Babett Jasbinschek, 49 Jahre, vegane Läuferin, hat mir etwas voraus. Sie ist stolze Finisherin des Gore-Tex Transalpine-Run 2013 und berichtet im Interview von ihren Erfahrungen.
Der Transalpine-Run, unter Insidern auch einfach nur TAR genannt, ist ein 8-tägiger Etappenlauf über die Alpen, der 2005 zum ersten Mal ausgetragen wurde. Die Gesamtstrecke von ca. 260 km mit Tagesetappen von 6,3 bis 42,6 km (Streckendaten von 2013) führt durch insgesamt vier Länder (Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien) und wird durchgängig im 2er-Team absolviert.
Einmal am Start des Transalpine-Run zu stehen, ihn zu laufen und natürlich zu finishen ist auch eines meiner Ziele, das ich mir für die nächsten Jahre gesetzt habe. Bis es soweit ist und ich mich selbst „Transalpine-Run-Finisher“ nennen kann, lasse ich mich von Babetts Erfahrungsbericht motivieren!
beVegt: Babett, erst einmal herzlichen Glückwunsch zum erfolgreichen Finish. Deine spontane Beschreibung in drei Worten bitte!
Babett: atemberaubend – inspirierend – herausfordernd
beVegt: Und jetzt ausführlich – wie war es?
Babett: Es war ein ungeheuer beeindruckendes Erlebnis für alle Sinne. Wir sind in atemberaubend schöner Landschaft gelaufen, wobei atemberaubend bisweilen durchaus wörtlich zu nehmen war: noch kein TAR vorher fand so viel in so großer Höhe statt. Der Löwenanteil der Strecken waren wunderschöne (Single-)Trails mit zum Teil abenteuerlichen weil drahtseilgesicherten Passagen und herrlichen technischen Downhills.
Inspirierend waren die Menschen, die ich kennenlernen durfte. Zu erfahren, was andere Leute treibt, hier zu laufen, gemeinsam zu lachen und sich steile Anstiege gemeinsam hochzukämpfen, das verbindet sehr. Es entstand über die Tage eine Gemeinschaft, die zu erleben wirklich beeindruckend war. Wir waren ja im letzten Drittel des Teilnehmerfeldes unterwegs, wo die Stimmung eher entspannt war. Man hat beim Übergang einer Scharte aufeinander gewartet, Fotos von anderen Teams gemacht, die Aussicht genossen, miteinander diese Momente geteilt. Das war ein starkes Erlebnis, das ich so gar nicht erwartet hatte.
Herausfordernd waren natürlich zunächst mal die Strecken an sich. Dann ging es auch öfters morgens richtig früh los, so dass an Ausschlafen und ausgeruht starten natürlich nicht zu denken war. Am zweiten Tag war das Wetter richtig schlecht, und in 2500 m Höhe in Regen, Graupel und Hagel mit klammen Fingern und kalten Füßen über die Felsen zu turnen war schon eine Aufgabe. Aber Trailläufer jammern ja nicht ;). In unserem Team hatten wir die Abmachung: wer negative Gedanken äußert gibt abends einen aus. Das hat sich bewährt und uns immer wieder zum Lachen gebracht.
Meinen Mann Andi hat die besondere Atmosphäre des TAR so gefangen genommen, dass er beschlossen hat, den TAR 2015 auch zu laufen, was mich riesig freut.
beVegt: Bist du zuvor schon einmal im Team gelaufen? Wie war das?
Babett: Ich bin vorher noch nie im Team gelaufen. Ich fand es eine große Herausforderung. Wir hatten zwar im Vorfeld unsere „Marschrichtung“ abgestimmt (gesund bleiben – mit Freude laufen – finishen), und hatten ja auch ein paar Mal zusammen trainiert, aber wir waren doch überrascht, wie sehr dann unser jeweiliges Lauftempo voneinander abwich. Da mussten wir einen Konsens finden, damit weder der mit der schnelleren Gangart den „Langsameren“ scheucht und viel Druck aufbaut noch in seinem Rhythmus ausgebremst wird. Wir haben am dritten Tag einen jungen Läufer „adoptiert“, dessen Team sich aufgelöst hatte. Das stellte sich dann als große Bereicherung dar. Wir haben sehr viel zusammen gelacht.
beVegt: Gab es einen Punkt, an dem du ans Aufgeben dachtest?
Babett: Nein. Aufgeben war überhaupt keine Option.
beVegt: Was hat dir nach den ersten Tagen mehr Probleme bereitet – die Beine oder der Kopf?
Babett: Hm. Die Beine. Wenn ich mit der Kalorienversorgung nicht hinterherkam hat sich das schon bemerkbar gemacht. Mental war ich sehr gut vorbereitet und ich habe auch viel Kraft aus dem Miteinander gezogen: anderen Läufern über den Berg helfen, miteinander lachen, diese Dinge haben mir über kleine Löcher hinweggeholfen.
Die größte Hürde waren aber eigentlich die schmerzenden Rippen, die ich mir am vierten Tag bei einem Sturz geprellt hatte.
beVegt: Du bist seit Anfang des Jahres Veganerin. Wie hat es mit der Verpflegung geklappt – sowohl auf der Strecke als auch zwischen den Etappen?
Babett: Das hat erstaunlich gut funktioniert. Zugegenermaßen hatten wir ja die Luxusvariante: Übernachtung in Hotels und eine geniale „Bodencrew“, die das Ein- und Auschecken in den Hotels übernommen und eingekauft hat und bei jedem Zieleinlauf gleich meinen Spezial-Regenerationsdrink (selbst gemixt nach meinem Rezept) parat hatte.
An den Verpflegungsstellen unterwegs gab es alles, was das Veganerherz begehrte: alle erdenklichen Sorten Obst, Tomaten und Gurken mit Salz, Suppe, Brot mit Aufstrich. Riegel hatte ich von zu Hause mitgenommen. Meinen Plan, mir mein Gel auch beim TAR selber zu machen, hatte ich als zu aufwendig verworfen. So gab es statt des selbstgemachten Gels einfach Chia fresca.
Die abendliche Pastaparty hatte immer zumindest vegetarische Varianten im Angebot. Ob das nun immer absolut vegan war, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Aber nach 38 km mit 2300 Höhenmetern brauchte ich einfach Kalorien und habe mich hier deshalb nicht kapriziert. Mir waren die Pastaparties auch wichtig, weil man mit den anderen Teams zusammenkam, die „pictures of the day“ gemeinsam geschaut hat, den Tag noch hat ausklingen lassen. Dies war mir dann wichtiger als immer sicher vegan in einem Restaurant zu essen (was wir natürlich dann und wann auch gemacht haben). Das Frühstück in den Hotels vegan zu gestalten geht nur, wenn man Sachen mitnimmt. Ich hatte verschiedene Aufstriche dabei und auch Hanfmilch, Reismilch etc. Das ging gut.
Allerdings glaube ich, dass bei einer Übernachtung im Camp die Hürden groß sind: die Taschen, die man von Plan B (Veranstalter des TAR) bekommt sind zwar riesig, aber Lebensmittel für acht Tage darin zu transportieren ist eher heikel. Die Taschen stehen halt auch mal ein paar Stunde draußen und in der Sonne.
Zum Einkaufen hätten wir nicht so sehr viel Zeit gehabt, auch gibt es nicht in jedem kleinen Ort entsprechende Läden. Aber wer schneller läuft, kann länger shoppen…
beVegt: Du hattest vor, dich auf der Strecke mit deinen T-Shirts als vegane Läuferin erkennen zu geben. Wurdest du von anderen Läufern darauf angesprochen?
Babett: Auf der Strecke hatte ich kein „Run vegan“-Shirt oder so an, da wir Team-Shirts hatten… Aber abends mal, und während der Etappen haben wir uns ja viel mit anderen Teams unterhalten und bald wussten ziemlich viele Leute, dass ich Veganerin bin und wollten auch viel darüber wissen.
Aufgefallen ist mir, dass man in der Ultraszene damit gar nicht so ein bunter Hund ist. Die Leute waren interessiert, wohl auch teilweise erstaunt, dass man als Veganer diese körperlichen Strapazen mindestens genauso gut meistert wie omnivore Menschen. Die Reaktionen waren durchweg positiv. Ultraläufer „spinnen“ ja alle ein wenig, die wundert so schnell nichts.
beVegt: Du läufst noch gar nicht so lange. Wann hast du damit angefangen und wie bist du zum Laufen gekommen?
Babett: Ich laufe erst seit Frühjahr 2010. Angefangen habe ich zusammen mit meinem Mann in einer Laufgruppe, die sich im Rahmen des Einstein Marathon Ulm Vorbereitungsprogramms auf 10 km am Stück vorbereitete.
Im Jahr 2001 hatte ich Krebs, und nach Chemo, Bestrahlung und nachfolgender Hormontherapie nahm ich Aromatasehemmer, um ein Wiederauftreten zu verhindern. Diese habe ich aber dann gar nicht mehr vertragen. Aber nichts zu machen war auch keine Lösung, da hätte ich mich dem Rückfallrisiko einfach ausgeliefert gefühlt.
Da fiel mir ein, dass Ausdauersport das beste Mittel gegen Krebs ist und bequatschte meinen Mann, doch gemeinsam mit mir etwas für die Gesundheit zu tun. Am Ende dieses Vorbereitungsprogrammes lief ich die 10 km in knapp unter einer Stunde. Aber viel wichtiger war, dass mir das Laufen so viel Spaß machte. Ich wollte dann ein neues Ziel, es sollte ein Halbmarathon sein. Also lief ich einfach „frei Schnauze“ weiter und gemeinsam mit meinem Mann dann 2011 beim Einstein Marathon den Halben.
Jetzt hatte ich so viel Freude am Laufen und entdeckte auch, dass ich je länger – je lieber lief. Und nun sollte es ein Marathon sein. Es fand sich wunderbarerweise ein Trainingspartner, Thomas, der zwar schon marathonerfahren war, aber trotzdem mit mir Newbie die langen Kanten lief – und mich dann sogar bei meinem ersten Marathon (Einstein Marathon Ulm, 2012) begleitete! Das war großartig! Und so kam eins zum anderen. Ich lief im November dann noch den Zeiler Waldmarathon (klare Laufempfehlung!) und nun waren alle Dämme gebrochen…
Durch das Laufen in verschiedenen Gruppen und das Läuferfitnesstraining in der Halle im Winter bin ich dann richtig „angekommen“ im Läuferdasein und habe Menschen kennengelernt, die großen Einfluss auf mein Laufen und Leben haben, allen voran Chris Münzing, der mich so richtig mit den Bergen bekannt machte und mich die Liebe zu den Bergen lehrte. Außerdem sind wir beide große Fans von Scott Jurek und seinem „eat & run“ und haben in zahllosen Gesprächen mentale Aspekte des Laufens ergründet und manches ausprobiert. Über die Zeit wurden wir Laufpartner im besten Sinne und spornen uns gegenseitig an.
Nun gehört meine ganze Leidenschaft dem Traillaufen in den Bergen.
beVegt: Wie hast du dich auf den TAR vorbereitet – auf die Distanz, die vielen Kilometer innerhalb von acht Tagen und auf das Höhenprofil?
Babett: Ich hatte verschiedene Schienen der Vorbereitung. Den Trainingsplan hatte Uwe Kadner von miles4yourlife ausgetüftelt. Er hatte den TAR 2010 gefinisht. Und mein „handgestricktes“ Training, vor allem Mentaltraining. Ich konnte bis in den Frühsommer nur am Crosstrainer trainieren wegen einer Verletzung, der zunächst keiner auf die Schliche kam. Erst Chris, der Physiotherapeut ist, fiel die Lösung ein. Und ein paar Handgriffe später war das Problem vom Tisch.
Die Vorbereitung war zunächst einmal viel Krafttraining für Läufer, d.h. ein ausgewogenes Ganzkörpertraining, die Kraftaufbauphase. In dieser Zeit bin ich gar nicht viele km gelaufen (ca 50-60 km pro Woche). Allerdings immer noch mehr, als der Trainingsplan vorsah, aber ich laufe einfach so gerne.
Dann kam die „viele-Kilometer-Phase“, in der ich mäßig lange bis 30 km Strecken, immer mit vollem Gepäck, mehrmals die Woche lief. Hier habe ich natürlich jeden Anstieg gesucht und genutzt. Ich hatte eine Standardrunde, die 30 km lang war und ein paar knackige Anstiege beinhaltete. Hier war meine Disziplin, bergauf niemals zu gehen, sondern zu laufen. Gehen war erst nach dem Anstieg erlaubt. Zudem stand Treppentraining auf dem Programm, hier war auch das Ulmer Münster nützlich.
Um die Belastung des TAR zu simulieren, standen einmal acht Tage lang täglich 30 km (mit vollem Gepäck) auf dem Plan, die sogenannte Höllenwoche. Das war schon deshalb anstrengend, weil in der Zeit in unserer Firma extrem viel Arbeit anfiel und ich zu diesen Runden erst ab frühestens 18 Uhr aufbrechen konnte. Hier hat meine Familie enorme Leidensfähigkeit bewiesen, denn so etwas wie häuslichen Service gab es eigentlich nicht. Danke, Familie! Ihr seid großartig! Zum Glück sind unsere Kinder schon Teenager…
Und danke an meinen Laufpartner, der mich (obwohl er sich in der Regenerationsphase vom Zugspitz Supertrail befand) radelnd bei einigen dieser Höllenwochenläufe begleitet und überhaupt (mental und laufend) mit mir trainiert hat.
Unser Partnerteam miles4yourlife2 und wir waren ein langes Wochenende in den Stubaier Alpen zum Höhentraining. Und es gab drei Trainingsläufe in den Bergen, organisiert von Chris (therarunning) sowie ein Bergtraining von miles4yourlife. Diese Bergtrainings waren für mich enorm wichtig. Zum einen, weil ich da gelernt habe, technische Trails richtig gut bergab zu scheppern, und zum anderen zum Bekämpfen meiner Höhenangst. Wenn man plötzlich mit einer Gruppe an einem drahtseilgesicherten Tourabschnitt steht, kehrt man nicht um…
Begleitend habe ich regelmäßig Stabiübungen für die Sprunggelenke sowie Lauf-ABC und Fußzirkel gemacht und natürlich in gewissem Umfang das Krafttraining beibehalten.
Ich laufe nicht mit Stöcken, weil ich in Folge der Krebs-OP hin und wieder Probleme mit dem linken Arm habe. Für mich hat das gut funktioniert, beim Bergab-Lauf wären sie mir eh im Weg gewesen. Dennoch sind Stöcke bei langen Bergaufpassagen sicher eine große Hilfe und unterstützen enorm. Ich musste halt alles aus den Beinen schieben. Dafür hatte ich kein Gefuchtel beim Klettern.
beVegt: Wie lautet dein nächstes Ziel?
Babett: Ich laufe am 29. September beim Einstein Marathon in Ulm den Halbmarathon mit für das Team therapoint zugunsten der Hieronimuß Doctor Clowns. Dann laufe ich am 9. November noch mal den Zeiler Waldmarathon. Beide als fun run.
Mein echtes nächstes Ziel ist im Juli 2014 der Salomon 4 Trails und 2015 noch einmal der TAR. Und wer weiß, was mir dann noch einfällt…
Wobei ich hier sagen möchte, dass es immer mein Ziel ist, gesund, mit Freude und offenen Sinnen zu laufen und zu finishen. Sekundenhatz auf der Straße ist gar nicht mein Ding. Keep on running!
beVegt: Vielen Dank für das motivierende und inspirierende Interview, Babett!
robert
Puh, das erste was ich dachte: ich will auch über die Alpen laufen…
Katrin Schäfer
Vielleicht sehen wir uns ja 🙂
Einfach bewusst
Katrin, sehr interessantes Interview über eine erstaunliche Frau. Wird gleich auf Facebook geteilt! Dass es einen Transalpine-Lauf gibt, wusste ich nicht.
Auf meiner letztjährigen Alpenüberquerung von München nach Venedig habe ich einen Münchner kennengelernt, der die Strecke laufend bewältigt hat (ist täglich ca. zwei der Wanderetappen gerannt und hatte nur einen ca. 18-Liter-Rucksack dabei).
Meine Alpenüberquerung Salzburg-Triest könnte man übrigens auch laufen. Müsste in 10 bis 14 Tage zu schaffen sein. Wäre das nicht mal was für Dich und Daniel?
Viele Grüße aus Forchheim,
Christof
Katrin Schäfer
Danke fürs Teilen! Wir gehen auch gerne mal wandern, z.B. im Schwarzwald. Aber im Kopf schwirren uns auch achon einige Laufprojekte rum…
Sarah
Hallo zusammen,
wow: Erstmal Glückwunsch zum Rennen Banett. Du hast meinen vollen Respekt. Und das ist eine beeindruckende Laufgeschichte.
Nachdem ich neulich den ersten Bergmarathon gefinished habe, habe ich bisher noch keine Ambitionen, über die Marathondistanz hinauszugehen. Aber ich bin (auch von den Bildern) derart begeistert, dass auf den Run wirklich Lust bekomme. Das mit den Hotels klingt auch gut, denn so eine Woche ganz ohne Dusche und im Zelt finde ich nicht so verlockend (solche Läufe gibt’s ja auch).
Danke für den Bericht!
Grüsse,
Sarah
B.
Wow!
Das klingt einfach nur beeindruckend.
Danke für den tollen Beitrag!