Nach einem gefühlten Vierteljahrhundert Wartezeit ist sie nun endlich erschienen: die Biographie meines Idols.
Scott Jurek gehört zu den Menschen, die mit 38 Jahren ein Buch über ihr Leben schreiben dürfen – und die man als lebende Legende bezeichnen kann, ohne dass einem das peinlich sein muss.
Für diejenigen unter euch, die sich bislang noch nicht näher mit der US-Amerikanischen Ultramarathon-Szene auseinandergesetzt haben (es sei euch verziehen): Scott Jurek ist der, der von 1999 bis 2006 den Western States 100 Miles Endurance Run sieben Mal in Folge gewonnen hat. Der Lauf zählt zu den härtesten Nonstop-Ultramarathons der Welt über 161 Kilometer mit insgesamt 5500 Metern Anstieg, 7000 Metern Abstieg und einer Flussdurchquerung zu Fuß (ja, richtig…).
In 2005 und 2006 siegte er beim Badwater Ultramarathon, einem 217-Kilometer-Lauf durch das Death Valley (40 Grad im nirgends vorhandenen Schatten), der am tiefsten Punkt der USA beginnt und auf 2530 Metern Höhe endet. Dreimal in Folge, von 2006 bis 2008, gewann er den Spartathlon, einen 246-Kilometer-Lauf von Athen nach Sparta.
In 2010 gelang ihm sein bislang letztes Meisterstück: mit 266,7 Kilometern stellte er einen neuen Amerikanischen Rekord im 24-Stunden-Lauf auf. Das sind sechseinhalb Marathons – an einem einzigen Tag.
Vom „Grillmeister“ zum veganen „King of Pain“
Scott Jurek ist aber nicht nur einer der besten Ultramarathonläufer aller Zeiten, sondern auch Veganer.
Alle seine großen Erfolge hat er als Veganer erzielt, und deshalb handelt seine Biographie “Eat & Run – My Unlikely Journey to Ultramarathon Greatness” von den beiden Dingen, die ihn am stärksten geprägt haben: vom Laufen und von der Ernährung – und davon, wie beides zusammenhängt.
Im Mittelpunkt steht dabei Jureks außergewöhnliche Wandlung vom “Grillmeister” – so sein früherer Spitzname – zum veganen Spitzensportler. Außergewöhnlich auch deshalb, weil es in den 1990er Jahren noch kaum Erfahrungswerte darüber gab, ob körperliche Höchstleistungen mit einer rein pflanzlichen Ernährung möglich sind.
Aus diesem Stoff eine große Story zu weben muss für jeden Schreiber ein Vergnügen sein – sollte man meinen. Denn leider hat Jurek mit Steve Friedman einen Ghostwriter gewählt, dem genau das so gar nicht gelingen will.
Und das ist sehr verwunderlich, da eben dieser Steve Friedman erst vor gerade einmal zwei Jahren mit dem Runner’s World-Artikel „The King of Pain“ eines der großartigsten Sportlerportraits aller Zeiten geschrieben hat.
Friedman zeigt Jurek dort als Spitzensportler, der seine beste Zeit vielleicht schon hinter sich hat und nun sich selbst finden muss. Friedmans „König der Schmerzen“ ist ein strauchelnder Held, dessen letzter großer Erfolg schon eine ganze Weile zurückliegt, der von seiner Frau verlassen wird, dessen an Multipler Sklerose erkrankte Mutter im Sterben liegt.
Wie hält er das aus? fragte Friedman damals. Wieso macht er trotzdem weiter? Und gibt die Antwort: Scott Jurek liebt seinen Sport, das Ultramarathonlaufen, wie wohl kaum ein anderer. Nach seinen Siegen ruht er sich ein wenig aus, dann kehrt er zum Zielbereich zurück um diejenigen anzufeuern, die er hinter sich gelassen hat – bis auch der letzte Läufer angekommen ist. Er ist einer, dem man abkauft, dass es ihm nicht um Geld und noch weniger um Ruhm geht. Born to Run* – das Buch, das ihm einem Millionenpublikum bekannt gemacht hat – hat er selbst nicht einmal gelesen.
All das wird auch in Eat & Run* erzählt, doch anders als im auf wenige Seiten verdichteten „King of Pain“ Artikel kommt hier kaum einmal das Gefühl auf, in die Seele des Menschen Scott Jurek blicken zu können. Die Berichte über seine grandiosen Ultramarathon-Erfolge klingen zum Teil wie schon hundertmal erzählt. Sie folgen übergangs- und zusammenhangslos aufeinander, als wolle Friedman das Ganze möglichst schnell hinter sich bringen.
Und so ist Eat & Run* zwar ein lesenswertes und streckenweise inspirierendes, aber leider kein großartiges Buch. So lange Scott Jurek ein großartiger Mensch bleibt verzeihen wir ihm das aber gerne.
Ich teile Eure Meinung, dass das Buch kein großartiges ist. Es kann natürlich auch daran liegen, dass ich im letzten Jahr einen ganzen Berg von Büchern dieser Machart verschlungen habe und mir das Thema daher schon recht bekannt vorkommt.
Was mich am meisten erstaute, ist, dass das Buch vom Aufbau her erstaunliche Ähnlichkeiten mit Brendan Braziers „Thrive“ hat. Auch dort werden Rezepte und kleine Trainingsanekdoten nach jedem Kapitel dargeboten.
Zudem fang ich es nur an ausgewählten Stellen einigermaßen fesselnd und lesenswert.
Während ich schreibe, frage ich mich, was ich denn eigentlich von diesen Büchern erwarte. Laufen und die damit einhergehenden Gefühle kann man nicht niederschreiben. Man muss sie erleben.
Hi Mark,
stimmt natürlich, die emotionale Seite des Laufens ist subjektiv und damit eher schwer zu vermitteln. Von einem professionellen Schreiber erwarte ich aber trotzdem, dass er das hinbekommt 🙂
Mittlerweile glaube ich, dass der Hauptgrund für meine Enttäuschung ist, dass mir der Scott Jurek aus „Eat & Run“ schlichtweg nicht so gut gefällt wie der Scott Jurek, den ich mir in meinen Fan-Schwärmereien ausgemalt habe. Im ganzen Buch kein einziges Wort zum Thema Ethik – der Antrieb zur veganen Ernährung allein die Leistungssteigerung? Ich fand das einfach ein wenig ernüchternd.