Einmal quer durch Deutschland … in nur zwei Wochen … zu Fuß! Das hört sich nach einem ziemlich aberwitzigen Plan an.
Björn Richter hat sich einen 6 Kilogramm schweren Rucksack auf den Rücken geschnallt und ihn in die Tat umgesetzt. Im Interview erzählt der vegane Ultraläufer, wie es ihm auf seinem Weg ergangen ist.
beVegt: Hallo Björn, du bist im Juli insgesamt 760 Kilometer vom westlichsten bis zum östlichsten Punkt Deutschlands gelaufen und hast dabei pro Tag durchschnittlich 50 Kilometer zurückgelegt. Wie kommt man auf so eine Idee?
Björn: Vor anderthalb Jahren las ich das Buch Hysterie des Körpers* von Joey Kelly. Während des Lesens fasste ich den Entschluss, auch einmal mehrere Tage nur mit einem Rucksack durch die Gegend zu laufen. So lief ich letztes Jahr mit insgesamt vier Übernachtungen 244 Kilometer weit von Wolfsburg nach Neumünster.
Wie sagt man so schön: „Da habe ich Blut geleckt“. Ich wollte mehr von diesen tollen Erlebnissen und Emotionen!
beVegt: Erzähl uns ein bisschen mehr über die Aktion: wo gings lang, wo hast du geschlafen, wie hast du dein Gepäck transportiert?
Björn: Zunächst suchte ich mir aus dem Internet den westlichsten und den östlichsten Extrempunkt Deutschlands heraus. Das ist im Westen Isenbruch und im Osten die Gemeinde Neißeaue. Da es von der Zugverbindung besser passte, startete ich in Susteren in den Niederlanden und lief nach Piensk in Polen.
Zur Streckenerstellung nutzte ich die Internetseite GPSies. Mein Ziel war, nicht allzu viel auf Asphalt zu laufen und trotzdem so ziemlich die kürzeste Route zu wählen. Die Strecke habe ich dann auf meinen Garmin Forerunner 310XT importiert. Alles in allem hat die Streckenerstellung ca. 4-5 Stunden gedauert.
Der erste Teil der Strecke, durch das Sauerland, war aufgrund der Berge der härteste Teil, aber auch der schönste. Wo ich unterkommen würde hatte ich vorher nicht geplant. Meist habe ich in Pensionen übernachtet – man glaubt gar nicht in welch kleinen Dörfern es die gibt.
Nur einmal musste ich 12 Kilometer weiter laufen als ich eigentlich wollte. Das war nach 50 Kilometern und etlichen Höhenmetern ganz schön heftig. Also: schnell eine Cola getrunken und weiter ging’s. Im „normalen“ Leben trinke ich dieses Zuckerwasser natürlich nicht, aber für den letzten Teil der Tagesetappen hatte die Cola eine wahnsinnig aufputschende Wirkung.
Als Gepäck hatte ich natürlich nur das Nötigste am Mann – mit aufgefüllten Getränkevorräten wog mein Rucksack nur etwa 6 Kilogramm. Und von dem minimalen Inhalt brauchte ich auch wirklich alles – bis auf den Regenschutz für meinen Rucksack und die Regenjacke, denn während der 15 Tage fiel kein einziger Tropfen Regen. So viel Glück muss man erst einmal haben!
beVegt: Du ernährst dich vegan. War das unterwegs ein Problem? Du hast ja täglich beim Laufen viele tausend Kalorien verbrannt…
Björn: Meine Ernährung machte mir im Vorfeld die größten Sorgen. Ich hatte Angst, unterwegs nicht genügend Essen zu bekommen. Vor allem wusste ich, dass ich mich zwingen musste, bei jeder erdenklichen Gelegenheit etwas zu essen, denn wenn ich in eine Kalorienschuld gekommen wäre, dann hätte mein Abenteuer schnell vorbei sein können. Gerade bei Belastung und Hitze hat man aber meistens keinen Hunger. Ich habe vor allem Obst, Nudeln, Nüsse und Salat gegessen.
Meine Bedenken waren glücklicherweise unbegründet, vor allem wegen der zahlreichen sehr hilfsbereiten Menschen, auf die ich getroffen bin. Mein schönstes Erlebnis hatte ich in einem Restaurant in Bad Tennstedt. Meine übliche Vorgehensweise bei der Übergabe der Speisekarte war es, diese höflich abzulehnen und im Gespräch etwas für mich zu finden. So auch diesmal. Der Wirt rief kurz in der Küche bei seiner Tochter und Frau an und empfahl mir anschließend als Gericht Tofu mit Reis in einer Minze-Ingwer-Soße. Ich traute meinen Ohren kaum: war ich in einem 5-Sterne-Restaurant? Nein, ich war in einem kleinen familienbetriebenen Restaurant.
Später ging ich in die Küche und erfuhr, dass die beiden schnell im Internet nach einem veganen Gericht recherchiert und flugs im benachbarten Supermarkt die Zutaten gekauft hatten. Wahnsinn! Zu guter Letzt kostete mich das Essen mit zwei Getränken gerade mal 15 Euro.
Man glaubt gar nicht welche netten Bewirtungen man in kleinen privaten Pensionen bekommt. Einmal bekam ich ein so opulentes Frühstück mit riesiger Auswahl, dass ich in den ersten drei Stunden danach kaum laufen konnte. Ein anderes Mal stand die Gastgeberin um fünf Uhr morgens mit auf, obwohl ich ihr öfters gesagt hatte, dass sie das nicht bräuchte. Von diesen kleinen Geschichten könnte ich noch etliche weitere erzählen.
Die Distanz meines Laufs stieß auf Erstaunen, doch meine vegane Ernährungsweise steigerte das Erstaunen noch einmal exponentiell. Gerade in den kleineren Dörfern konnte man an den Gesichtern einiges ablesen.
beVegt: Gab es auf dem Weg einen Moment, in dem du hinschmeißen wolltest? Wie hast du dich zum Weiterlaufen motiviert?
Björn: Ich hatte zu keinem Zeitpunkt des Laufes ernsthafte Zweifel daran, dass ich es schaffen würde. Die ersten zwei Tage waren aber mental die schwersten. Und die zweite Woche war einfacher als die erste.
Bis zum letzten Tag hatte ich jedoch ständig die Befürchtung, dass etwas Unvorhergesehenes, von mir nicht Beeinflussbares passieren könnte – beispielsweise ein Hundebiss oder eine ernsthafte Verletzung.
Auch wenn es sich jetzt etwas abgedroschen anhört, aber die Menschen haben mich motiviert! Die Menschen, die ich unterwegs kennen gelernt habe und die Freunde und Bekannten, die mich über Facebook unterstützten. Auch die Gewissheit, dass meine Freundin da ist, wenn ich nach Hause komme, motivierte mich in schwachen Momenten. Zudem die verschiedenen Landschaften, die Tiere und das Freiheitsgefühl.
beVegt: Wie viel Prozent einer solchen Leistung schafft man mit dem Körper, wieviel Prozent mit dem Kopf?
Björn: Puh, das ist schwer zu beantworten. Ich denke 30 Prozent Körper und 70 Prozent Kopf.
beVegt: Man hört ja oft, dass man durch Grenzerfahrungen immer auch etwas über sich selbst lernt. War das bei dir auch so? Wenn ja: was hast du gelernt?
Björn: Wirkliche Grenzerfahrungen hatte ich eigentlich nicht. Ich war aber viel emotionaler als sonst. Die Höhen und Tiefen sind bei so einem Abenteuer viel intensiver. Man ist mit sich und der Welt im Reinen. Die ganzen schrecklichen Dinge, die auf der Welt passieren, rücken in den Hintergrund und der Alltagsstress ist vergessen.
Ich bin unterwegs auf große Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit gestoßen. Die Grunderkenntnis des Laufes war, dass das Menschenbild, das ich mir durch die mediale Darstellung gebildet hatte, falsch ist.
beVegt: Björn, vielen Dank für das Interview!
Tobias
Wow tolle Leistung. 50 Kilometer am Tag sind auf die Dauer eine ordentliche Belastung. Das Interview ist auch toll geschrieben.
Mich würde allerdings noch die Vorbereitung und der Background von Björn interessieren. Ohne Lauferfahrung nimmt man sich ja sowas nicht einfach mal vor.
Björn
Vielen Dank Tobias.
Ich habe mich nicht spezifisch auf diesen Lauf vorbereitet. Meine Laufleidenschaft und damit verbundenen Laufumfänge über mehrere Jahre sind sozusagen als Vorbereitung zu verstehen. Seit drei Jahren laufe ich auch Ultras und bin damit an längere Strecken gewöhnt. Im Großen und Ganzen bin ich wahrscheinlich ziemlich naiv an die Mehrtagesbelastung herangegangen. Ich habe so viel von Läufern und Läuferinnen gehört, die sagenhafte Ausdauerleistungen vollbringen, das hat mich die Sicherheit gegeben. Komischerweise habe ich auch im Vorfeld gar nicht so viel darüber nachgedacht. Der Entschluss wurde gefasst und dann ist man im Alltag durch die Arbeit und das Training ausgelastet und eh man sich versieht geht es schon los…;o)
Oli
Glückwunsch, tolle Leistung! Meine Waden würden mir was husten 🙂
Gibts noch die Möglichkeit, das Equipment mit aufzulisten, im Bild oben kann ich nciht alles erkennen? Nur falls ich auch mal…ach, hab nur laut gedacht 😉
Daniel Roth
Hi Oli, ich werde mal bei Björn nachhören und das ggf. nachreichen!
Björn
Hallo Oli!
Vielen Dank für Deine Glückwünsche.
Gern Liste ich mein Equipment für Dich auf:
– Deuter Rucksack Speed Lite 15 Liter
– 2 Paar Schuhe (am Rucksack außen mit Gurten befestigt)
– 2 x kurze Laufhose
– 2 x Laufshirts
– 2 x Socken
– 2 x Unterhosen
– Lange Jogginghose
– Pullover
– 2 x „Notfall“ Nüsse und 1 x Trockenobst
– 2 x Getränkeflaschen (je 0,7 Liter)
– Regenjacke
– Regenschutz für den Rucksack
– 15 x Tageskontaktlinsen
– Garmin Forerunner 310 XT
– Smartphone
– Ladekabel für Forerunner und Smartphone
– Tasche für Smartphone
– Bargeld + Geldkarten
– CEP-Sportstrümpfe
– Kamm
– Zahnbürste und Zahnpasta
– Pferdesalbe
– Sonnencreme
– Personalausweis
– Shampoo
Unterwegs musste ich mir noch eine Mütze und Blasenpflaster besorgen.
Oli
Super, ich danke Dir! 🙂 Dann gibts jetzt eine Ausrede weniger hehe
robert
sehr interessant!
Ich habe letztens die nummer kleiner gemacht und 160km in 5 tagen, allerdings mit 25kg auf dem Rücken und wandern, nicht laufen. Aber: die Erfahrung mit den Menschen habe ich ganz genau so gemacht, wurde überall freundlich und mit großem Hilfsangebot aufgenommen. Toll!
Jamie
Magst du evtl. deine Strecke preisgeben? 🙂 Ich weiß, man verrät seine Geheimnisse ungern, aber es wäre sehr schön. 🙂
Daniel Roth
Hi Jamie, Björn hat aus seiner Strecke kein Geheimnis gemacht, deswegen antworte ich einfach mal stellvertretend für ihn 🙂 Hier findest du die Strecke der Deutschland-Durchquerung als GPS-File:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=ctyilvosszxlezek
LG, Daniel
Jamie
Vielen Dank. 🙂