Egal ob 5 Kilometer oder Marathon: wer in einem Rennen möglichst schnell ins Ziel kommen will gelangt irgendwann an den Punkt, an dem es wehtut.
Im Englischen gibt es einen schönen – und schwer zu übersetzenden – Begriff für dieses Gefühl: „discomfort“.
„Unannehmlichkeiten“ seien das, sagt uns das Wörterbuch, oder auch „leichte Schmerzen“. Beides klingt irgendwie nach den Folgen einer durchzechten Nacht – und trifft es daher nicht wirklich.
Wer schon einmal einen Wettkampf auf Zeit gelaufen ist weiß: Discomfort ist schlimmer als ein Kater.
Discomfort ist das ständige Ankämpfen gegen die (mit jedem Kilometer lauter werdende) Frage: „Wieso tue ich das hier überhaupt?“
Discomfort ist wie immer stärker werdende Zahnschmerzen, die man zu einem beliebigen Zeitpunkt abstellen kann – indem man das Tempo reduziert oder sogar stehen bleibt.
Im Umkehrschluss bedeutet das: Je besser wir während eines Wettkampfs mit „discomfort“ umgehen können, je länger wir der Versuchung widerstehen können, den „Schmerz-Aus-Knopf“ zu drücken (im Idealfall bis die Ziellinie überquert ist), desto näher gelangen wir an unser persönliches Leistungsoptimum.
Die Fähigkeit, „discomfort“ zu ertragen, hängt dabei sicherlich zu einem Teil von der individuellen Veranlagung ab. Die Marathon-Weltrekordlerin Paula Radcliffe zum Beispiel vertritt die These, dass Frauen evolutionär bedingt eine höhere Schmerzschwelle besitzen als Männer (sie müssen die Schmerzen während der Geburt aushalten).
Und auch erfolgreiche Ultramarathon-Läufer dürften in dieser Hinsicht eine überdurchschnittlich gute Veranlagung haben – Scott Jurek wurde von einem Runners World-Redakteur einmal als „King of Pain“ bezeichnet.
Die gute Nachricht ist, dass auch für Normalsterbliche wie uns Hoffnung besteht!
Erstens: Leidensfähigkeit – die Sportwissenschaft spricht auch von „mentaler Härte“ – kann man trainieren … jedes Intervalltraining, jeder Tempolauf und jeder Wettkampf machen uns ein kleines bisschen zäher.
Zweitens: Es gibt eine ganze Reihe von Tricks, mit denen sich Durchhänger während eines Rennens überwinden lassen. Die folgenden 5 Strategien habe ich selbst schon erfolgreich getestet (immer funktionieren sie natürlich nicht – hey, ein schlechter Tag ist ein schlechter Tag …).
Fünf Strategien gegen Durchhänger während des Wettkampfs
- Der Klassiker: sag ein Mantra auf. „Das ist es, weshalb ich gekommen bin!“ / „Der Schmerz geht, der Stolz bleibt!“ / „Unter vier Stunden oder nie wieder Bier!“ / „Quäl dich du Sau!“
- Die Forrest-Gump-Methode: Denke an eine großartige Leistung, die jemand vollbracht hat, der deutlich mehr Gegenwind hatte als du. Zum Beispiel Terry Fox. Funktioniert auch prima im Training!
- Der Optimist aus Erfahrung, oder: „Es wird nicht immer schlimmer“: Wer sich schon einmal durch eine Durststrecke gekämpft hat weiß es: wie schlecht man sich auch fühlt, irgendwann wird es wieder besser. Bis es soweit ist muss man bloß weiterlaufen und sich an dieser Gewissheit festhalten: „Es wird nicht immer schlimmer.“ Wer sich noch NICHT durch eine Durststrecke gekämpft hat muss mir an dieser Stelle einfach blind vertrauen. Also: Es wird nicht immer schlimmer.
- Die Flucht nach vorn: Wenn du in einer Gruppe läufst (und das solltest du tun) – übernimm die Führung! Das ist unheimlich motivierend und hat noch einen weiteren Vorteil: wer dein Tempo mitgehen kann und will bleibt an dir dran und wird dir später noch helfen.
- Der umgedrehte Spieß: Feuere die Zuschauer an! Du kannst jegliche Angst, dich zu blamieren, ablegen: Es funktioniert IMMER! Zum Einstieg reicht ein simples „Auf gehts Kölner/Mainzer/Frankfurter/Berliner“… aber sei ruhig kreativ. Das Publikum (und die Läufer in deiner Nähe) werden dich dafür lieben.
Anke
Danke für diesen motivierenden Beitrag!
Daniel
Hallo Anke, schön dass dich der Beitrag motiviert hat!
Und noch viel besser, dass du für deinen ersten Halbmarathon trainierst! Ich wünsche dir viel Erfolg (gerade jetzt im Winter ist es ja gar nicht so leicht, dranzubleiben) und würde mich freuen, wenn du ab und zu einmal auf unserer Seite vorbeischaust 🙂
marathon vegan
Hey Daniel, super Blog, gute Beiträge. Und gerade für mich jetzt sehr hilfreich! Viele Grüße von marathon vegan
Daniel
Hey das freut mich! Ich finde es auch toll, dass du über deinen Weg zum Marathon bloggst… ich bin mir sicher, dass es in Deutschland so einige vegetarische und vegane Läufer/Innen gibt, aber man sieht uns hier noch zu selten. Lass uns das ändern 🙂
Klaus
Am besten gefällt mir „quäl dich, du Sau….“ 😉
Daniel
Mir auch 😉
Din
Eine sehr gelungene Zusammenfassung. Ganz großartig.
Ich frage mich meist, wenn das vorbeten eines Mantras nicht helfen möchte, was ich so jammere, wenn andere sich auch unter ganz anderen Umständen durchbeißen können.
Matthias
Und es funktioniert tatsächlich. Ich wollte mir diesen Beitrag gerade bookmarken und stelle fest, dass ich es schon längst getan habe :-).
Daniel Roth
Und wie es funktioniert. Ich hab dieses Jahr beim Hamburg Marathon am Jungfernstieg die Leute angefeuert, das war einfach nur brutal gut 🙂 Hab danach bestimmt noch nen halben Kilometer überpaced 😉
Thomas
Schöner Artikel und allesamt Tricks, die man im Repertoire haben sollte.
Mir helfen nämlich immer viele Kniffe hintereinander. Dazu gehört auch Musik im Kopf abzuspielen, ich höre sie dann fast wie über Kopfhörer. Keine ganze Playlist, aber so markante Ausschnitte aus Stücken, die mich seit 25 Jahren peitschen können.
Als zweites: nicht denken, nur rechts, links, rechts, links und Schritte zählen – und dann wieder von vorne…
Oder aber auch umgekehrt, wenn ich meine mir gehts schlecht, mal genau hineinhören und analysieren, was denn weh tut. Und oft kommt dann sowas dabei heraus, wie „eigentlich gehts mir gut, nur die Beine tun weh…“ – wenn man es dann noch schafft sich selbst zu erklären, dass der Schmerz ja eigentlich nur ein kleiner, interpretierter elektrischer Impuls ist, den man auch ausblenden kann, wenn man will – dann ist man durch dieses Tief schon wieder durch… 😉
Daniel Roth
Gute Idee mit der Musik! Es gibt ja so ein paar Songs die bei jedem größeren Marathon laufen – Safri Duo, Eye of the Tiger – da muss ich jedesmal würgen. Werde mir für den Frankfurt Marathon morgen ne eigene Playlist zurechtlegen, damit ich das übertönen kann 😉
Reinhold on Mental
Sehr gute Tipps und ja das Leute anfeuern wenn man selber läuft hat auch echt Power 🙂
Daniel Roth
Und es funktioniert wirklich IMMER! Habe es z.B. dieses Jahr beim Hamburg Marathon am Jungfernstieg gemacht und hatte danach noch 5 Minuten Gänsehaut (und natürlich ein viel zu hohes Tempo ;-)).
Alice
Ich hab das öfter beim Training dass es Tage gibt wo ich nach 100 Metern denke es geht nicht mehr und ich nicht mal eine Meile schaffe ohne zu walken, zu schnell losgelaufen, keine Ahnung ich finde kein Tempo – ja 11 km ohne gehen hatte ich vor kurzem 🙂 Aber nach den ersten 1-2 km geht es plötzlich und wenn ich dann feststelle ich war doch 7-8 km unterwegs macht es stolz nicht umgekehrt zu sein.
Am meisten wundern mich Tage wo ich denke „Heute ist ein schlechter Lauf“ und ich mich müde und ausgepowert fühle und langsam und dann zeigt mir Runtastic Bestzeit an und ich frag mich wer mein Handy vertauscht hat 😀 Von 5:25 ca eine Kilometer auf der Mainpromenade ohne Ampelpausen durchgehalten hätte ich vor 1 Jahr nie zu Träumen gewagt. Insgesamt habe ich meine Durchschnittspace von ca. 9 Minuten im Mai auf 6:30 getoppt, egal wie schlecht und langsam es sich anfühlt, war jedenfalls die letzten 5-10 Läufe so.
LG Alice
Johannes
Hey,
ich bin durch Zufall auf euren Blog gestoßen und freue mich sehr darüber. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich zwar selbst kein Veganer bin, aber das ist im Thema Motivation finde ich nicht so wichtig 😉
Warum ich auf euch gekommen bin?
ich bin selbst Spitzensportler und versuche selbst Leistungs- und Hobbysportler mit dem Sportmentalblog dabei zu unterstützen auf die oberste Treppe zu steigen.
Ich wollte euch für diesen Artikel echt danken. Ich finde ihn hervorragend und die Methoden sehr einfach, was immer große Vorteile mit sich bringt.
Ich würde aber dennoch gerne eine zusätzliche Methode gerne anführen: einen Anker vorab setzen.
Das kann man sich auch selbst machen, indem man sich in eine Situation zurückdenkt zum Beispiel beim Laufen, wo man noch sehr viele Kraftreserven hatte und sich stark und sicher gefühlt hat. Man stellt sich die Situation so lebhaft wie man es nur kann vor, mit wirklich allem was dazu gehört und nimmt einfach war.
Dann kann man ein kleines Ding in die Hand nehmen. Es sollte so klein sein, dass man es beim Laufen vielleicht auch mitnehmen könnte, ein kleiner Stein erfüllt den Zweck. Es kann aber auch ein kleines Stofftier oder ein Plastiktier sein, was immer man möchte und drückt dann während man weiter an diese Erfahrung zurückdenkt, das Ding fest den Händen zusammen.
Ihr könnt es natürlich auch gerne zum Wettkampf zum training mitnehmen.