Deutschland ist Fußball-Weltmeister. Die Schlagzeilen der vergangenen Tage behaupteten sogar: WIR sind Fußball-Weltmeister.
Wie hast du dich am vergangenen Sonntag um kurz vor Mitternacht gefühlt, als Philipp Lahm den WM-Pokal in die Höhe reckte? Wie hast du dich am Tag danach gefühlt? Und wie fühlst du dich heute? Lass mich raten: Der Rausch hat mit jedem Tag nachgelassen, und jetzt spürst du schon gar nichts mehr davon.
Glaubst du, dass bei Philipp Lahm auch schon wieder der emotionale Normalzustand eingekehrt ist? Ich glaube das nicht. Er wird noch lange von diesem Erlebnis zehren, und das aus gutem Grund: Er hat viele Jahre lang unglaublich hart auf diesen Erfolg hingearbeitet, er hat viel investiert. Der Weltmeistertitel ist das Resultat seiner Arbeit.
Es ist OK, sich von anderen inspirieren zu lassen
Dein und mein individueller Anteil am Weltmeistertitel für “Jogis Jungs” lässt sich hingegen ziemlich genau mit Null beziffern. Weder du noch ich sind Weltmeister geworden, sondern die Fußballer der deutschen Nationalmannschaft.
Es ist nichts Schlimmes daran, die Weltmeister zu feiern, sich für sie zu freuen und von ihnen inspirieren zu lassen. Ich habe das auch gemacht.
Aber es ist gefährlich, wenn der Erfolg der anderen für uns zu einer Ersatzdroge wird, die uns davon abbringt, unsere eigenen Ziele zu verfolgen. Wenn wir unsere Befriedigung irgendwann nur noch darin suchen, anderen dabei zuzuschauen, wie sie ihre Träume erfüllen.
Konsum macht nur kurzfristig glücklich
Was tun wir denn genau, wenn wir die Fußball-Weltmeisterschaft, die Olympischen Spiele oder einen Marathon ansehen? Richtig: Wir konsumieren. Wir versuchen, an Dingen teilzuhaben, die andere erschaffen. Konsum ist unser Standard-Betriebsmodus. Wir konsumieren von morgens bis abends: Lebensmittel, Musik, TV-Serien, Bücher, Kleidung, PCs und Smartphones, Apps.
Konsum macht aber immer nur kurzfristig glücklich. Schon kurz nachdem wir etwas konsumiert haben suchen wir nach dem nächsten Konsum-Kick.
Das ist ein sehr anstrengender Teufelskreis, der uns viel Zeit und Geld kostet und nirgendwohin führt. Jedenfalls nicht zu nachhaltigem Glück und Zufriedenheit. Es ist kein Wunder, dass die Minimalismus-Bewegung in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen hat und immer mehr Menschen den umgekehrten Weg für sich entdecken: Weniger Konsum, mehr Kreativität.
Es ist besser, selbst etwas zu erschaffen
Kreativ sein bedeutet “etwas erschaffen”. Kreativität ist also das Gegenteil von Konsum: Wenn du kreativ bist, erschaffst du selbst etwas, anstatt dich an den Dingen zu bedienen, die andere erschaffen haben (zum Beispiel Fertigpizzas oder Weltmeister-Titel).
„Etwas erschaffen” ist dabei nicht auf materielle Dinge beschränkt: Wenn du trainierst, erschaffst du etwas (eine fittere Version deiner selbst). Wenn du etwas lernst, erschaffst du etwas (Wissen in deinem Kopf, Fähigkeiten). Wenn du ein Tagebuch, einen Blog oder ein Gedicht schreibst, erschaffst du etwas (Ideen, Anregungen, Kunst). Wenn du Zeit mit anderen verbringst, erschaffst du etwas (Freude, Freundschaft, Liebe).
Das Beste am Erschaffen ist, dass es dir eine viel tiefere und nachhaltigere Befriedigung bringt als Konsum. Der Grund: Mit den Dingen, die du konsumierst, zeichnest du ein Bild von der Person, die du gerne wärst. Durch die Dinge, die du erschaffst, zeigst du hingegen, wer du wirklich bist.
Am Morgen nach dem WM-Finale hat mein veganer Lauffreund Scott Spitz den folgenden Satz auf Facebook geschrieben: „Es ist OK, sich von anderen inspirieren zu lassen. Aber es ist wichtiger, von sich selbst inspiriert zu sein.“
Vier Wochen lang haben wir den Fußballkünstlern dabei zugeschaut, wie sie etwas Großartiges erschaffen haben. Jetzt sind wir an der Reihe.
Gabi
Hallo Daniel
ich habe eigentlich kaum etwas von der WM gesehen, von einem Spiel eine Halbzeit im Urlaub und vom Endspiel nur die letzten paar Minuten der Verlängerung. Mein Mann und ich sind nicht so grosse Fussballfans. Ich laufe eh lieber selber oder lese bzw. meditiere und Bernd hat andere Interessen, Deshalb identifizierte ich mich eigentlich noch nie mit einer Mannschaft.
lg
Gabi
Daniel Roth
Hi Gabi, das war mir natürlich klar, dass das WM-Beispiel nicht jeden ansprechen würde 🙂 Aber es geht mir ja um das Prinzip dahinter: dass wir oft andere für ihre Leistungen bejubeln und beneiden und dabei vergessen, unsere eigenen Ziele und Träume zu verwirklichen. Im kollektiven Jubelrausch am letzten Sonntag ist mir das einfach ganz deutlich bewusst geworden.
LG, Daniel
Jessica
Hallo Daniel,
ich bin total begeisert von deinem Blogpost. Du bringst es absolut auf den Punkt.
In unserer Gesellschaft können wir unser ganzes Leben damit verbringen anderen Menschen (realen und erfundenen, z.B. in TV-Serien) dabei zuzugucken ihr Leben zu leben und dabei total vergessen, dass wir auch noch ein Leben haben. Als Ausrede zum auf der Couch sitzen bleiben müssen dann Sätze wie „Ich könnte das ja nicht.“ oder „Ich bin dafür zu alt/jung/dick/dünn/klein/groß …“ herhalten.
Viele Grüße
Jessica
Daniel Roth
Hi Jessica, genau so ist es! Und wir haben gerade in den letzten Monaten so viele Beispiele gesehen, die das Gegenteil beweisen. Ich sage nur: Über-70-Jährige, die sich dazu entschließen, ab sofort vegan zu leben oder mit dem Laufen anfangen wollen. Das beeindruckt mich jedesmal sehr und ich hoffe, dass ich mein Leben auch noch so aktiv lenke und gestalte, wenn ich mal in diesem Alter bin.
Liebe Grüße,
Daniel
Daniel Roth
Danke Nate, das freut mich, dass dir der Beitrag gefallen hat! Und ja, die Fotos … wir wollten einfach mal beweisen, dass man als Veganer noch Spaß haben kann 😉
LG, Daniel
Sven
Hi!
Toller Artikel – und so wahr! Ich hatte ihn gestern Morgen gelesen – und da meine Frau und ich sowieso grosse Freunde des Selbermachens sind, sind wir dann gestern auch gleich los gezogen und haben uns einen Traum erfüllt, und uns einen Kleingarten gekauft. Endlich haben wir die Möglichkeit Obst und Gemüse selbst anzubauen. Nicht Quatschen – Machen!
Danke für den Blogpost und bis bald – Sven (vegan-ist-tierisch-gut.blogspot.de)
Daniel Roth
Hi Sven, toll – ein Kleingarten! Unsere Selbstversorgung beschränkt sich auf ein paar Kräuter auf dem Balkon und manchmal ziehen wir Kresse oder sonstige Sprossen. Ein kleiner Gemüsegarten ist ein Traum. Ich wünsche euch viel Spaß beim Gärtnern!
Sven
Hallo Daniel,
wir freuen uns schon riesig auf das Gärtnern. Wir haben ein kleines Haus, das hat allerdings keinen Garten – nur eine Terrasse und die Fläche, auf der unsere Minischweine leben. Das ist aber von der Lage alles so ungünstig, da kann man sich drehen und wenden wie man will – ein Selbstversorgergarten wird das nie. Um so mehr freuen wir uns auf den Garten – der hat dann 400 qm und ist herrlich angelegt. Wir müssen noch sechs Monate darauf warten (die Mühlen in Deutschland mahlen langsam) – aber in der nächsten Saison geht es richtig los 😉
Gruss – Sven
Daniel Roth
Wow, 400qm! Freue mich für euch und wünsche euch viel Spaß und tolle Selbstversorger-Erlebnisse damit!
Conny
Hallo Daniel,
vielen Dank für diesen super Artikel, er spricht mir aus dem Herzen.
Wenn man dies für sich entdeckt, kann das Leben auch mit den einfachsten
Dingen schön sein.
LG
Conny
Daniel Roth
Hi Conny, sehr gerne – es freut mich, dass dir der Artikel gefällt. Ich denke manchmal sogar, dass das Leben nicht „trotz“ der Reduktion auf die einfachen Dinge schön sein kann, sondern dass es NUR auf diese Weise wirklich schön sein kann. Darüber kann man wahrscheinlich streiten, aber es ist eine Einsicht, die sich in mir so langsam formt.
Liebe Grüße, Daniel
Gene
Echt wahr!
Gabi
Hallo Daniel!
Du hast es auf den Punkt gebracht! Bei uns in Österreich ist dieser Hype bei den Schisportlern zu beobachten. Ich glaube, bis zu einem gewissen Maß wird das auch gezielt gesteuert: moderne Gladiatoren, Brot und Spiele. Es ist z. B. die Hölle los, wenn ein Österreicher die Abfahrt auf der Streif gewinnt, da fühlt sich gleich eine ganze Nation im alkoholseligen Siegesrausch.
Mich interessiert das alles nicht, für mich sind die wahren Helden diejenigen, die aus eigener Kraft ihr Leben meistern, für andere da sind und im Stillen große Leistungen bringen.
Liebe Grüße
Gabi
Gabi
Hallo Namensschwester,
Was du zum Schluss schreibst, kann ich nur unterstreichen !
liebenGruss von D nach A 🙂
Gabi
Daniel Roth
Hi Gabi, schön gesagt! Wobei ich die Sportler überhaupt nicht verteufele – ganz im Gegenteil! Sie können uns schließlich ein Vorbild sein, weil sie hart für ihre Träume arbeiten und uns damit inspirieren, es auch zu tun. Das Problem liegt in uns selbst, wenn wir aus dieser Inspiration nichts machen.
LG, Daniel
Gabi
Du hast recht, Daniel! Ich bewundere jeden einzelnen Sportler, der hart und fair trainiert, sein Ziel erreicht und uns allen damit ein Vorbild ist. Viele sind auch menschlich total super und inspirierend. Das ganze Showbusiness drumherum ist mir halt oft ein bissl zu viel.
LG an dich, an Gabi aus D und an alle, die das Beste aus sich herausholen!
Maxi Dorgathen
Ein sehr guter Beitrag, die Betrachtungsweise der Dinge einfach und klar darzustellen.
Leider ist noch die Allgemeinheit außengesteuert, dennoch freue ich mich, dass solche Beiträge immer mehr Zustimmung finden. Danke für Euer Schaffenskraft.
Gabi
Hallo ,
ich habe heute einen Film über Terry Fox gesehen, angeregt durch einen Klick bei einem Eurer Berichte, das hat mich richtig erschüttert, dass er so jung gestorben ist; er besaß ja wohl auch sehr viel Kreativität und die Kraft soviele Marathons hintereinander zu laufen- um den Krebskranken zu helfen.Heute jährt sich übrigens das erzwungene Ende seines Laufes zum 34. mal.!
lg
Gabi
Daniel Roth
Hi Gabi, ja die Geschichte von Terry Fox ist sehr bewegend. Sich in seiner Situation aufzuraffen und so eine körperliche Leistung zu vollbringen, dazu braucht man schon einen sehr starken Willen. Aber so hat sich auf seine Weise unsterblich gemacht und etwas hinterlassen, das noch mehr als 30 Jahre nach seinem Tod die Menschen inspiriert.