Die Frage nach dem “optimalen” Trainingsplan für die Vorbereitung eines (Halb-)Marathons ist eines der meistdiskutierten Themen in der Laufcommunity – und sie bereitet selbst erfahrenen Läufern immer wieder Kopfschmerzen.
Das ist auch kein Wunder, denn die Auswahl ist riesig und kaum noch überschaubar: es gibt unzählige frei zugängliche Pläne aus dem Internet, Pläne aus Laufbüchern, die sich meist an einer groben Zielzeit orientieren (z.B. nach Herbert Steffny), individuell angepasste Pläne im mittleren Preissegment, die die aktuelle Leistung berücksichtigen, bis hin zu High-End-Betreuungsangeboten, die auf einer regelmäßigen Leistungsdiagnostik mit Laktattest basieren.
Welcher Trainingsplan für dich der richtige ist kann ich leider nicht sagen. Ich kann dir aber ein Geheimnis verraten, das dir bei der Bewältigung deiner Trainingsplan-Auswahl-Angst helfen wird:
Meine persönliche Marathon-Bestzeit von 3:28:17 habe ich völlig „planlos“ aufgestellt!
Und das kam so:
Im vergangenen Sommer war bei mir läuferisch die Luft raus. Die lange erträumte Qualifikationszeit für den Boston Marathon 2013 hatte ich bereits beim Frankfurt Marathon 2011 erreicht und in Hamburg 2012 sogar nochmals deutlich verbessert, womit mir die Teilnahme so gut wie sicher war. Natürlich hatte ich mittel- und langfristige Zeitziele im Auge, aber ich wollte mich nicht schon wieder einem starren Trainingsplan unterwerfen. Außerdem wusste ich bereits, dass ich im September und Oktober mehrmals geschäftlich unterwegs sein und an diesen Tagen nicht wie gewohnt zum Trainieren kommen würde.
Deswegen fasste ich Ende Juli einen Entschluss: ich würde mich ganz ohne einen Trainingsplan auf den Frankfurt Marathon 2012 vorbereiten! Ein Selbstexperiment, bei dem ich nichts verlieren, aber viel Erfahrung gewinnen konnte.
Einzig das Gerüst war fix: etwa fünf Einheiten pro Woche, davon einmal lang, einmal schnell, einmal regenerativ und zweimal im Grundlagenausdauer-Bereich. Wochenumfänge langsam aber kontinuierlich steigern, alle 3-4 Wochen eine Regenerationswoche mit reduziertem Umfang. Das war’s. Wann, wie lang und wie schnell ich laufen würde sollte meiner Tagesform und dem Bauchgefühl überlassen bleiben.
Zwar hatte ich immer wieder Bedenken, ob ich denn auf dem richtigen Weg sei, aber: es hat sich für mich wieder nach “Laufen” angefühlt – Sport so wie er sein soll, mit mehr Spaß und weniger Druck. Zwischendrin musste ich noch zwei Wochen Trainingspause aufgrund einer Verletzung hinnehmen, die mir natürlich Kopfschmerzen bereitet hat, aber mit einem Trainingsplan hätte mich die Pause sicherlich noch mehr unter Druck gesetzt (“Wie soll ich denn die 10 ausgefallenen Läufe aufholen?”).
Am Ende bin ich nicht nur einen sehr guten Marathon gelaufen (die zweite Hälfte war gerade mal 8 Sekunden langsamer als die erste!), sondern habe meine Bestzeit von Hamburg um mehr als eine Minute verbessert – trotz Verletzungspause und fehlendem Trainingsplan.
6 Dinge, die du aus meinem Training “ohne Trainingsplan” lernen kannst
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- Läufst du deinen ersten Marathon (vielleicht auch noch den zweiten oder dritten), dann solltest du auf jeden Fall nach einem Plan trainieren. Ohne Erfahrung kann eine Vorbereitung ohne Trainingsplan leicht nach Hinten losgehen.
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- Wenn du schon einige Langdistanzen gelaufen bist und keinen sensationellen Zeitsprung als Ziel hast, dann probier es mal ohne Trainingsplan. Es ist eine sehr gute Erfahrung, und du lernst dich neu kennen – ob du nämlich wirklich die benötigten Kilometer läufst, ohne dass dir ein Plan konkrete Vorgaben macht.
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- Ohne Trainingsplan heißt nicht „ohne System“! Halte dich an die Grundlagen des Lauftrainings und überlasse lediglich Häufigkeit, Zeitpunkt, Länge und Tempo der Einheiten deiner Lust und deinem Bauchgefühl.
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- Ausgefallene Einheiten sind nicht schlimm – egal ob du krank oder verletzt warst, du länger arbeiten musstest, die Zeit gefehlt hat, es draußen Eisregen gab. Ärgere dich nicht darüber, sondern schau nach vorne und trainiere weiter.
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- Als Läufer baust du Ausdauer, Schnelligkeit und Leidensfähigkeit über eine lange Zeit auf. Natürlich musst du nach Traininspausen Abstriche machen, aber du fängst nicht wieder bei Null an (natürlich abhängig von der Art der Verletzung und der Dauer der Pause). Dein Körper entwickelt ein “Laufgedächtnis”.
- Bestzeitenträume sind immer erlaubt – trotzdem darf der Spaß beim Laufen nicht verloren gehen.
Mit welchen Trainingsplänen und -methoden hast du gute Erfahrungen gemacht? Was hat gar nicht funktioniert? Ich bin gespannt auf deine Erfahrungen!
Björn
Das Wichtigste sind imho auch die Grundlagen. Mindestens 1x locker, 1x schnell, 1x lang und langsam. Die beiden ersten Marathons bin ich mit einem genau vorgegebenen Plan gelaufen – damals immer 4 Einheiten/Woche. Ich habe damit Sicherheit gewonnen und die entsprechenden Erfahrungen gesammelt. Seit dem ich auch Vater bin (2011), bleiben mir in der Regel nur drei Tage für’s Laufen. Außerhalb der spezifischen Vorbereitung 30-40km/Woche. Meinen spezifischen Plan mache ich ´dann aus den o.g. Grundlagen, wobei ich die Umfänge um ca. 10%/Woche erhöhe. Alle drei bis vier Wochen eine Entlastungswoche ohne langen Lauf. in 4 der 12 Wochen habe ich es aber trotzdem so organisiert, dass ich in der heißen Phase der Vorbereitung auf 4 Einheiten und v.a. auch auf Umfänge deutlich über 50 bis über 60km/Woche komme. Das hat letztes Jahr gut geklappt und aktuell mache ich das wieder so.
Katrin
Hallo Björn, vielen Dank für deinen Kommentar. Am Ende sind diese Grundlagen ja auch wirklich das, was in den Plänen drin steht – nur eben noch mit den entsprechenden Zeitvorgaben versehen. Ich wünsche dir für das Laufjahr 2013 alles Gute – hast du schon einen Marathon geplant? Viele Grüße, Katrin
Björn
Bin schon mittendrin 😉 Am 14. April kommt der vierte Marathon in Bonn.
Katrin
Dann wünsche ich dir schon mal viel Erfolg! In Bonn bin ich auch 2x schon gelaufen (2006 und 2007), aber nur den Halbmarathon. 2007 war es brutal heiß, das war gefühlt mein schlimmster Halbmarathon!
Christine
Momentan trainiere ich nach einem Trainingsplan für 3:30h im Marathonbuch von Hubert Beck, und ich muss sagen, ich habe das Gefühl, immer langsamer zu werden. Leider bestätigt das auch die Uhr :(. Die Trainingsvorgaben/Zeiten zu erfüllen ist überhaupt kein Problem, aber in den Wettkämpfen kann ich nicht die gewünschte Leistung abrufen. Sicher auch ein Motivationsproblem. 😉 Davor habe ich auch einfach nach Lust und Laune trainiert, eigentlich waren alles Läufe mehr oder weniger Fartlek.
Du hast mich ermutigt; nach dem ersten Marathon werde ich wieder zum „Genusslaufen“ ohne aufgezwungenen Plan zurückkehren. 🙂
Katrin
Hi Christine, ich kenne leider die Pläne von Hubert Beck nicht, aber vielleicht ist der Plan auch wirklich „zu lasch“, wenn du im Training alle Vorgaben problemlos erreichst. Ich habe in den letzten Monaten gemerkt, dass ein guter Mix aus „einfach nur aus Spaß laufen, ganz egal in welcher Zeit“ und „quälen und nicht die Vorgaben“ genau das Richtige für mich ist. Und Hut ab: du trainierst für den ersten Marathon und dann gleich 3:30h – dafür habe ich ein paar viele Marathons gebraucht 🙂
Christine
Hallo Katrin, dafür trainieren und auch schaffen ist ja nicht das gleiche! Wahrscheinlich werde ich mit 3:45 eintrudeln, wenn überhaupt… Momentan fehlt der Ehrgeiz. Die Wettkäpfe spule ich wie ab wie schnelle Trainingsläufe und kann mir dabei gar nicht vorstellen schneller laufen zu können. o_O Liegt vielleicht am Wetter, ich hasse Winter. 😉
Hut ab vor euch, ihr habt hier echt einen tollen Blog; eure Beiträge motivieren definitiv. Tipps erfahrenerer Läufer liest man immer gerne!
Katrin
Hi Christine, vielen Dank, dein Lob freut uns sehr und spornt natürlich zum Weitermachen an! Wann ist denn der nächste Marathon? Viel Zeit kann ja dann zwischen Marathon und Ultrastaffel gar nicht mehr liegen, oder?
Christine
Hi Katrin,
am 21.4. ist Marathon – dann noch vier Wochen bis zur Staffel. 😉
Aber die wird ja ganz gemütlich angegangen in 4:50h, da freu ich mich schon drauf!
Peter
Interessante Methode. Gerade mein innerer Schweinehund flüstert mir gerade ins Ohr, dass das eine sehr verlockende Idee ist. Trotzdem werde ich zunächst bei meinem normalen Trainingsplan bleiben. Aber halte deinen Artikel für eine gute Anregung. Vielleicht werde ich es in Zukunft einmal selber probieren.
Katrin Schäfer
Hallo Peter, ein Versuch ist es wert. Für den Frankfurt Marathon am kommenden Sonntag habe ich nach dem Daniel-Plan trainiert – mal schauen wie es sich ausgewirkt hat…
Christian Koehler
Hallo!
Ich bin letztes Jahr im April tatsächlich meinen ersten Marathon gelaufen – mit Erfolg – ohne Trainingsplan. Es war auf einer Strecke mit vielen Steigungen im Wald. Mit meiner Zeit von 4:03:50 war ich mehr als glücklich. Immerhin war es bis zum Schluss ein Lauf und keine Wanderung.
Ohne Trainingsplan bedeutet natürlich nicht unvorbereitet. Ich bin jahrelang jede Woche mindestens 3x 10 km gelaufen, oft auch mal die Halbmarathondistanz am Stück. In den 3 Monaten vor dem Marathon habe ich es allmählich gesteigert, die Spitze waren 85 km in einer Woche. Dabei habe ich schnelle, mittlere und langsame Läufe abgewechselt, manchmal auch Intervalle gemacht. Auf schnelle Läufe oder Intervalle habe ich verzichtet, wenn es mir „zu heftig“ wurde. Mein längster einzelner Lauf vor dem Marathon war 26 km.
Im April werde ich bei dem gleichen Lauf wieder starten. Vielleicht kann ich mich verbessern. Ich trainiere wieder wie letztes Jahr.
Ich finde wichtig, intensives und gemässigtes training zu mischen und auf genug Erholung zu achten. Aber Pläne, die für jeden Tag strecken und Zeiren und Pulswerte genau vorgeben, finde ich überbewertet. Der Körper ist keine Schweizeruhr.
Christian
Katrin Schäfer
Hallo Christian,
hört sich super an – da wünsche ich dir für April schon mal alles Gute!
Und du hast vollkommen Recht, der Mensch ist keine Maschine. Das muss man immer bedenken, wenn man nach Trainingsplan trainiert – und sich an schlechten Tagen nicht sklavisch daran halten.
Aktuell habe ich mir wieder einen Trainingsplan geschrieben, weil es mich motiviert und ich dieses Jahr mal schauen möchte, ob ich mit Trainingsplan nicht noch ein bisschen schneller werde. Aber auch da halte ich mir einen gewissen Spielraum offen, tausche Einheiten und verlängere bzw. verkürze sie, je nach Lust, Laune und natürlich Zeit!
Viele Grüße
Katrin
Sally
Hallo:)
ich suche gerade ganz verzweifelt danach, wie eine Regenerationswoche aussehen soll.. Bisher hab ich die Regenerationswochen in meinem Plan zwar schön bunt angemalt, aber noch keine Einheiten und km dafür eingetragen 😀
Kannst du mir sagen, um wie viel % oder km der Trainingsumfang reduziert werden sollte?
Gerne auch einen Link, wenn ihr das schon mal an einer anderen Stelle beschrieben habt 🙂
Nachdem ich mir mit Hilfe eures Trainingsplan-erstellen- Posts einen Trainingsplan „erstellt“ habe, dachte ich, dass ich alles richtig gemacht hab…
Jetzt hab ich gerade diesen Beitrag hier gelesen und hab viel mehr das Gefühl, dass ich eigentlich schon eher ohne Plan trainiere.
Soll heißen: Ich hab zwar einen Plan mit den Wochen und Regenerationswochen gebastelt und mir aufgeschrieben, wie viele km ich in den jeweiligen Wochen laufen möchte. In der Praxis mach ich das jetzt aber doch eher so: „I make the plan as I go“.
Ich hab zwar im Kopf welche Einheiten ich in der Woche machen will, entscheide aber erst beim Lauf, wie lange und schnell oder langsam ich gerade laufen will, manchmal sogar erst dann, ob ich gerade eine Tempoeinheit oder einen normalen Lauf mache.
Hinterher schreibe ich auf, wie viel und was es war. So bin ich letzte Woche z.B. mehr gelaufen, als ich vorgesehen hatte. Aber eigentlich hab ich das Gefühl, damit ganz gut klar zu kommen und so auch nicht den Spaß am Laufen zu verlieren. Zeiten und Zwang machen mir auf Dauer irgendwie Druck und vermiesen mir alles…
Der Punkt „Läufst du deinen ersten Marathon, dann solltest du auf jeden Fall nach einem Plan trainieren. Ohne Erfahrung kann eine Vorbereitung ohne Trainingsplan leicht nach Hinten losgehen“ hat mich jetzt gerade aber doch ein wenig erschreckt. Es ist nämlich mein erster Marathon…
Naja, mal sehen, wie ich mit meiner Taktik durchkomme, aber ich versuch mich jetzt nicht verunsichern zu lassen, ich meine, ich will auch keine Bestzeit aufstellen (PB wird es ja so oder so 😉 ).
Danke für eure Beiträge!
Liebste Grüße!
Katrin Schäfer
Hallo Sally,
ob es dafür eine und genau DIE Angabe gibt, die für jeden passt? Wahrscheinlich nicht. Ganz grob würde ich mir ein paar weniger Kilometer als die erste Woche im gleichen Mesozyklus vornehmen. Wenn du 5 oder 6 Mal pro Woche laufen gehst vielleicht auch eine Einheit insgesamt weniger. Wichtig ist, dass es sich für dich als deutliche Erholung anfühlen soll, und lieber ein paar Kilometer weniger als mehr in der Erholungswoche.
Hilft dir das weiter?
Viele Grüße
Katrin