Die Veggie-Sportler-Szene ist bunt – deshalb wollen wir euch hier auf beVegt immer mal wieder Sportler und Sportlerinnen vorstellen, die uns besonders beeindrucken.
Nachdem wir im März mit Mark Hofmann über sein Projekt „Laufen gegen Leiden“ gesprochen haben geht es heute weiter mit Björn Esser, der gleich in fünf Subkulturen zuhause ist: er ist Veganer, Triathlet, Blogger, Sänger in einer Hardcorepunk-Band – und Grundschullehrer!
beVegt: Hallo Björn, du bezeichnest dich auf deinem Blog selbst als VGNSXETriathlete. Mit dem VGN und dem Triathlete können wir etwas anfangen, aber das SXE musst du uns erklären!
Björn: Hallo Daniel, hallo Katrin! Das SXE steht für Straight Edge – eine aus dem Punkrock der frühen achtziger Jahre entstandene Jugendsubkultur, die grundlegend den Konsum von harten sowie weichen Drogen ablehnt. Daraus ist ebenfalls eine Art Szene entstanden. Ich habe das eingeschlossen, weil es ebenfalls ein Teil von mir ist und ich aktiv in dieser Szene bin. Ich besuche und organisiere Konzerte, spiele in einer Band und beteilige mich in einem Verein, der mittellose Menschen unterstützt und sich rein aus Personen der Hardcorepunk-Szene gründete.
Eigentlich liegt dem Hardcorepunk ja in gewisser Form Gesellschaftskritik zugrunde. Diese wurde meist durch weitere politische oder philosphische Einstellungen erweitert, vor allem auch durch die Straight Edge Bewegung/Philosphie. Ohne den Kontakt zur HCPunkszene wäre ich vor über 15 Jahren vielleicht nicht vegan geworden.
Achso … meine Band (eine SXE Band) kann man auf der Seite stereokiller.com hören!
beVegt: Neben der Musik ist der Triathlon deine zweite Leidenschaft. Außerdem kann man dich auch hin und wieder dabei beobachten, wie du steile Wände hochkletterst. Was bedeutet der Sport für dich?
Björn: Ich brauche Sport mittlerweile jeden Tag. Es gibt nur wenige Tage, an denen ich die Füße wirklich komplett still halte. Ich projiziere da soviel rein. Mittlerweile habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich meinen Körper mal einen Tag nicht fordere. Es ist wie eine Sucht, aber eine positive, denn ich genieße den Sport an der frischen Luft, aber auch mit Freunden und den Fortschritt der eigenen Leistung.
Das Klettern ist nochmal so ein anderer Ausgleich, da ich darin nicht wirklich gut bin und das einfach nur zum Spaß mache. Es ist insofern anders, als dass man sich an der Wand wirklich nur auf das Klettern konzentrieren kann, wogegen ich beim Laufen öfters noch an Projekte oder andere Dinge, die mir grad so im Kopf schweben, denke.
beVegt: Du bist Lehrer an einer Grundschule – sprichst du auch mit deinen Schülern über die Dinge, die dich persönlich bewegen?
Björn: Ja klar. Ich bin Klassenlehrer an einer Grundschule und da kann man seine Persönlichkeit schon komplett mit einbringen. Das macht den Beruf auch so interessant. Allerdings wollten meine Kinder immer viel wissen, da sie sehen, dass ich schon bewusster lebe, als z.B. ihre Eltern. Ich habe den Kindern stark zuckerhaltige Getränke ausgetrieben, die Brote sind nun vollwertiger, einige gehen nach einem Schulbesuch eines Bioladens nun dort ab und an einkaufen und zwei Kinder meiner Klasse sind jetzt Vegetarier.
Außerdem nimmt meine halbe Klasse am Herner Grundschultriathlon teil und es haben 24 von 30 Kindern ein Ausdauerlaufabzeichen erreicht. Sie tragen schon meine Handschrift, aber ich habe nie gedrängt, sondern versuche als Vorbild zu fungieren. Im Grunde ist das ja auch die wichtigste Aufgabe in meinem Beruf. Aus den Kindern interessierte, aufgeschlossene und reflektionsfähige Menschen zu machen. Vieles lernen sie in ihrem familiären Umfeld halt nicht kennen und ich versuche ihnen dahingehend neue Eindrücke und Einstellungen zu zeigen.
beVegt: Als veganer Leistungssportler bist du in den Augen vieler etwas, was es eigentlich gar nicht geben kann. Kannst du uns beschreiben, was bei dir an einem typischen Tag auf dem Teller landet?
Björn: Ich beginne morgens meistens mit einem großen Glas Sojamilch, Traubensaft, Weizenkeimen und Macapulver*. In der Schule esse ich dann sehr viel frisches Obst, Orangen, Bananen, Äpfel, Brot, Müsli oder auch so Babyhaferbrei mit Sojamilch, Obst und Müsli.
Zu Mittag dann meist etwas Kohlenhydrathaltiges mit Gemüse, also beispielsweise Nudeln mit geschmortem Gemüse, wobei ich allerdings darauf achte, dass es möglichst vollwertig ist. Also Weizenkeime hinzufügen, Vollkornnudeln benutzen. Gequollener Quinoa oder Leinsamen dazu und wenn möglich ein grünes Blattgemüse.
Nach dem Sport achte ich dann auf mehr Proteine, also Sojamilch, eventuell einen Proteinshake, Tofu angebraten. Als Getränk während des Sports habe ich folgendes erfolgreich getestet: 2/3 Fruchtsaft (z.B. direkt gepresster Traubensaft), 1/3 Mineralwasser, 1 Schuss Zimt, 1 Schuss Ingwerpulver, ne gute Prise Salz und etwas Agavendicksaft. Das gibt viel Energie.
beVegt: Bei Wettkämpfen stellst du Veggie-Teams auf die Beine und vor einiger Zeit hast du mit Peta und dem Online-Shop alles-vegetarisch.de* [Anmerkung: heute Vantastic Foods] Funktionsshirts mit dem Aufdruck “Veggie Athletes” produziert. Siehst du den Sport als eine Möglichkeit, für die vegetarische bzw. vegane Lebensweise zu werben?
Björn: Ja, defintiv! Das soll Werbung für den Veggielifestyle sein. Es ist einfach ein Totschlagargument, denn viele Menschen schaffen es nicht einen Marathon zu laufen oder einen Mittel- oder Langdistanztriathlon. Es soll zeigen, dass Veggie-Lifestyle, Gesundheit und Fitness sehr gut zusammen passen.
beVegt: Die Band, in der du singst, heißt “Get it Done” – was man mit “Mach es einfach” oder “Bring’s hinter dich” übersetzen könnte. Was würdest du jemandem raten, der gerne einen Schritt machen würde – der z.B. von einem Marathon träumt oder weniger tierische Lebensmittel essen möchte – aber noch zögert?
Björn: Das Zögern ist halt wirklich meist schon das Problem. Wenn du einen Marathon machen willst, dann melde dich einfach an und stell dir einen Trainingsplan zusammen. Also ja „brings hinter dich“ und laber nicht nur. Wobei es auch wichtig ist, das seinen Freunden mitzuteilen, damit diese auch deine Ziele noch verstärken können und anstacheln. Es fängt auch im kleineren an. Wenn du anfangen willst zu laufen, dann melde dich für ein Rennen über 5 oder 10km an, denn dann musst du mindestens 2 mal in der Woche, besser 3 mal trainieren.
Weniger tierische Produkte … hm … man könnte immer etwas weglassen, also erst Milch, dann Milch und Ei … aber am besten ist einfach man sagt, man ist vegan und das wars dann mit Tierprodukten. Ganz oder gar nicht. Klare Linie, konsequent bleiben und fertig.
beVegt: Björn, vielen Dank für das Interview!
Björn: Vielen Dank euch beiden!
Neugierig geworden? Get It Done! findet ihr auf Facebook und auf stereokiller.com. Und schaut auch mal auf Björns Blog VeganSXETriathlete vorbei!
Zum Weiterlesen: motivierende Sportler im Interview
- Rich Roll und Julie Piatt im Interview: Wenn du die Welt verändern willst, verändere dich selbst
- Leo Babauta im Interview: „Alles, was wir zum Glücklichsein brauchen, finden wir in uns selbst.“
- Von der Couchpotato zur Halbmarathonfinisherin: Interview mit Judith Riemer von veganmarathon
- Matt Frazier von No Meat Athlete
- Vegane Deutschlandquerung im Laufschritt – Interview mit dem Ultraläufer Björn Richter
Mausflaus
so nen coolen lehrer hätte ich haben wollen!
Daniel
Hehe, so siehts mal aus! Was aus uns hätte werden können… 😉
Katrin
Mausflaus – genau das war auch mein erster Gedanke 🙂
Michaela
meiner auch 🙂
Schönes Interview!
Deepeis
Interessant zu lesen, dass man mit veganer Lebensweise ohne weiteres Ausdauersport auf hohem Niveau betreiben kann. Allerdings empfinde ich es als gefährlich Kinder im Grundschulalter an eine vegane Lebensweise heran zu führen. Tierische Eiweiße sind für die Entwicklung von Kindern wichtig und sollten nicht komplett aus dem Ernährungsplan gestrichen werden.
My 2 Cents.
D.
Daniel
Hallo D., vielen Dank für deinen Kommentar!
Hast du einen wissenschaftlichen Beleg für deine Aussage, dass Kinder tierische Eiweiße brauchen? In pflanzlichen Lebensmitteln sind nachweislich alle essenziellen Aminosäuren enthalten – mit dem nötigen Grundlagenwissen ist es ohne weiteres möglich, den Eiweißbedarf auch eines Kindes mit veganer Ernährung zu decken.
Jede Ernährungsweise hat ihre „Problem-Nährstoffe“ – wer nur Pflanzen isst muss z.B. besonders auf B12, Calcium und Eisen achten, ein Durchschnitts-Mischköstler nimmt dagegen häufig zu wenige Ballaststoffe und Omega-3-Fettsäuren auf. Beide KÖNNEN ihren Nährstoffbedarf jedoch problemlos mit ihrer Ernährung decken, wenn sie sich schlau machen und ihren Speiseplan bewusst zusammenstellen. Es gibt vegane Bodybuilder, deren Eiweißbedarf mit Sicherheit um ein Vielfaches über dem von (Klein-)Kindern liegt. Die Logik hinter deiner Behauptung erschließt sich mir daher nicht.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: ich stimme dir vollkommen zu, dass Eltern eine besondere Verantwortung haben wenn es um die Ernährung ihrer Kinder geht und es ist schlimm zu hören, wenn Kinder unter der esoterischen Ernährungs-Philosophie ihrer Eltern leiden (diese Geschichten tauchen ja regelmäßig in den Medien auf). Das sind aber Ausnahmefälle, die genauso auch in omnivoren Familien vorkommen: siehe die vielen, vielen übergewichtigen/fettleibigen/diabetischen Kinder im Grundschulalter, die es mittlerweile gibt.
Die Veganer, die ich bislang kennengelernt habe, sind allesamt sehr vernünftige Menschen mit einem überdurchschnittlichen Ernährungswissen. Wir wissen, worauf wir bei unserer Lebensmittelauswahl achten müssen und erfahren täglich am eigenen Leib, dass eine rein pflanzliche Ernährung uns alle Nährstoffe bietet, die wir brauchen. Ich selbst lebe z.B. seit knapp 2 Jahren vegan und habe als Veganer neue Bestzeiten über 15km (57:40), 21,1 km (1:21:53) und 42,2 km (2:59:49) aufgestellt. Ich bin natürlich nicht so naiv zu behaupten, dass ich das nur wegen meiner Ernährungsweise geschafft habe, aber gebremst haben mich die ganzen Pflanzen jedenfalls auch nicht 😉
Viele Grüße,
Daniel
Björn
1. Habe ich keine Kinder zum Veganismus versucht zu bekehren, sondern ich gebe ihnen die Möglichkeit dies einfach mal kennen zu lernen und gewisse Dinge auszuprobieren. Ich freue mich über jedes Kind, dass versucht sich vegetarisch zu ernähren. Von meinen Grundschulkindern ist keines vegan.
2. Das mit den tierischen Eiweißen sehe ich ebenfalls kritisch. Kinder brauchen kein tierisches Eiweiß, sondern Kalzium in höherem als der Körper es selbst produziert (bei Erwachsenen produziert das allerdings der Körper selbst, es sei denn wir gewöhnen ihn dran das mit der Nahrung – Milchprodukte- aufzunehmen). Früher wurden Kinder bis zum Alter von 2-3 Jahren gestillt, teilweise noch viel länger (allerdings weniger regelmäßig, aber wirklich noch mit 7-9 Jahren). Die Muttermilch ist für Kinder die beste Kalzium und Eiweißquelle. Da natürlich nicht jede Frau Lust hat ihr Kind so lange zu stillen (wohl verständlich) könnte man wohl diese Zeit mit tierischem Kalzium überbrücken. Meine Tochter ist nicht vollständig vegan und war es zu diesem Zeitpunkt auch nicht, deswegen habe ich ich damit nicht eingehend beschäftigt, aber ich kenne Leute, die ihre Kinder auch im Grundschulalter vegan ernähren und es treten keinerlei Mängel bei den Kids auf. Die wurden allerdings -für heutige Verhältnisse- auch sehr lange gestillt.
3. Wie Daniel schrieb könnte Vitamin B12 ein Problem darstellen, welches durch kontrollierte Supplementierung (evtl. Blut checken lassen) allerdings locker in den Griff zu kriegen ist. Mein Wert war nach 14 Jahren Veganismus ohne vernünftige Supplementierung arg tief und nun ergänze ich B12. Evtl. hätte ich früher da besser drauf aufpassen müssen.
Gruß
Björn
lisa
Hallo.
Ich wollte einfach mal von meinen persönlichen Erfahrungen zu diesem Thema berichten. Ich habe mich, als ich 11 Jahre alt war entschieden vegetarisch zu essen, mit 17, also vor 6 Jahren entschied ich mich für die vegane Lebensweise. Ich bin zwar keine Leistungssportlerin, aber ich bin Mutter eines zweijährigen Sohnes. Ich habe mich auch in der Schwangerschaft vegan ernährt und mein Sohn isst ebenfalls keine Tierprodukte, die gibt es bei uns halt nicht. Ich werde es ihm nicht verbieten, wenn er später entscheidet anders zu leben, aber im Moment ist ihm das noch egal ;). Ich hatte während der Schwangerschaft, immer top Blutwerte, die werden dann ja eh regelmäßig kontrolliert, meiner Hebamme war fast ein bisschen langweilig fürchte ich, ich hatte noch nicht einmal einen Eisenmangel, der in fast jeder Schwangerschaft irgendwann mal auftritt.
Auch mein Sohn ist kerngesund (meine Wahrnehmung) und auch unser Kinderarzt bestätigt dies (U-Untersuchungen und Blutbild). Es ist also, wenn man sich mit der Ernährung auseinandersetzt und bereit ist ein bisschen mehr zu machen (Babybrei selbst zubereiten z.B) überhaupt kein Problem auch Babys und Kleinkinder schon vegan zu ernähren.
Wir sind im übrigen kein Einzelfall, in meinem Bekanntenkreis gibt es mittlerweile mehrere vegane Babys und Kleinkinder. Es geht allen wirklich gut und dies bestätigen auch diverse Ärzte.
Einen schönen Nachmittag und Abend
lisa
Daniel
Hallo Lisa, vielen Dank für deinen Kommentar! Das ist ja ein schwieriges Thema für vegan lebende Eltern und es ist toll, wenn jemand seine Erfahrungen damit schildert!
Liebe Grüße
Daniel
sunny
Cooles Interview, meine Lehrer waren damals ein wenig anders^^
Lena
Cooles Interview. Verfolge auch den Blog von Björn und es gab mal einen interessanten Podcast, wo er interviewt wurde.
So einen Lehrer hätte ich auch gern gehabt!
Ich hätte sooo gerne die Laufshirts von alles-vegetarisch/Peta2, aber leider sind die ausverkauft :/
Sarah
Tolles Interview – ich hätte gerne in meiner gesamten Schulzeit mehr über vernünftige Ernährung gehört, sowas gab es irgendwie nie und ich denke zwar, dass die Eltern hier einen Großteil beitragen, aber leider oft auch nicht so die Ahnung haben =/
Band wird nachher zu Hause mal angehört, sollte ja in meinen Musikbereich fallen 🙂