In ein paar Wochen ist es soweit. Dann stehe ich zusammen mit Katrin und zehntausenden anderen Läuferinnen und Läufern an der Startlinie des Hamburg Marathon und zähle laut den Countdown bis zum Startschuss mit.
Wenn ich erst einmal meinen Platz im Startblock gefunden habe wird alles gut sein. Dann liegen viele Monate der Vorbereitung hinter mir. Mehr als tausend Laufkilometer. Drei Wochen Tapering, in denen mein Körper sich von den Strapazen des Trainings erholen und auf diesen einen Tag vorbereiten konnte, an dem es zählt.
Wenn ich im Startblock stehe bedeutet das, dass ich nicht verschlafen habe, dass ich nicht mit einem Kratzen im Hals aufgewacht bin, dass mein Magen nicht vor der Aufregung des Wettkampfmorgens kapituliert hat. All das ist nicht passiert, alles ist nach Plan verlaufen, keine höhere Gewalt hat sich gegen mich gestellt – ab jetzt habe ich es selbst in der Hand.
Aber bis zu diesem Moment werde ich sie spüren, die Wettkampfangst. Sie wird sich in den Tagen vor dem Start erstmals bemerkbar machen – zum Beispiel als Kribbeln im Bauch, wenn mir beim Spaziergang durch die Stadt zufällig die Streckenmarkierung, ein Plakat oder ein Absperrgitter in die Augen fällt.
Woher kommt die Angst vor dem Wettkampf?
Viele Laufanfänger haben Angst vor ihrem ersten Wettkampf, aber Wettkampfangst ist kein reines Anfängerproblem. Ich bin in meiner bisherigen “Läuferkarriere” schon unzählige Marathons, Halbmarathons und Wettkämpfe über viele andere Distanzen gelaufen. Trotzdem ist die Angst vor großen Wettkämpfen immer wieder da, wie ein alter Bekannter, der sich nach ein paar Monaten Funkstille wieder bei mir meldet.
Für die Angst und Unruhe, die wir in den Tagen vor einem Wettkampf spüren, gibt es zwei Ursachen. Die erste hängt damit zusammen, dass wir als Läufer so viel in die Vorbereitung investieren (Zeit, Geld, körperliche Anstrengung, Willenskraft) und dann häufig nur eine einzige Gelegenheit haben, die Früchte unserer Arbeit zu ernten. Wir können aber auf dem Weg zum Ziel nicht alles kontrollieren: Krankheiten und Verletzungen werfen uns aus der Bahn, das Wetter spielt nicht mit oder unser Magen rebelliert auf halber Strecke.
Wettkampfangst ist also zum einen die Angst, an Einflüssen zu scheitern, die wir weder vorhersehen noch kontrollieren können.
Die zweite Ursache der Wettkampfangst ist die Größe der Herausforderung, die vor uns liegt: In einem Wettkampf gehen wir ans Limit – egal ob das einfach nur heißt, ins Ziel zu kommen, oder die Strecke in möglichst kurzer Zeit zurückzulegen. Und wann immer wir uns nahe unserer persönlichen Grenzen bewegen, setzen wir uns der Gefahr des Scheiterns aus. Wir haben Angst davor, der Herausforderung nicht gewachsen zu sein. Angst vor der Enttäuschung darüber, dass wir trotz des vielen Trainings unser Ziel nicht erreichen konnten.
Wie du deine Wettkampfangst in den Griff bekommst
Wenn du vorhast, regelmäßig an Laufwettkämpfen teilzunehmen – und dabei Spaß zu haben – solltest du lernen, mit deiner Wettkampfangst umzugehen. Hier sind drei Möglichkeiten wie du das anstellen kannst:
1. Führe dir die positiven Effekte der Angst vor Augen
Evolutionär gesehen ist Angst die Reaktion des Körpers auf eine Gefahrensituation. In Momenten, in denen du Angst spürst, bist du deshalb besonders aufmerksam und leistungsfähig. Angst sorgt dafür, dass du dich auf die vor dir liegende Aufgabe fokussierst und Dinge ausblendest, die dich deinem Ziel nicht näher bringen. Herzfrequenz und Muskelspannung steigen, die Verdauung fährt herunter – all diese Symptome der Angst nützen dir im Wettkampf.
2. Mach deine Hausaufgaben
Du kannst nicht alles kontrollieren, aber vieles – und das solltest du auch. Wenn du dir sicher bist, dass du alle Vorbereitungen für einen erfolgreichen Wettkampf getroffen hast, wirst du schon viel besser schlafen können.
Ich nutze gerne Checklisten, weil mir das die Sicherheit gibt, an alles gedacht zu haben. Vor deinem allerersten Wettkampf kannst du dir Katrins Artikel “Der Countdown läuft: Die letzten 7 Tage bis zum Wettkampf” durchlesen und als Checkliste nutzen. Oder lege dir eine eigene Checkliste an, in die du alles einträgst, was du in den Tagen vor einem Wettkampf erledigen musst: Packliste, Zwischenzeiten auswendig lernen, Streckenplan anschauen, Unterstützer einweisen…
3. Übe dich in Gelassenheit
Wenn du alles für den Wettkampferfolg getan hast, was in deiner Macht steht (siehe Punkt 2), dann liegt alles weitere nicht mehr in deiner Hand. Es bringt dir also überhaupt nichts, wenn du dir über all die unkontrollierbaren Dinge den Kopf zerbrichst, die dir noch einen Strich durch die Rechnung machen könnten. Sie passieren oder passieren eben nicht – unabhängig davon, wie viel oder wenig du über sie nachdenkst.
Es geht dabei nicht darum, dass du dich kampflos dem “Schicksal” übergeben sollst, sondern darum, Dinge, die in der Vergangenheit liegen und damit nicht mehr beeinflusst werden können, abzuhaken und nach vorne zu schauen. Und zu erkennen, dass es bei einem Laufwettkampf für uns nicht um Leben oder Tod geht und ein Scheitern am gesteckten Ziel höchstens eine vorübergehende Enttäuschung zur Folge hat.
Eine andere Sicht auf die Wettkampfangst
Nimm dir abschließend noch einmal einen kurzen Moment Zeit, um darüber nachzudenken: Warum gehen wir einem Hobby nach, das uns regelmäßig Angst verursacht? Ist das nicht absurd? Sollten wir nicht vielmehr so „programmiert“ sein, dass wir Angst und negativen Emotionen so gut wie möglich aus dem Weg gehen?
Eine Erklärung könnte das Gefühl des Triumphs, der Zufriedenheit und des Glücks sein, das ein erfolgreich verlaufener Wettkampf mit sich bringt. Selten fühlst du dich als Läufer besser als in dem Moment, in dem du die Ziellinie eines Wettkampfs überquerst. Wenn diese positiven Gefühle stärker wiegen als die Angst vor dem Start, dann hast du insgesamt einen guten „Deal“ gemacht.
Aber auch eine andere Erklärung ist möglich: Wir leben heute in einer nie zuvor dagewesenen Sicherheit, haben ein geregeltes Einkommen und können uns jeden Abend ziemlich sicher sein, dass wir auch am nächsten Tag genügend zu Essen und ein Dach über dem Kopf haben werden. Unseren Vorfahren ging es ganz anders: Sie mussten täglich ums Überleben kämpfen – jeder Fehler konnte der letzte sein. Das Gefühl existenzieller Angst muss ihnen sehr vertraut gewesen sein.
Vielleicht liegt uns also ein Bedürfnis nach Nervenkitzel in den Genen, das heute in unserem Alltagstrott schlichtweg nicht mehr befriedigt wird? Vielleicht suchen wir Läufer genau diesen Kick, wenn wir uns in Wettkämpfen immer wieder der realen Gefahr des Scheiterns aussetzen?
Das ist meine Theorie, und ich würde gerne noch ein bisschen über dieses spannende Thema diskutieren: Kennst du die Angst vor Wettkämpfen oder anstrengenden Trainingseinheiten? Was unternimmst du dagegen? Oder hast du vielleicht sogar Gefallen daran gefunden?
Zum Weiterlesen: 12 Tipps, Methoden und Strategien, mit denen du deine Nervosität vor dem Wettkampf in den Griff bekommst
Markus
Angst vor dem Wettkampf ist vielleicht nicht das richtige Wort – aber Respekt und Achtung vor der Strecke und meiner Form habe ich jedes Mal bis 10min vor dem Start. Dann gehts spätestens in den Startblock und dann ist da nur noch die Freude das es endlich losgeht!
Daniel Roth
Hi Markus, bei mir ist es schon etwas mehr als „nur“ Respekt vor der Aufgabe. Auch wenn die Aufregung nicht mehr so stark ist wie vor meinen ersten Marathons – der Magen macht sich bei mir noch immer sehr oft bemerkbar, wenn’s um was geht. Ich denke wenn es keine Angst ist, dann ist es doch sehr nah mit der Angst verwandt 🙂
Carola
Das Problem ist ich hab angst zu versagen und letzte zu werden dass ist das letzte mal wo ich bei diesen rennen mitmachen kann und ich hab angst davor dass 7-10 leute vom tsv mitmachen dann hab ich niemals eine change😢😖😔
MagicMike2311
Komisch,
Angst hatte ich eigentlich noch nie. Nervös bin ich eigentlich fast immer. Schaffe ich es ins Ziel? Kann ich meine Wunschzeit (muss nicht Bestzeit sein) laufen? Bin ich richtig angezogen? Schlafen kann ich selbst vor großen Wettkämpfen ganz gut. Mein Magen ist eigentlich immer friedlich.
Bin ich da jetzt abnormal oder war ich noch nicht an meinen Grenzen? Doch! Eigentlich schon oft!
Aber ich geniesse es, überhaupt laufen zu können. Vielleicht ist das der Trick.
Ist wohl auch wieder jeder anders
Daniel Roth
Hi Michael, da du Wettkämpfe auf Zeit läufst, bist du tatsächlich nicht ganz normal, wenn wir normal als „durchschnittlich“ definieren. Damit können wir aber leben, oder? 😉 Ich hatte es eben schon in meiner Antwort auf Wolfgangs Kommentar geschrieben: Es ist auch bei mir inzwischen eher eine positive Anspannung und „Alarmbereitschaft“ als richtige „Angst“ – das war aber auch schonmal anders. Inzwischen weiß ich ja sehr genau, was mich in einem Wettkampf erwartet, und das nimmt natürlich die „Angst vor dem Unbekannten“ raus. LG
Wolfgang
Hallo Daniel,
dein Artikel weckt in mir die Erinnerung an meine Wettkampfzeit.
X-mal habe ich dieses Gefühl eines Läufers vor dem Start erlebt…
Es läßt sich nicht mit einem einzigen Wort wie Laufangst beschreiben.
Bei mir war stets eine nervöse Grundanspannung vorhanden. Sie äußerte sich durch ständiges Überprüfen, ob die Schnürsenkel fest genug zugezogen sind, ob der Chip bzw. die Startnummer richtig platziert ist, die Anstrengung des Laufes verkraften zu können. Lauffieber eben.
Doch bin ich überzeugt, dass dies einfach dazugehört, um mit dem dadurch erzeugten Adrenalinausstoß einen guten Wettkampf laufen zu können.
Wenn du total relaxt an den Start gehst wird das nichts.
Ein gleiches Gefühl in abgeschwächter Form hatte ich auch vor einer ansruchsvollen Tempolaufserie.
Respekt vor der selbstgestellten Rerausforderung eben.
Viele Grüße quer durch Frankfurt.
Wolfgang
Daniel Roth
Hallo Wolfgang, ich meinte auch genau das Gefühl, das du beschreibst! Vor meinen ersten Wettkämpfen war das aber wirklich so stark, dass ich es durchaus als „Angst“ bezeichnen würde. Heute ist es eher die von dir beschriebene Anspannung und Nervosität. Und die sehe ich auch positiv – wie gesagt glaube ich, dass der Körper in „Alarmbereitschaft“ sein muss, damit wir wirklich das Beste aus uns herausholen müssen. Gerade für Laufanfänger mit wenig Erfahrung kann die Angst aber auch lähmend wirken. Hab ich auch schon selbst erlebt, zum Beispiel in Form von heftigen Magenproblemen während des Wettkampfs, die mich dann dazu gezwungen haben, das Tempo rauszunehmen.
Viele Grüße,
Daniel
Jenny
Ich habe Angst. Wahnsinnige! Ich bin gut vorbereitet und es kann eigentlich nicht viel passieren – trotzdem habe ich eine Riesenangst, dass ich meinen ersten Marathon am Sonntag nicht schaffe. Bisher kannte ich 1-2 Tage und vor allem am Wettkampfmorgen Nervosität vor 10 k und HM, aber jetzt der Marathon…seit Sonntag bin ich wie gelähmt, kann an fast nichts anderes denken. Dabei wird mir ja niemand den Kopf abreissen, wenn es nicht klappt, niemand wird sterben, die Welt wird nicht untergehen. aber gerade ist es wahnsinnig schwer einfach nur rational zu sein.
Anke
In einer Woche stehe ich beim Halbmarathon des Bienwaldmarathon an der Startlinie und ich fühle mich einerseits gut vorbereitet und fit, andererseits macht sich eine gewisse Nervosität in Form von Magengrummeln bemerkbar. Glücklicherweise kenne ich aber meine gut verträglichen Nahrungsmittel, die ich in zahlreichen langen Trainingsläufen getestet habe und das beruhigt ungemein. Gestern absolvierte ich den letzten langen Lauf in moderatem Tempo und es lief super. Die Tempotrainings liefen ebenfalls sehr gut und eigentlich gibt es nichts, wovor ich mir Sorgen machen müsste. Die Nervosität animiert auch den Körper dazu, mehr Energie für die „anstehende Aufgabe“ zu mobilisieren, was sich wiederum auf die Leistungsfähigkeit auswirken wird. Den Rest machen die Wettkampfbedingungen – das Publikum, die Strecke einschl. Versorgung und der super Zieleinlauf, den man im Training nicht hat. Es wird mindestens genauso gut, wie beim letzten Halbmarathon! Wie hier schon erwähnt – die Nervosität kenne ich letztlich auch vom Tempotraining, nur in abgeschwächter Form …