für optimalen Kraftzuwachs kannst du jeden Tag z.B. morgens und abends ein submaximales Klimmzugtraining durchführen. Submaximal bedeutet, dass du nicht bis zum Muskelversagen trainierst, sondern bereits ein bis zwei Wiederholungen vorher. An mindestens einem Tag in der Woche solltest du eine Trainingspause einlegen. Mit dieser Methode wirst du bereits nach einigen Wochen deutliche Fortschritte verzeichnen können!
Empfehlungen für deine erste Klimmzugstange
Zum Abschluss wollen wir dir noch zwei Klimmzugstangen vorstellen, die wir selbst besitzen und regelmäßig verwenden.
Zum einen nutzen wir eine Klimmzugstange zum Eindrehen* in den Türrahmen (wir haben ein ähnliches Modell, das aber inzwischen nicht mehr erhältlich ist). Sie ist dauerhaft in unserer Schlafzimmertür montiert, was den riesigen Vorteil hat, dass sie immer einsatzbereit ist und es deshalb wirklich keine Ausreden für uns gibt.
Der Nachteil an solchen Stangen ist, dass sie nicht besonders hoch hängen (die „Aufhänghöhe“ ist durch die Höhe der Tür begrenzt). Für Katrin ist sie perfekt, für mich etwas zu niedrig – aber natürlich kann ich sie mit angewinkelten Beinen trotzdem fürs Klimmzugtraining benutzen. Außerdem üben Stangen zum Eindrehen immer eine recht hohe Belastung auf den Türrahmen aus, was diesen verformen und im schlimmsten Fall beschädigen kann.
Deshalb haben wir uns noch diese Klimmzugstange zum Einhängen* in den Türrahmen zugelegt (siehe auch die Fotos in diesem Beitrag). Sie ist so konstruiert, dass der Druck gleichmäßig auf den Rahmen verteilt wird. Die Stange hängt etwas höher als die Tür selbst – und ist damit perfekt für etwas größere Menschen geeignet. Aber Achtung: Sie kann dadurch auch ZU hoch für dich sein (Katrin kann diese Stange mit ihren 1,62 m nicht verwenden).
Natürlich gibt es noch jede Menge andere (und sicher auch bessere) Modelle, aber wir haben mit diesen beiden Klimmzugstangen gute Erfahrungen gemacht und den Kauf bislang nicht bereut.
Und jetzt wünschen wir dir viel Spaß beim Training!
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Mark
Ich erinnere mich noch gut an meine Anfänge im Krafttraining. Damals gehörten Klimmzüge zu meinen Hassübungen. Heute liebe ich sie, so wie das Laufen. 💪😍
Der Beitrag ist wunderbar auf den Punkt. Danke dafür. Ich hoffe, er verhilft vielen, auch die Liebe für den Klimmzug zu entdecken oder entwickeln.
Sportliche Grüße
Mark
Daniel Roth
Vielen Dank für das Lob Mark! Und du bist an meiner ganz persönlichen Liebe für den Klimmzug mit deinen großartigen Beiträgen auch nicht ganz unschuldig 😉