Wettkampfberichte gibt es auf beVegt eigentlich nicht. Heute ist eine Ausnahme, denn ich bin vor einer Woche in Frankfurt den schnellsten Marathon meines Lebens gelaufen.
Andererseits – ist ein Wettkampfbericht noch ein Wettkampfbericht, wenn man ihn in 21 Lektionen aufteilt und “21 Dinge, die ich auf den schnellsten 42.195 Metern meines Lebens gelernt habe” nennt?
Ich denke nicht … aber urteilt selbst:
- Lektion 1: Im Starterfeld eines gigantischen Stadtmarathons friert man auch bei 1° C nicht.
- Lektion 2: Wenn man ein Paar alte Kniestrümpfe kurz über dem Fuß abschneidet hat man prima Wegwerf-Armlinge UND Fäustlinge.
- Lektion 3: Fäustlinge sind auch im Starterfeld eines gigantischen Stadtmarathons eine gute Sache.
- Lektion 4: Wenn man auf den ersten Kilometern das Gefühl hat, durch die Läufermassen gebremst zu werden und stellenweise beinahe zum Stehen zu kommen, läuft man genau das richtige Tempo.
- Lektion 5: Ein individuell bedrucktes Trikot kann ungeahnte Kräfte freisetzen. Zum Beispiel wenn man im “Run Vegan”-Shirt an der 3-Stunden-Tempogruppe vorbeizieht. Wer kein Veganer ist kann es mit dem Aufdruck “ICH BIN BESSER ALS IHR” versuchen – damit quält man sich dann noch etwas mehr wenn der Einbruch droht.
- Lektion 6: Bei 1° C und strammem Gegenwind friert man auch mit Armlingen UND Fäustlingen UND einer Herzfrequenz im dunkelorangenen Bereich.
- Lektion 7: Das bedeutet auch, dass es keine gute Idee ist, sich vor dem Verzehr des ersten Energie-Gels bei Kilometer 6 beider Fäustlinge zu entledigen.
- Lektion 8: Zwischen Kilometer 15 und 30 passiert beim Frankfurt Marathon nichts Aufregendes. Deswegen stehen da wahrscheinlich auch so wenige Zuschauer.
- Lektion 9: Einen Marathon zu laufen ist, als ob man versucht, seine Hand möglichst lange auf eine immer heißer werdende Herdplatte zu halten. Das persönliche Optimum erreicht man, wenn man die Hand bis zuletzt auf der Platte liegen lässt – wenn man den immer stärker werdenden Schmerzen nicht nachgibt, bis man die Ziellinie überquert. (Könnte von Zátopek sein, ist aber von mir)
- Lektion 10: Die beste Farbe für Anfeuerungs-Schilder ist Neongelb. Dunkelgrüne Schrift auf Neongelb, um genau zu sein. Man sieht sie auch bei Kilometer 35 am Rande des Deliriums noch aus zweihundert Metern Entfernung und hat dann noch genügend Zeit, einen nicht allzu verstörenden Gesichtsausdruck einzustudieren.
- Lektion 11: Ein Mantra hilft. Dieses hier habe ich schon während der letzten lockeren Trainingsläufe eingeübt für den Moment, in dem es hart wird: “This is what you came for!” (mit Dank an Scott Jurek)
- Lektion 12: Visualisierung hilft auch. Meine Eltern bei Kilometer 38, die Ziellinie, das Hefeweizen danach…
- Lektion 13: Man kann das auch auf die Spitze treiben und ein Mantra visualisieren. Das ist sozusagen das Nonplusultra der Motivationsstrategien. Bei mir sah das dann so aus: “This is what you came for” – mit einem Kuli auf die Handfläche geschrieben – die Buchstaben leicht verschmiert durch den Schweiß – und auf den Fingern ruht die salzverkrustete Uhr mit einer 2:54:xx im Display. Ich habs dann doch nicht gemacht, aber allein der Gedanke daran … WOW!
- Lektion 14: Es wird nicht immer schlimmer.
- Lektion 15: An guten Tagen wird es mit etwas Glück sogar irgendwann wieder besser. Heute ist ein guter Tag. YES! YEEEEES! YEEEEEEEEEE …. AUA!
- Lektion 16: Manchmal wird es doch immer schlimmer.
- Lektion 17: Marathon zu laufen ist eine absurde Tätigkeit.
- Lektion 18: Der Zieleinlauf in der Frankfurter Festhalle macht eindeutig mehr Spaß wenn man noch bei Bewusstsein ist (ich kann das beurteilen – been there, done that).
- Lektion 19: JAAAAAAAA! (Ich weiß, keine Lektion im klassischen Sinne, aber hey!)
- Lektion 20: Der beste Marathon macht nur halb soviel Spaß ohne Menschen, mit denen man ihn teilen kann. Danke Katrin, danke Mama und Papa, danke Ursula und Wolfram, danke Jens, danke Margret und Michael, danke Kerrin.
- Lektion 21: Laufen ist der schönste Sport der Welt.
Motivierende Wettkampftipps zum Lesen und Anhören
- 17 Dinge, die wir in mehr als 300 Laufwettkämpfen gelernt haben (Podcast-Folge)
- 38 Gründe, warum Laufwettkämpfe toll sind (und du auch endlich ein „Finisher“ werden solltest)
- Der erste Marathon: So haben wir unsere ersten 42,195 km am Stück erlebt (Podcast-Folge)
- Wettkampfangst: Woher sie kommt und was du dagegen tun kannst
- Finisher: Das Handbuch für deinen ersten oder besten (Halb-)Marathon
Thomas
„Der Zieleinlauf in der Frankfurter Festhalle macht eindeutig mehr Spaß wenn man noch bei Bewusstsein ist“ …seeehr passend…muss ich noch dran arbeiten 🙂
Daniel
Thomas, heißt das du bist nächstes Jahr wieder dabei? 🙂
Heiko
Ich glaube die Lektion 4 gilt nicht nur für den Marathon und Lektion 6 kann ich sehr gut nachvollziehen 🙂 Und die Lektion 20 ist auch sehr passend geschrieben. Denn Erfolg alleine macht auch nicht glücklich. Weiter so, habt gerade einen neuen Stammleser gewonnen.
Daniel
Das freut uns Heiko! Ich würde übrigens so weit gehen und behaupten, dass Lektion 20 die wichtigste von allen ist 🙂
Christine
Viiieelen lieben Dank <3 für die 21 Lektionen, die haben mich echt zum Schmunzeln gebracht! (Normalerweise geh ich zum Lachen in den Keller.)
Hugo
Super Liste! Habe mir zum FFM Marathon auch Armlinge aus Kompressionssocken gebastelt 🙂 und war froh!
Auch die anderen Beiträge regen zum Nachdenken an: vielleicht mal ohne Fleisch?
Daniel
Jep, Armlinge sind Gold wert – vielleicht sollte ich bloß beim nächsten Mal zwei Paar opfern 😉
Running Willi
Das liest sich gut. 😉
Also die wichtigste Lektion ist wohl diese:
Lektion 4: Wenn man auf den ersten Kilometern das Gefühl hat, durch die Läufermassen gebremst zu werden und stellenweise beinahe zum Stehen zu kommen, läuft man genau das richtige Tempo.
Denn genau dieses Gefühl muss man haben damit man nicht zu schnell los läuft. Und wenn man die ersten Kilometer übertreibt dann geht der Schuss schnell nach hinten los.
Super Auflistung!
Run ON!
Willi
Alex
Sehr gut geschrieben! 🙂 Das mit den Fäustlingen beruhigt mich! Habe ich doch das Gefühl, dass ich der einzige bin, der kalte Finger bekommt!
Beste Grüße
Alex
Daniel Roth
Hi Alex, du bist definitiv nicht der Einzige mit diesem Problem! Katrin und ich sind auch absolute Frostbeulen. Wir tragen sogar bei Plustemperaturen Laufhandschuhe 😉
Anne
Hallo ihr Beiden,
toller Artikel! und sehr tolle Seite!!! Kann mich garnicht mehr losreissen, so viele und wirklich unterhaltsam verfasste, gute Informationen kann man hier finden.
Stecke gerade in meinem ersten Marathontraining (4. Mai in Hamburg) und ernähre mich zusätzlich neuerdings vegan. Seit ich mich vegan ernähre, bekomme ich hin und wieder im Alltag kleine Schwächeanfälle. Fühlt sich an wie unterzuckert. Ist das normal? Habt ihr eine Idee was ich gezielt mehr essen könnte um dem entgegenzuwirken?
Ich bin 24 und eigentlich kerngesund. Ernähre mich schon lange sehr gesund und mit viel Obst, Gemüse und Vollkorn, bevor ich vegan wurde allerdings auch viel Quark, Jogurt und Fisch. Könnt ihr ein paar gute vegane Eiweißbomben empfehlen?
Danke schonmal! Und vielen Dank auch für diese wunderbare Seite!
Beste Grüße aus dem hohen Norden,
Anne
Daniel Roth
Hi Anne, schön dass du zu uns gefunden hast und dir die Seite gefällt! Wir sind ja auch beim Hamburg Marathon am Start – vielleicht laufen wir uns da ja über den Weg 🙂
Wenn du dich unterzuckert fühlst kann es wirklich sein, dass du zu wenig Kalorien zu dir nimmst. Pflanzliche Lebensmittel haben (im Durchschnitt) weniger Kalorien pro Gewichtseinheit als tierische Lebensmittel, deshalb muss man – grade als Sportler – tendenziell mehr essen als früher. Wir snacken eigentlich den ganzen Tag über mit Obst (Bananen, Äpfel, Birnen), etwas Trockenobst und Nüsse haben wir auch immer griffbereit.
Zum Thema Eiweiß schau doch mal in diesen Artikel rein: https://www.bevegt.de/eiweiss-protein-vegetarier-veganer/
Viele Grüße, Daniel