Kennst du dieses Gefühl, wenn du plötzlich feststellst, dass du dein großes Ziel aus den Augen verloren hast?
Es ist gar nicht lange her, da warst du noch Feuer und Flamme. Du wusstest, dass du es diesmal schaffen würdest: Die alte Bestzeit pulverisieren. Eine schlechte Gewohnheit ein für alle Mal hinter dir lassen. Oder sogar ein ganz neuer Mensch werden.
Am Anfang warst du so richtig motiviert und es ist dir ganz leicht gefallen, die Dinge zu tun, die dich deinem Ziel Stück für Stück näher gebracht haben. Irgendwann bist du dann auf die ersten Schwierigkeiten gestoßen. Das Leben ist dir dazwischen gekommen, und du hast mal einen oder auch zwei Tage überhaupt nicht mehr an dein Ziel gedacht.
Und dann war er plötzlich da, der Moment der Erkenntnis: Es ist vorbei. Das Feuer brennt nicht mehr.
Schon wieder.
Die ewige Wahrheit über Ziele
Ich habe in meinem Leben schon jede Menge Ziele verfolgt, und viele davon irgendwann wieder aus den Augen verloren.
Das erste Ziel, an das ich mich erinnern kann, war der Aufbau einer Unterwasser-Walbeobachtungsstation zusammen mit meinem Schulfreund Michael. Auch wenn wir in der Planungsphase nie über ein paar Buntstiftzeichnungen hinaus gekommen sind, bin ich immer noch ein bisschen stolz auf dieses Ziel: Es zeigt ja, dass ich schon früh den Mut hatte, groß zu denken!
Ein Blick zurück auf Folge 179 des beVegt-Podcast offenbart weitere Ziele, die mir zum damaligen Zeitpunkt wichtig erschienen waren:
- einen Roman schreiben (zählt auch ein Sachbuch?)
- mit der Mundharmonika in einer Bluesband spielen (aus den Augen verloren)
- eine Fernwanderung durch die Wildnis machen (klingt immer noch reizvoll)
- ein nützliches Computerprogramm schreiben (wird nicht mehr passieren)
- im Taunus unter freiem Himmel übernachten (geplant für 2022)
- ein 10-tägiges Meditations-Seminar besuchen (steht noch auf dem Zettel)
- einen Ironman finishen (hab mich immer noch nicht für den Schwimmkurs angemeldet)
Und dann habe ich in besagter Podcast-Folge noch über ein weiteres Ziel gesprochen, das mich seit vielen Jahren begleitet. Es eignet sich perfekt, um eine ewige Wahrheit zu veranschaulichen:
Ziele kommen und gehen. Und manchmal kommen (und gehen, und kommen) sie immer und immer wieder.
Das Ziel, von dem ich spreche, ist die Qualifikation für den Boston Marathon.
Der Boston Marathon
Der Boston Marathon nimmt aus verschiedenen Gründen einen besonderen Platz in Katrins und in meinem Leben ein. Man kann bei diesem Marathon nicht einfach so mitlaufen, sondern muss sich zuerst (im Rahmen eines anderen Marathons) dafür qualifizieren.
Nach einigen erfolglosen Versuchen haben wir das in 2011 zum ersten Mal geschafft. Im April 2013 standen wir dann voller Aufregung und Stolz an der berühmten Startlinie in Hopkinton, exakt 42,195 Kilometer entfernt vor der ebenso berühmten Ziellinie auf der Boylston Street in Boston.
Kurz nachdem wir uns einige Stunden später in der wuseligen “Meet-and-Greet-Area” wiedergefunden hatten, detonierten auf der Zielgeraden zwei Bomben. Sie rissen drei junge Menschen in den Tod und hinterließen bei vielen anderen körperliche und seelische Narben.
Wir hatten an diesem Tag großes Glück, denn obwohl wir die Explosionen hörten, mussten wir nichts von dem Leid miterleben, das sie angerichtet haben. Trotzdem war uns schon nach wenigen Tagen klar, dass wir irgendwann noch einmal zurückkehren mussten, um mit dem Boston Marathon unseren Frieden zu schließen.
Die innere Stimme
Und dieses “Irgendwann” rückte von Jahr zu Jahr in weitere Ferne. Während Katrin bei jedem Marathon, den sie seitdem gelaufen ist, ihre “BQ” schaffte (so wird die Qualifikation für den Boston Marathon im Läuferslang genannt), waren meine Ergebnisse wechselhafter.
Wenn es mal für mich klappte, passte die Reise nach Boston gerade nicht in unsere Planung. In anderen Jahren machten mir Verletzungen, eine schlechte Tagesform oder zuletzt eine weltweite Pandemie einen Strich durch die Rechnung.
In diesem Auf und Ab verlor ich das Ziel “Rückkehr zum Boston Marathon” immer wieder aus den Augen. Aber mit der gleichen Zuverlässigkeit schlich es sich nach einiger Zeit immer wieder zurück in meinen Kopf.
Wie zum Beispiel vor vier Wochen, als sich eine innere Stimme meldete, während ich nichts ahnend auf meinem Meditationskissen saß: “Hey, in 2023 ist es ja schon ganze zehn Jahre her, dass ich mit Katrin in Boston war. Zehn Jahre später noch einmal qualifizieren und gemeinsam dorthin zurückkehren. Das hätte doch etwas Symbolisches!”
Und seitdem brennt das Feuer wieder in mir.
Was du tun kannst, um zurück auf deinen Weg zu finden
Womit wir wieder beim eigentlichen Thema dieses Beitrags wären: Den großen Zielen, die man aus den Augen verliert. Wie du damit umgehen kannst, wenn das passiert. Und was du tun kannst, um das Ruder herumzureißen und wieder zurück auf deinen Weg zu finden.
Hier sind fünf Dinge, die ich aus meinen bisherigen Erfahrungen darüber gelernt habe. Ich hoffe, dass sie dir genauso helfen wie mir!
#1 Akzeptiere, dass nicht immer alles nach Plan läuft
Seit ich regelmäßig meditiere weiß ich, dass die Veränderung die einzige Konstante in unserem Leben ist. Je heftiger wir uns dagegen wehren, dass die Dinge anders laufen als wir es uns wünschen, desto härter wird es für uns.
Wenn du dein Ziel aus den Augen verloren hast, dann ist das also kein Grund, dich selbst zu zerfleischen. Es ist ganz normal, dass so etwas passiert. Es ist sogar normal, wenn es immer und immer wieder passiert (siehe meine Geschichte mit dem Boston Marathon).
Definiere dich also nicht darüber, ob du deine Ziele immer gleich auf Anhieb erreichst oder nicht. Definiere dich stattdessen darüber, wie du reagierst, wenn du einmal “gescheitert” bist. Stehst du wieder auf und nimmst den nächsten Anlauf? Das ist alles, worauf es ankommt.
#2 Formuliere dein Ziel so konkret wie möglich
Manchmal verlieren Ziele an Klarheit, nachdem wir sie mehrfach aus den Augen verloren haben.
Vielleicht bist du vor ein paar Jahren voller Elan in die Vorbereitung auf deinen ersten Halbmarathon gestartet, und dann hat dich eine Verletzung aus der Bahn geworfen. Inzwischen ist nur noch die vage Erkenntnis übrig geblieben, dass du endlich mal wieder Sport machen solltest. Und das klingt nicht wirklich inspirierend, oder?
Wenn das Feuer langsam wieder zu knistern beginnt, dann solltest du deshalb die Gelegenheit beim Schopf packen und dein Ziel nochmal möglichst konkret formulieren: Was möchtest du erreichen, und was wirst du ab sofort tun, um dorthin zu kommen?
Mach dein Ziel zu etwas, das ein Kribbeln in deiner Magengegend auslöst. Setz dir eine klare Deadline, bis wann du es erreichen wirst. Und dann mach den ersten Schritt!
#3 Führe dir deine Motivation vor Augen
Mit unserem Ziel verblasst häufig auch die Erinnerung daran, warum es uns überhaupt einmal wichtig gewesen ist.
Warum will ich eigentlich noch ein zweites Mal beim Boston Marathon starten? Was habe ich in dem Moment gefühlt, als ich dieses Ziel im Sommer 2013 zum ersten Mal formuliert habe?
Damals war die Erinnerung an eine Stadt im Marathonfieber noch ganz frisch. An das Gefühl des Stolzes, als ich mit tausenden anderen Läufer:innen im Startblock stand. Als einer von wenigen hier sein zu dürfen, weil ich mir dieses Privileg durch Disziplin und Trainingsfleiß erarbeitet hatte. Und dann die Explosionen, die Wut, die Traurigkeit und die Erkenntnis, dass das noch nicht das Ende unserer Boston-Geschichte gewesen sein darf.
Ich merke beim Schreiben dieser Zeilen, wie meine Motivation und Entschlossenheit noch einmal stärker geworden sind.
Wenn ein aus den Augen verlorenes Ziel wieder bei dir anklopft, dann mach es wie ich und erinnere dich daran, was dich damals so daran begeistert hat. Warum willst du es erreichen? Wenn du diese Frage beantwortest, dann wird aus einem knisternden Feuer ein loderndes.
#4 Lerne aus der Vergangenheit
Ein Ziel nicht zu erreichen ist nicht schön, aber wir können aus diesen Erfahrungen immer etwas lernen. Wenn die Motivation wieder da ist, solltest du dich deshalb trotz aller Begeisterung nicht blind an die Arbeit machen.
Denke stattdessen darüber nach, was dich in der Vergangenheit von deinem Weg abgebracht hat: Welchen Schwierigkeiten bist du damals begegnet? Hast du Fehler gemacht, die du diesmal vermeiden kannst?
Ich weiß zum Beispiel, dass es für mich in der Marathonvorbereitung vor allem darum geht, unverletzt zu bleiben. Das bedeutet, dass ich den Umfang und die Intensität meines Trainings behutsam steigern muss, und auch das Ergänzungstraining nicht vernachlässigen darf.
Außerdem werde ich mich diesmal mental besser auf den Wettkampf einstellen, indem ich mir nach der täglichen Meditation meinen erfolgreichen Zieleinlauf vor Augen führe, und so über mein Ziel denke und spreche, als hätte ich es bereits erreicht.
#5 Fang klein an und bleib dran
Du hast dein Ziel neu formuliert, du kennst dein “Warum” und weißt, was du diesmal anders machen willst als beim letzten Versuch. Prima!
Und jetzt?
Jetzt machst du den ersten Schritt. Und der darf ruhig ganz klein sein. Das Wichtigste ist, dass die Richtung stimmt.
Wenn ich mir meine Liste der aus den Augen verlorenen Ziele anschaue, dann kann ich dort ein Muster erkennen: Entweder habe ich diese Ziele erst gar nicht in Angriff genommen, oder ich habe sie nur halbherzig verfolgt und bin nicht lange genug drangeblieben, um echte Erfolge zu erzielen.
Vielleicht hast du beim Blick in die Vergangenheit ein ähnliches Muster entdeckt. Dann bleibt mir nur, dir zum Schluss noch einmal das einfachste und wichtigste aller Erfolgsgeheimnisse mit auf den Weg zu geben:
Fang (klein) an. Und bleib dran, bis du dein Ziel erreicht hast.
PS: Welche Ziele möchtest du im nächsten Jahr erreichen? Ich bin gespannt und freue mich auf deinen Kommentar!
Erner,Marie-Luise
Lieber Daniel, das ist ein schöer Artikel. Ich lese seit einiger Zeit eure Beiträge, obwohl ich gar keine Läuferin bin, sondern Line Dancerin. Und jung bin ich auch nicht, aber an vegetarisch/veganer Nahrung interessiert. Ich habe es im letzten Jahr geschafft – endlich!! – jeden Tag oder jeden zweiten – zu schreiben. Ich möchte als Nächstes – was ich auch schon ewig will – ein Buch schreiben und veröffentlichen. Deshalb habe ich mir vorgenommen, jeden Tag einen Text zu überarbeiten – oder jeden zweiten Tag. Ich bin gespannt, ob es mir gelingt. Viele Grüße und vielen Dank für eure vielen Ideen. Marie-Luise Erner
Daniel Roth
Schön dass du uns entdeckt hast, und ein schönes Ziel hast du dir da vorgenommen. Ich drücke dir die Daumen, dass es für dich klappt mit dem Buch! 🙂
Nicole
Hallo Daniel, das ist mal wieder ein sehr gelungener Artikel. Ich lasse mich immer gerne von so motivierten Menschen, wie ihr beide es seid, inspirieren.
Zum ersten möchte ich nächstes Jahr den Camino Frances pilgern. Und im Oktober meinen ersten Marathon laufen. Also, Ziele sind gesteckt.
Wünsche euch schöne Weihnachtstage, kommt gut in’s neue Jahr und bleibt gesund! Liebe Grüße Nicole
Daniel Roth
Liebe Nicole, das sind tolle Ziele, die du dir da vorgenommen hast. Auch für dich schöne Feiertage und alles Gute fürs neue Jahr!
Linda
Hi Daniel, bei mir sind auch Ziele wg. der Pandemie geplatzt. Z. B. Wenigstens eine Woche Camino laufen. Zwecks Kindern so kurz. 1 Woche Metime is schon viel. Das is so ein Ziel, wo ich Mut brauchte, Flug war gebucht, dann C19. Mittlerweile seit Ewigkeiten verletzt. Und wird sich noch halbes Jahr hinziehen. Das macht es spannend, was wohl Fußtechnisch wieder gehen wird. Das an neue Ziele denken, upgraden oder doch groß denken machts tricky. Es ist aber „schön“( falsches Wort…), dass ihr auch unerfüllte Laufziele habt. Was ich auf jeden Fall mitnehme und empfehlen kann: kleine Ziele. Die können gut geschafft werden. Und man ist flexibler im Umdenken. Allen viel Glück mit Ihren Zielen. Mein Endgegner: Stabitraining.
Daniel Roth
Hi Linda, das tut mir Leid, dass bei dir so der Wurm drin war bzw. ist. Dann kann es nächstes Jahr aber eigentlich nur besser werden, oder? Und noch ein Tipp für deinen Endgegner: „Regelmäßig Stabitraining machen“ ist zu schwammig. Wie wäre es stattdessen mit „bis zum [Datum] 5 Liegestütz und 60 Sekunden Frontstütz schaffen“? 😉
Sara
Hallo Daniel, vielen Dank für den tollen Artikel.
Ich laufe seit Februar 2021 und mein Ziel war 10km bis Jahresende zu schaffen. Habe Silvester meinen ersten 10km Lauf in 1:01:27 beim Kölner Silvesterlauf gefinished.
Meine Ziele für 2022 sind:
– am regelmäßigen Training dran bleiben (Laufen und Yoga)
– den nächsten Silvesterlauf in unter 60 Minuten schaffen
– meine Ausbildung zur Ernährungsberaterin abschließen
– mit einer Freundin Yoga-Urlaub machen
Ich wünsche euch einen guten Start ins neue Jahr und dass ihr eure Ziele fokussiert verfolgen könnt. Und wenn man mal eins verliert, auch nicht schlimm. Wenn es wichtig ist, taucht es irgendwann wieder auf.
Viele Grüße
Sara
Daniel Roth
Hallo Sara, herzlichen Glückwunsch zum Finish beim Silvesterlauf! Toll dass du dein 10km-Ziel gleich in deinem ersten Laufjahr erreicht hast. Und die Zeit ist super!
Auch für dich alles Gute im neuen Jahr, und viel Spaß bei der Umsetzung deiner Ziele 🙂
Laura T.
Hallo Daniel,
ich habe noch nie ein Ziel aus den Augen verloren und aufgeben ist keine Option für mich. Sobald ich mir ein Ziel gesetzt habe ziehe ich es durch, weil das Gefühl des Erfolgs großartig ist. Meine Ziele werden immer sofort in Angriff genommen und warte keine 72 Stunden und auch nicht bis Neujahr. Mein aktuelles Ziel z.B. habe ich im Monat August letztes Jahr durchgestartet und bleibe konsequent am Ball. In 170 Tagen habe ich enorme Fortschritte gemacht und kann es kaum erwarten ans Ziel zu gelangen. Übrigens ist das eine schöne Seite.
Ich möchte allen Lesern damit Mut zusprechen und sagen, dass was ich schaffe, das schaffen sie auch.
In diesem Sinne bleibe gesund.
Daniel Roth
Hallo Laura, wow – mit deiner Zielstrebigkeit gehörst du ganz sicher zu einer kleinen Minderheit 🙂 Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg und … ganz wichtig … Spaß beim Verfolgen deiner Ziele!