Vor einigen Tagen hat uns beVegt-Podcast-Hörer Sebastian auf ein interessantes Experiment aufmerksam gemacht, das aktuell in einem Berliner Discounter durchgeführt wird.
Dort gibt es derzeit an einigen ausgesuchten Waren gleich zwei Preisschilder: Eines mit dem Preis, den man an der Kasse zahlen muss – und eines mit dem „wahren“ Preis, der auch die ökologischen Folgekosten des jeweiligen Artikels berücksichtigt.
Die Differenz ist teilweise beträchtlich. Für 500 Gramm Hackfleisch müsste man zum Beispiel statt 2,79 Euro ganze 7,62 Euro bezahlen.
Als Leser:in unseres Blogs gehörst du wahrscheinlich zu den Menschen, die sich schon etwas intensiver mit der Herkunft und der Produktion von Lebensmitteln (und anderen Konsumgütern) beschäftigt haben. Dann werden dich diese Zahlen nicht sonderlich überraschen.
Vielleicht aber ist diese Idee tatsächlich neu für dich: Dass der Preis, den wir für etwas bezahlen müssen, nur wenig über die wirklichen Kosten aussagt, die dieses „Etwas“ verursacht.
Unser Konsum verursacht auch unsichtbare Kosten
Es ist eines dieser Dinge, die man nur selten hinterfragt, weil es scheinbar nichts zu hinterfragen gibt: Wenn wir für etwas bezahlen, dann begleichen wir damit die Herstellungskosten und legen noch einen mehr oder weniger hohen „Lohn“ für den- oder diejenigen drauf, die es hergestellt haben und an uns verkaufen.
Ganz einfach also? Leider nein, denn die Wirklichkeit ist etwas komplizierter.
Wir haben uns nämlich als Gesellschaft dafür entschieden, nur bestimmte Kosten für die Preisberechnung zu berücksichtigen, und andere einfach zu ignorieren. Hier sind nur ein paar Beispiele für diese unsichtbaren Kosten, die nicht auf dem Preisschild auftauchen:
- der Verbrauch endlicher Ressourcen
- die Zerstörung der Umwelt (Abholzung, Bergbau, Treibhausgasemissionen usw.)
- die gesundheitlichen und sozialen Folgen schlechter Arbeitsbedingungen
- das Leid der Nutztiere, die für die Herstellung von tierischen Lebensmitteln und Kleidung getötet werden
Diese Kosten fallen natürlich trotzdem an, aber sie werden nicht vom Käufer selbst gezahlt, sondern von anderen Menschen (bzw. Tieren), von der Gesellschaft als Ganzes (z.B. über Steuern) … oder eben von zukünftigen Generationen, die sich irgendwann mit den Folgen unseres Konsums auseinander setzen müssen.
Wir zahlen nicht nur mit Geld, wenn wir etwas kaufen
Vielleicht ist dir aufgefallen, dass in meiner beispielhaften Liste der unsichtbaren Kosten auch Aspekte auftauchen, die eher in den Bereich der Ethik fallen: Das Leid von Arbeiter:innen in der dritten Welt und von Tieren in der Massentierhaltung verursacht (vermutlich) keine monetären Kosten, sondern es handelt sich dabei um Kosten im übertragenen Sinn.
Und wir müssen hier noch nicht aufhören. Das Berliner Supermarktexperiment hat mir einen wunderbaren Text von Leo Babauta in Erinnerung gerufen, den ich vor vielen Jahren gelesen habe.
Babauta zeigt darin, dass wir für die Dinge, die wir uns kaufen, nicht nur einen monetären und ggf. einen „ethischen“ Preis zahlen, sondern dass sie uns auch noch lange nach ihrer Anschaffung Kosten verursachen:
- Wir müssen uns um die Dinge kümmern, die wir besitzen – sie pflegen, warten und reparieren, und sie irgendwann wieder fachgerecht entsorgen oder verkaufen.
- Jede neue Anschaffung verbraucht Platz in unserer Wohnung, für den wir Miete zahlen müssen (wenn wir weniger Dinge besitzen können wir in einer kleineren, günstigeren Wohnung leben).
- Je mehr Dinge wir besitzen, desto schwieriger und zeitaufwändiger wird es, Ordnung zu halten und aufzuräumen.
- Wir entwickeln eine emotionale Bindung an unsere Besitztümer, und haben Angst, dass wir sie verlieren, dass sie kaputt gehen oder gestohlen werden.
Die Sache mit dem wahren Preis der Dinge ist also kompliziert. Und je nachdem welche Kosten man berücksichtigen möchte, liegt er möglicherweise noch viel höher als die Preisschilder aus dem Berliner Supermarktexperiment suggerieren.
Warum es kompliziert ist (und warum das nichts macht)
Vielleicht werden wir den wahren Preis der Dinge also niemals herausfinden, weil die Rechnung einfach zu schwierig ist (und wir uns außerdem nicht auf die „richtige“ Formel einigen könnten).
Aber darum geht es auch gar nicht. Viel wichtiger ist, was wir mit dieser Einsicht machen, dass Konsumgüter weit höhere Kosten verursachen als ihr Kaufpreis vermuten lässt – welche Schlüsse wir daraus für unser eigenes Handeln ziehen.
Katrin und ich haben für uns im Minimalismus eine Lösung gefunden, die wir ziemlich einleuchtend finden. Wir versuchen, weniger und „bewusster“ zu konsumieren. Das heißt:
- Dinge möglichst lange zu nutzen, statt sie regelmäßig durch das neueste Modell zu ersetzen (Smartphones, Laufuhren, Kleidungsstücke usw.).
- Uns vor Neuanschaffungen die Frage zu stellen, ob wir das wirklich brauchen und ob es unser Leben bereichern wird.
- Eher in Erlebnisse, Erfahrungen und in uns selbst als in materielle Dinge zu investieren.
- Dinge, die wir nicht mehr brauchen bzw. benutzen zu verschenken oder zu verkaufen, damit sie wieder einen Zweck erfüllen.
Natürlich sind wir weit davon entfernt, „perfekte“ Minimalisten zu sein. Auch wir erliegen immer mal wieder den Verlockungen des Konsums (nur um dann jedes Mal aufs Neue die Erfahrung zu machen, dass Dinge uns nicht dauerhaft glücklich machen und auch selten unsere Probleme lösen).
Aber es geht auch nicht darum, perfekt zu sein. Der Weg ist das Ziel! Und jeder Schritt zählt.
Zum Weiterlesen
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Maria
Danke für diesen tollen Artikel, der verschiedenste verdeckte Kosten nennt!
Wir denken uns auch immer wie trügerisch der „Preis“ z.B. bei Lebensmitteln ist. Sowohl für Junk Food als auch für vermeintlich „billiges“ gespritztes Essen (also nicht bio) zahlt die Gesellschaft beizeiten einen Aufschlag ins Gesundheitssystem ein.