Vor knapp drei Jahren fasste ich ein ehrgeiziges Ziel ins Auge: die Qualifikation für den Boston Marathon, den ältesten und traditionsreichsten Stadtmarathon der Welt.
Der Boston Marathon findet jährlich am dritten Montag im April statt, an dem in den Ostküsten-Staaten Massachusetts und Maine der Patriots’ Day gefeiert wird. Ins Leben gerufen wurde er 1897 von John Graham, der im Jahr zuvor der Manager des US-Teams bei den ersten Olympischen Spielen der Moderne in Athen war. Graham war so fasziniert vom dort ausgetragenen Marathonlauf, dass er eine solche Veranstaltung auch in den USA etablieren wollte.
Seitdem ist der Boston Marathon nicht ein einziges Mal ausgefallen, was ihn zum ältesten Stadtmarathon und zum zweitältesten regelmäßig ausgetragenen Marathonlauf der Welt macht. Dieser Status schlägt sich auch im Andrang auf die limitierten Startplätze nieder: Während bei der ersten Auflage gerade einmal 15 Läufer an den Start gingen, reißen sich heute viele Tausend Läufer um die begehrten Plätze.
Für mich hat der Boston Marathon noch einmal eine besondere Bedeutung: er ist nämlich der Marathon, bei dem zum ersten Mal in der Geschichte eine Frau inoffiziell (1966, Roberta Gibb) und mit offizieller Startnummer (1967, Kathrine Switzer) die Marathondistanz im Rahmen eines Wettkampfs lief. Vor allem Kathrine Switzer ist es zu verdanken, dass es im 21. Jahrhundert normal ist, dass Frauen an Marathonläufen teilnehmen – und sich nicht mehr zwischen Freund und Trainer während des Rennens verstecken müssen, aus Angst aus dem Rennen genommen zu werden.
Ein Ziel, das mir geschenkt wurde
Dass ich in wenigen Wochen nach Boston aufbrechen werde verdanke ich meinem Bruder. Er wollte mich zu neuen Zielen anspornen, und schenkte mir zu meinem Geburtstag im Mai 2010 einen Reiseführer von Boston und Neuengland. Ob er damals ahnte, was er damit auslösen würde? Noch angespornt durch den gerade erst absolvierten Mainz-Marathon startete ich mit dem Training.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Marathons muss man sich für den Boston Marathon nämlich qualifizieren. Die Qualifikationszeit, die es zu erreichen galt, war in meiner Altersklasse eine sub 3:35h – und das hieß noch nicht, dass ich dann auch sicher laufen durfte, denn je nach Zahl der Anmeldungen erhalten seit 2012 jeweils nur noch die Schnellsten aus jeder Altersgruppe die Zusage.
Der Weg zur Qualifikation war nicht leicht: beim Köln Marathon im Oktober 2010 erwischte ich einen rabenschwarzen Tag und musste nach 23 Kilometern abbrechen. Im Mai 2011 lag ich beim Marathon in Mainz noch knapp 4 Minuten über der erforderlichen Zeit – hätte mich dort aber auch nicht qualifizieren können, da die Veranstaltung nicht zu den offiziellen Qualifikationsmarathons zählt. Aber aller guten Dinge sind bekanntlich drei, und so klappte es im Oktober 2011 in Frankfurt endlich: 3:32:58 standen im Ziel auf der Uhr (im Nachhinein konnte ich die Qualifikationszeit sogar noch auf 3:28:17 verbessern).
Das Motto heißt „Dranbleiben“
Was hat mir dabei geholfen, mein Vorhaben anderthalb Jahre lang zu verfolgen und trotz einiger Rückschläge nicht aus den Augen zu verlieren?
Ich führte mir mein Ziel täglich vor Augen. Gerade während harter Tempoeinheiten und auf den endlos erscheinenden langen Läufen an verregneten Sonntagen stellte ich mir vor, wie Daniel und ich uns auf der Messe „unsere“ Boston Marathon-Jacken kaufen würden. Ich dachte an die grandiose Stimmung und die hunderttausenden Zuschauer, die die 26,2 Meilen säumen und uns den „Heartbreak Hill“ heraufpeitschen würden. Und ich erzählte natürlich so vielen Leuten wie möglich von meinem Vorhaben, was mich nicht nur zum „Dranbleiben“ verpflichtete, sondern das anfangs noch so weit entfernte und abstrakte Ziel immer realer erscheinen ließ.
Natürlich war es frustrierend, beim Köln Marathon, für den ich viel und hart trainiert hatte, aussteigen zu müssen – und im gleichen Moment zu wissen, dass Boston damit mindestens ein weiteres Jahr in die Ferne gerückt war. Aber andererseits: sind Ziele nicht genau dafür da? Dass sie uns einen Ansporn geben, hart zu arbeiten, und eben immer weiter zu machen, bis wir sie erreicht haben – so lange wie es eben braucht?
Ich habe durch das Geschenk meines Bruders gelernt, offen für Gedanken und Ideen zu sein, die anfangs absurd und unerreichbar erscheinen. Niemals kategorisch „nein“ zu sagen zu einer verrückten Idee, sondern immer erst einmal eine zeitlang heimlich auszuprobieren, wie sie sich anfühlt. Denn häufig sind es gerade solche verrückten Ideen, die einen prägen, nicht mehr loslassen, antreiben und im positiven Sinne verändern.
Boston Marathon – und was dann?
Heute sind es nicht mal mehr drei Wochen bis wir an der Startlinie in Hopkinton stehen und uns auf den 26,2 Meilen weiten Weg nach Boston machen werden. Vorausgesetzt Daniels Knie spielt mit (es sieht danach aus!) und wir überstehen die letzten Trainingseinheiten ohne größere Blessuren. Auf Facebook, Twitter und Instagram werden wir während unseres Aufenthalts in den USA immer mal wieder von uns hören lassen – und nach unserer Rückkehr natürlich hier auf dem Blog von unseren Erlebnissen berichten.
Und wenn der Boston Marathon Vergangenheit ist – was kommt als nächstes? Nachdem wir im vergangenen Sommer den Film „Heaven and Hell“ gesehen hatten fragte ich mich, ob ich das vielleicht auch schaffen könnte: einmal beim Transalpine-Run die Alpen zu Fuß überqueren. Definitiv eine verrückte Idee. Vielleicht trage ich sie erst einmal eine zeitlang heimlich mit mir herum, erzähle niemandem davon und probiere aus, wie sie sich anfühlt …
PS: Gibt es Ziele, die ihr unbedingt erreichen wollt? Oder kennt ihr bereits das Gefühl, über einen langen Zeitraum auf ein Ziel hingearbeitet zu haben – und es schließlich zu erreichen? Was hat euch „bei Laune“ gehalten und über Durststrecken gebracht?
eric
Danke für diesen inspirierenden Artikel Katrin!
Wiedermal wird klar wie weit mehr wir von konkreten Bildern beeinflusst werden, als von abstrakt diffusen Vornahmen und wie sehr uns Bilder helfen, unsere Ziele im wahrsten Sinne des Wortes „nicht aus den Augen zu verlieren“.
Die enorme Zugkraft der Visualisierung und Imagination war in der Anfangszeit meiner Lauferei ein ganz ganz wichtiges Werkzeug zum Erreichen meines damaligen Fernzieles (Abnehmen und Fitness) und hat mir auch den Weg zu meinem ersten Marathon in 2011 geebnet. Das innere mentale Bild, wie ich grinsend glücklich und zufrieden in die Frankfurter gut Stubb (Festhalle) einlaufe, hat die ein oder andere Trainingseinheit sehr viel leichter gemacht und war immer eine motivierende Vorschau auf das, für was es sich lohnt seine Komfortzone auch mal zu verlassen.
Entsprechend ist bei mir eigentlich jedes Fernziel vorab mit einem mentalen Bild verbunden, an das ich auch die ein oder andere Frage und möglichst viele Sinne binde:
– Wie stolz werde ich sein wenn . . . ?
– Welche Kraft wird es mir geben wenn . . . ?
– Was sehe ich wenn . . . ?
– Was höre ich wenn . . . ?
– Wie rieche ich wenn . . . ? . . . 😀 . . usw
„Jedes starke Bild wird Wirklichkeit.“ – Antoine de Saint-Exupéry
Alles Gute in Boston Euch beiden!
Habt viel Freude und geniesst es.
Imagine ;-]
√Greetz
eric
Katrin
Vielen Dank, die Freude werden wir sicherlich haben, wenn auch zwischendrin ein paar Schmerzen mit dabei sein werden, aber auch die gehören dazu! Ich finde es wahnsinnig inspirierend, von wie vielen Leuten ich höre, dass sie innerhalb relativ kurzer Zeit ein komplett neues Körpergefühl durch Abnehmen und Sport (und teilweise mit sehr beachtlichen Leistungen) entwickelt haben, zu denen du, wenn ich es richtig verstanden auch dazu gehörst (kurze Zeit nicht im Sinne von wenigen Wochen sondern im Vergleicht zu den vielen Jahren, in denen man häufig ganz andere Prios hatte und Sport und ausgewogene Ernährung ganz unten auf der Skala stand). Den Zieleinlauf zu visualisieren ist wirklich DIE Motivationsquelle schlechthin, wahlweise auch der Blick auf die eigene Uhr im Ziel – und das Bild im Zieleinlauf wird mich am Sonntag bei meinem letzten langen Lauf sicherlich über den ein oder anderen Kilometer tragen. Freut uns übrigens sehr, dass du auch beim BGL im Juni dabei bist!
Daniel Ruf
Hallo Katrin,
dein Bericht hat mir sehr gut gefallen.
Kannst Du mir weitere Infos zur Quali für den Boston Marathon schicken ?
Ich finde die Idee Super mich über die Zeit für den Lauf zu qualifizieren, mir geht es ähnlich wie Dir damals. Ich hab schon den ein oder anderen Marathon hinter mir und brauche ein neues Ziel ✌️
Über weiter Links usw. Würde ich mich freuen
Katrin Schäfer
Hi Daniel,
schau mal hier nach: http://www.baa.org/Races/Boston-Marathon/Participant-Information/Qualifying.aspx
Die Zeiten können sich natürlich ändern. Früher waren sie insgesamt mal 5 Minuten langsamer.
Viele Grüße
Katrin
Daniel Ruf
Hey ,
danke .. 3h 10 min heisst das Ziel ;-).
Die Vorstellung finde ich cool ….
Viele Grüße
Daniel
Sus:)nne
Ich wünsch einfach nur alles, alles Gute und viele unvergessliche, wunderbare Erlebnisse. 🙂
Katrin
Hallo Susanne, vielen Dank für deine Wünsche! Wir werden genießen was geht, und berichten natürlich anschließend!
Arno
Hallo Katrin,
vielen Dank für diese informativen Seiten und alles alles GUTE bis, in und nach Boston.
Der Wunsch, den Boston Marathon zu laufen, ist noch recht jung. Wie realistisch schätzt Du meine Chance, 2014 teilnehmen zu können mit folgenden Daten: Quali.-Zeit, männlich, AK 55 ist 3:40:00. Den Frankfurter M. habe ich 2012 in 3:39:50 geschafft. Am vergangenen Samstag lief ich einen HM in 1:37:39. Die Anmeldung für 2014 ist irgendwann im September 2013. Optimal wäre es sicherlich, wenn ich davor einen anerkannten M. in einer besseren Zeit schaffe. Nur, wieviel müssten es Deiner Ansicht nach werden, um eine realistische Chance zu haben?
Kannst mir da irgendwie weiter helfen – würde mich freuen.
Arno
Katrin
Hallo Arno, wenn du in Frankfurt 2012 bereits die 3:39:50 gelaufen bist reicht das ja für 2014. Die Qualifikationszeit fängt ja schon immer ca. 18 Monate davor an, und Frankfurt eineinhalb Jahre vorher passt auf jeden Fall. Unser Qualifikationsmarathon für dieses Jahr war auch Frankfurt 2011. In diesem Jahr haben alle, die ihre Qualifikationszeit erreicht haben und sich rechtzeitig angemeldet haben einen Platz bekommen, von daher schätze ich deine Chancen als sehr realistisch sein. Berichte doch mal, ob es geklappt hat – und wir werden dieses Jahr wahrscheinlich auch wieder in Frankfurt laufen – vielleicht sieht man sich ja?
Anja
Hallo Katrin,
wart ihr tatsächlich in Boston? Wie habt ihr den Anschlag erlebt? Was hat das mit euch gemacht? Wollt ihr noch einmal in Boston an den Start gehen?
Grüße
Anja
Katrin Schäfer
Hallo Anja,
ja, das waren wir.
Daniel hat kurz danach noch einen Post dazu geschrieben: https://www.bevegt.de/boston-marathon-impressionen/
Und ja, wir haben vor, 2016 dort wieder zu starten – die Stimmung dort ist unbeschreiblich.
Viele Grüße
Katrin