Als ich um die Jahrtausendwende mit dem Laufen angefangen habe, gab es fast kein Laufbuch, in dem nicht vom Runner’s High die Rede war.
Das Runner’s High war angeblich ein Zustand, in dem man wie im Rausch laufen und sich das Laufen schwerelos und leicht anfühlen würde. Dabei sollten jede Menge Endorphine ins Gehirn strömen, so dass man gar nicht merkt, wie die Kilometer an einem vorbeifliegen.
Keine Frage: Das wollte ich auch erleben!
Der Gedanke an dieses Runner’s High hat mich in den ersten zwei oder drei Jahren als Läufer nicht losgelassen. Ich habe darauf gewartet, dass es sich endlich zeigen und mich aus den Socken hauen würde.
Und was soll ich sagen: Es ist einfach nicht passiert.
Klar hatte ich tolle Läufe. Ich hatte sogar richtig tolle Läufe, bei denen ich mich leicht und gut gefühlt habe. Aber high? Darunter hatte ich mir irgendwie etwas anderes vorgestellt.
Flow statt Runner’s High
Irgendwann bin ich dann zu dem Schluss gekommen, dass mich das Laufen auch ohne dieses mysteriöse Runner’s High befriedigt. Also bin ich beim Laufen geblieben. Und mit der Zeit habe ich eine Alternative zum Runner’s High für mich entdeckt: Den Flow.
Flow ist … das als beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustandes völliger Vertiefung … und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit …, die wie von selbst vor sich geht.
Wikipedia
Das sagt Wikipedia darüber – und hey, das ist genau das, was ich bei meinen „besten“ Läufen erlebe!
Normalerweise lasse ich beim Laufen meine Gedanken fließen. Ich denke über beVegt nach, spiele mit Ideen, freue mich auf eine geplante Reise (oder einfach nur auf ein leckeres Abendessen) oder schwelge in Erinnerungen an vergangene Momente und Erlebnisse.
An diesen Tagen laufe ich zwar, aber ich bin mit den Gedanken nicht beim Laufen.
Und dann gibt es diese Läufe, bei denen ich meine Gedanken nicht schweifen lasse, sondern voll und ganz bei der Sache bin.
Wenn du mich nach diesen Läufen fragen würdest, worüber ich so alles nachgedacht habe, dann könnte ich es dir nicht sagen. An diesen Tagen bin ich zu 100 Prozent beim Laufen. Ich spüre den Wind in meinem Gesicht, den Schweiß auf meiner Haut, die tiefe Atmung, die Monotonie der Bewegung und nehme einfach die Eindrücke auf, die mir unterwegs begegnen.
3 Methoden, mit denen du in den „Flow“ kommen kannst
Ich kann dir also nicht sagen, wie du ein Runner’s High erreichst. Aber ich weiß, bei welchen Läufen ich am ehesten in den beschriebenen „Flow“ reinkomme. Das passiert vor allem beim Laufen auf schwierigem Untergrund (Trails!), auf unbekannten Strecken und an Tagen, an denen ich mich gut fühle und es ganz spontan einfach mal „laufen“ lasse.
Wenn du deine Chancen auf einen „Flow“ steigern willst, dann kannst du es deshalb mit den folgenden Methoden probieren:
1. Laufe auf schwierigem Untergrund
Wenn du dich bei jedem Schritt darauf konzentrieren musst, dass du nicht über eine Wurzel stolperst, dann hast du gar keine Chance, deine Gedanken vom Laufen abschweifen zu lassen – deine ganze Aufmerksamkeit gilt dem Trail und dem nächsten Schritt.
Ich glaube, dass Trailrunning auch aus diesem Grund immer beliebter wird: Es ist wie eine Meditation, weil es dich dazu „zwingt“ im Hier und Jetzt zu sein, statt in die Vergangenheit oder Zukunft abzuschweifen.
Und genau das macht das Lauferlebnis beim Trailrunning so intensiv!
2. Laufe auf unbekannten Strecken
Die meisten Läufer haben eine Handvoll Strecken, die sie immer und immer wieder laufen. Irgendwann kennt man sozusagen jeden Grashalm auf diesen Strecken, und das führt dazu, dass man sie immer weiter ausblendet.
Die Gedanken wandern vom Laufen weg und hin zum Job, zu den Alltagssorgen und so weiter.
Dagegen ist auch gar nichts einzuwenden, aber wenn du nach einem Flow-Erlebnis suchst, dann solltest du aus dieser Routine ausbrechen und mal eine ganz neue Strecke ausprobieren!
Eine neue Strecke bietet dir unbekannte Reize, die deine Aufmerksamkeit auf die Gegenwart richten. Außerdem musst du dich konzentrieren, um den richtigen Weg zu finden – auch das führt dazu, dass deine Gedanken nicht abschweifen und du stattdessen den Lauf und deine Umgebung wahrnimmst.
3. Lass „Es“ laufen!
An manchen Tagen fühlen wir uns einfach fit und leicht beim Laufen – und diese Tage sind perfekt, um in einen „Flow“ zu kommen.
Wenn du bei einem Lauf das Gefühl hast, dass du ohne Probleme auch schneller laufen könntest, dann nimm den Fuß einfach mal von der Bremse und zieh dein Tempo an. Lauf nicht so schnell, dass du aus der Puste kommst – nur ein bisschen schneller als sonst, so dass du dich wirklich schnell und gut fühlst.
Ich glaube, dass der Flow bei diesen Läufen daher kommt, dass man dieses perfekte Laufgefühl einfach so richtig genießt: Du bist zu schnell unterwegs, um über andere Dinge nachzudenken, aber nicht so schnell, dass es dich wirklich anstrengt.
Es ist ein idealer Lauf, und du kostest das Gefühl in diesem Moment voll und ganz aus. Der perfekte Flow!
Bernd Folger
In der Tat, ich habe noch eine Idee, wie man dem „Flow“ näher kommen kann. Der Tipp ist ganz einfach: Rupft die heute scheinbar unerlässlichen Ohrstöpsel raus! Man kann wirklich ohne laufen, auch wenn’s viele nicht glauben mögen, und es ist toll, was man dann so wahrnimmt.
Daniel Roth
Das könnte man tatsächlich mal versuchen Bernd 🙂 Ich selbst bin auch noch nie mit Musik im Ohr gelaufen und kann mir das auch gar nicht vorstellen – ich glaube das würde mich total aus dem Takt bringen 😉 Aber es ist sicher auch eine Typsache.
Christiane
Bei mir ist es genau umgekehrt. Ich habe eine Lieblings-Lauf-Musik und wenn ich die mal woanders höre, habe ich das dringende Bedürfnis los zu laufen…. Diese Musik ist bei mir dem Laufen verankert.
Damit schaffe ich auch noch kurz vor Schluss einen Sprint. 🙂
Daniel Roth
Sag ich ja – das ist eben eine Typsache 🙂 Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich von Anfang an ohne Musik gelaufen bin und mich einfach daran gewöhnt habe – ich kann es mir anders gar nicht mehr vorstellen. Wobei ich die Musik bei Marathons usw. natürlich gerne mitnehme 🙂
Charlotte
Ich habe schonmal ein Seminar zu diesem Thema besucht und dort wurde gesagt, dass jegliche Veränderung dazu beiträgt, öfter in diesen Flow-Zustand zu kommen. Zum Beispiel mit links Zähne putzen, rückwärts die Treppe runtergehen usw. Es muss gar nicht direkt mit dem Laufen zu tun haben, aber alles bei dem neue Verknüpfungen im Gehirn gebildet werden hilft.
Beim Laufen selber hilft es mir aber am meisten, wenn ich einfach lächle. Man wird zwar öfter mal komisch angeguckt („Warum lächelt die so blöd?“) aber man fühlt sich direkt viel besser und ich werde ganz automatisch schneller.
Daniel Roth
Danke für die Tipps Charlotte! Das macht Sinn, denke ich – wenn man etwas anders macht, dann „stört“ man die Gewohnheit und Routine, und die sind ja grade dafür verantwortlich, dass wir Dinge ganz automatisch machen und gar nicht mehr mitbekommen, was wir grade tun. Also vielleicht einfach mal die nächste Laufrunde rückwärts laufen? 😉
Viele Grüße
Daniel
Katharina
bis vor kurzem bin ich häufiger mit Stöpsel in den Ohren gelaufen, habe aber festgestellt, dass mein Anspruch mal wieder mehr Französisch zu hören (Edith Piaf) nicht mit dem Laufen kompatibel ist – ich versuchte ständig, meine fehlenden Vokabelkenntnisse irgendwie aus den Tiefen zu holen. Element of Crime konnte ich nach diversen Läufen auch nicht mehr hören und inzwischen laufe ich (zumindest auf den Ohren :-))lautlos. Das mit dem Flow kann ich nur bestätigen – ich genieße bei einigen Läufen wirklich ganz bewusst meine Umgebung und das fällt mir auf neuen Strecken viel leichter. Aber zur Zeit geht leider gar nichts – ich habe eine fiese schmerzhafte Schleimbeutelentzündung in der Schulter und die muss erst abheilen. Aber dann!!!!