Kraft- und Stabilisationstraining ist für Läufer enorm wichtig. Eine starke Hüft- und Rumpfmuskulatur verhilft dir zu einem ökonomischen Laufstil und schützt dich vor langwierigen Verletzungen.
Aber wie viel Zeit verbringst du wirklich mit gezieltem Krafttraining? Wann hast du dich zum letzten Mal einbeinig auf einem Wackelkissen gequält? Wie ist es um deine Körperspannung bestellt?
Ich gestehe: Bei mir gibt es definitiv noch Potential nach oben!
Der Grund dafür ist, dass mir das Laufen einfach viel mehr Spaß macht als das Krafttraining, das sich für mich häufig wie eine lästige Pflicht anfühlt. Wenn ich Zeit zum Trainieren habe fällt meine Wahl deshalb meistens aufs Laufen.
Glücklicherweise hat das Krafttraining bei mir an Bedeutung gewonnen, seit ich vor etwa einem Jahr die sogenannten Kettlebells für mich entdeckt habe.
Kettlebell-Training: So kann Krafttraining Spaß machen!
Anfang 2013 hatte unser Bloggerfreund Mark Maslow eine seiner Dranbleiber-Challenges ins Leben gerufen: 100 Kettlebell-Swings pro Tag. 30 Tage lang. Da kamen bei den Dranbleibern am Ende 3.000 Kettlebell-Swings herum. Auch einige unserer Twitter-Freunde waren im Kettlebell-Fieber. Das hat uns fasziniert – und gleichzeitig motiviert.
Wir wollten mehr erfahren. Und weil Daniel und ich uns gerne vorab gut informieren, bevor wir uns in ein Abenteuer stürzen (du kannst beim Kettlebell-Training auch viel falsch machen!) haben wir im Mai 2013 einen Kettlebell-Einführungsworkshop besucht. Unser Kettlebell-Trainer war Karol Szwand, der in Bad Vilbel (bei Frankfurt) ein Studio für Kettlebell- und funktionelles Training besitzt.
Ein gutes Jahr später schwingen Daniel und ich immer noch fleißig die Kettlebells. Regelmäßig werden uns dazu Fragen gestellt: Wie oft trainiert ihr mit den Kettlebells? Welche Gewichte setzt ihr ein? Und wie fängt man am besten an, wenn man zum ersten Mal mit Kettlebells trainieren will?
Wir sind keine Kettlebell-Profis – und haben deswegen den Profi Karol Szwand gefragt. Im Interview erfährst du, ob Kettlebell-Training auch für dich geeignet ist und wie dir der Einstieg in dieses für Läufer perfekte Kraft- und Stabilisationstraining gelingt!
Interview: Kettlebell-Coach Karol über das Training mit der Kugelhantel
beVegt: Karol, du unterrichtest als Personal Trainer das Training mit Kettlebells. Das war nicht immer so. Wie bist du selbst zum Kettlebell-Training gekommen?
Karol: Das kam eher aus Verzweiflung. Nach 8 Jahren Kraftsport bekam ich durch einen unglücklichen Sturz mit dem Fahrrad 3 Bandscheibenvorfälle im LWS Bereich. Ich suchte verzweifelt nach einem Trainingssystem, welches mir während dieses schmerzvollen Erlebnisses zumindest etwas Linderung verschaffen könnte. Nach der sechsten Woche der Reha fand ich im Internet eher durch einen Zufall ein Youtube Video von Steve Cotter. Es sah erstmal sehr seltsam aus was er da mit der Kettlebell machte, aber es war mir fast alles recht was hilft. Also begab ich mich auf die Reise nach Halten am See um eines meiner ersten Seminare bei Steve zu besuchen.
beVegt: Was ist für dich das Besondere am Kettlebell-Training? Was sind die Vorteile dieser Trainingsgeräte und wo liegen die Unterschiede zum klassischen Hanteltraining?
Karol: Das Besondere ist erstmal sicherlich die große Abwechslung und der Spaßfaktor, der mir schon einige Jahre bei meinem Standardtraining gefehlt hat. Wer kennt es nicht? Aufwärmen, Trainingsroutine, Abkühlen und weiter in den Alltag. Seitdem ich mit Kettlebells trainiere hat sich meine Einstellung zum Training grundlegend zum Positiven geändert.
Die Vorteile von Kettlebells sind sicherlich die Kurzweile des Trainings. Da es ziemlich flott von Übung zu Übung geht wird es nie langweilig. Ein weiterer Vorteil ist das Erlernen von dynamischen und ökonomischen (effizienten) Bewegungsabläufen, die das Ziel verfolgen, den gesamten Körper als Einheit zu trainieren. Damit baut man eben nicht viel Muskelmasse auf wie beim herkömmlichen Hanteltraining, wird dafür aber sehr stark und effizient beim Bewältigen von schweren Lasten.
beVegt: Ist Kettlebell-Training für jeden geeignet?
Karol: Sofern keine akute Schmerzphase einer Verletzung besteht, ist das Kettlebelltraining für die meisten Personen geeignet. Um wirklich auf Nummer Sicher zu gehen würde ich aber auf jeden Fall empfehlen, einen Profi vor der Aufnahme des Kettlebell-Trainings zu konsultieren.
beVegt: Krafttraining mit Gewichten – da denken viele Läufer erstmal an den Aufbau von “überflüssiger” Muskelmasse, die sie dann beim Laufen mit sich herumschleppen müssen. Kannst du uns diese Angst nehmen?
Karol: Auf jeden Fall! Gerade beim Kettlebelltraining geht es um den Aufbau von Kraftausdauer, die nicht zwangsläufig mit dem Aufbau von Muskelmasse verbunden ist. Außerdem wird der Fokus auf Effizienz gelegt. Das bedeutet, dass wir das Gewicht mit dem geringstmöglichen Aufwand möglichst häufig (in optimaler Bewegungsausführung) heben wollen. Gerade beim Laufen geht es um Effizienz. Jede sogenannte „parasitäre“ Bewegung ist fehl am Platz, denn sie raubt Kraft. Genau so ist es auch beim Kettlebelltraining.
beVegt: Warum sollten Läufer neben dem Lauftraining zusätzlich mit Kettlebells trainieren? Was können wir uns davon versprechen?
Karol: Viele Läufer kennen das Problem von längeren Anstiegen, die manchmal der Horror sein können. Mit Kettlebells trainieren wir hauptsächlich in höheren Intensitäten und vor allem Bein- und Rumpflastig. Diese Kombination macht das Kettlebelltraining gerade für Läufer sehr wertvoll. Der Läufer kann sich also einen stabileren Rumpf, stabilere Knie sowie einen besseren Vortrieb am Berg versprechen.
beVegt: Was rätst du Anfängern für den Einstieg ins Kettlebell Training? Reicht ein Buch mit DVD? Oder sollte man ein Seminar bei einem Kettlebell Trainer besuchen?
Karol: Ich habe selbst ebenfalls mit einem Buch und einer DVD begonnen. Bei meiner allerersten Fortbildung (IKFF) habe ich mit Schrecken festgestellt, dass weder die DVD noch das Buch auf die Kleinigkeiten eingegangen sind. Gerade im Kettlebelltraining gibt es enorm viele Kleinigkeiten. Das sollte niemanden davor abschrecken, mit dem Kettlebelltraining zu beginnen. Das bedeutet einfach, dass man sich einen Profi mit jahrelanger Erfahrung suchen sollte.
Leider gibt es gerade in diesem Bereich viele schwarze Schafe. Trainer, die ein 3-4 Stunden Seminar besucht haben und sich dann als vermeintlicher Kettlebell Instructor ausgeben. Da sollte man ruhig mal nachhaken. Ein ehrlicher und aufrichtiger Kettlebell Lehrer wird keine Probleme damit haben, mal hinterfragt zu werden. Ich empfehle auf jeden Fall mindestens ein Tagesseminar, um wirklich sicher mit dem Kettlebelltraining durchstarten zu können.
beVegt: Die Frage aller Anfänger: mit welchem Gewicht sollte ich starten? Kann man das überhaupt so sagen? Kannst du uns Tipps für den Kauf einer eigenen Kettlebell geben?
Karol: Das Gewicht orientiert sich immer am aktuellen Leistungsstand einer Person und kann pauschal nicht verordnet werden. Beim Kauf einer Kettlebell sollte man auf jeden Fall beachten, dass die Größe des Griffes groß genug ist, damit das Handgelenk nicht verletzt wird. Günstige Kettlebells sind zweite Wahl und haben mehr Nach- als Vorteile.
Ich empfehle auf jeden Fall Competition Kettlebells*. Diese haben den Vorteil, dass alle Gewichte (6-48 kg) gleich groß sind. Außerdem haben sie den gleichen Griffdurchmesser und eine identische Griffbreite sowie Griffhöhe. Ein weiterer Vorteil ist der stabile Stand auf dem Boden, den diese Kettlebells ihrer Größe zu verdanken haben. Gerade bei Übungen, bei denen die Kugeln auf dem Boden stehen, gibt das deutlich mehr Sicherheit im Training.
beVegt: Vielen Dank für das Interview, Karol!
Hast du jetzt auch Lust bekommen, das Training mit Kettlebells zu lernen? Wenn du im Rhein-Main-Gebiet wohnst, dann schau doch mal auf Karols Facebook-Seite vorbei – es gibt regelmäßig Kurse und Workshops für Anfänger und Fortgeschrittene. Alle anderen befragen am besten Google – einen Kettlebell-Trainer gibt es sicherlich auch in deiner Nähe!
Din
Überflüssige Muskulatur möchte vermutlich kein Läufer, aber Stabilität ist auch meiner Meinung das A und O. Ich trainiere nicht regelmäßig mit Kettlebells, aber hin und wieder macht es mir sehr viel Spaß. Dabei lege ich auch viel Wert darauf, dass ich gerade die Rumpfmuskulatur stärke und ja, mir fällt auch auf, dass es eine sehr positive Wirkung auf dem Bewegungsablauf im Hüftbereich beim Laufen hat. Ich bekomme so meinen Kniehub auch auf längeren Distanzen einigermaßen sauber hin.
Danke für das informative Interview.
Katrin Schäfer
Hallo Din, vielen Dank für deine Einschätzung. Ja, die Hüfte ist extrem wichtig, gerade bei uns „Sitzmenschen“. Ich habe einen besseren Bewegungsablauf im Hüftbereich seit ich angefangen habe, meinen Hüftbeuger zu dehnen – das kommt mir ebenfalls im Laufen zu Gute!
lovingvegan
Danke, für das Interview. Ich spiele schon länger mit dem Gedanken mit eine Kettlebell zu kaufen, weil ich es einfach so praktisch zum zuhause trainieren finde. Werde mal schauen, wo es bei mir in der Nähe ein Seminar gibt. Vielleicht ja sogar in dem veganen Fitnessstudio, das letztens aufgemacht hat 🙂
Mich würde noch interessieren, wie oft ihr Kettlebell in euer Training einbaut und ob es Übungen gibt, die speziell für LauferInnen besonders interessant sind.
Liebe Grüße aus Berlin,
Lena
Katrin Schäfer
Hi Lena, aktuell trainieren wir ca. 1-2x pro Woche mit den Kettlebells. Mit praktisch allen Übungen trainierst du deine Core-Muskeln, und die brauchst du beim Laufen sehr. Zudem machen wir damit Squats (geht natürlich auch ohne), und die sind verdammt effektiv. Wir bilden uns ja ein, dass wir deswegen unseren Berg-Ultramarathon am Samstag auch ganz gut überstanden haben 😉
Viel Spaß damit! Sportliche Grüße, Katrin
Christian
Hallo Katrin, Hallo Daniel,
wie viele verschiedene Kettlebells habt ihr denn? Und welche Gewichte haben diese? Ich habe auch gerade das Training mit Kettlebells angefangen und finde richtig gefallen daran. Ich trainiere mit einer 20Kg Kettlebell für die Swings und einer 12Kg Kettlebell für z. B. den Clean and Press.
Viele Grüße
Christian
Daniel Roth
Hey Christian, wir haben aktuell nur noch eine 8kg Kettlebell für Katrin und eine 12er für mich. Bei den Swings könnte ich wahrscheinlich auch eine 16er nehmen, aber wir wollen unser Gerätearsenal bewusst auf ein Minimum beschränken 🙂