Lass uns über Inkontinenz sprechen, genauer gesagt über Harninkontinenz, auch als Blasenschwäche bezeichnet. Ein Problem, von dem mehr Frauen als Männer betroffen sind.
Aber was hat das Thema Inkontinenz auf einem Laufblog zu suchen?
Ganz einfach: Vielen Betroffenen passiert es vor allem „in Bewegung“, also auch beim Laufen, dass sie vermehrt Urin verlieren, obwohl sie eigentlich gar nicht müssen. Man spricht deswegen auch von einer Belastungsinkontinenz (die Belastung ist in diesem Fall das Laufen).
Und nachdem wir in den letzten Monaten immer mal wieder Fragen zur diesem Thema bekommen haben, möchte ich ihm nun einen eigenen Beitrag widmen.
Ab und zu mal ein paar Tröpfchen – das ist doch noch keine Inkontinenz?
Viele denken bei Harninkontinenz an ältere Leute jenseits der 80, die wieder Windeln tragen. Das ist aber nicht der Fall. Fachgesellschaften sprechen bereits ab einem einzigen Tropfen Urinverlust von einer Inkontinenz.
Neben dem Laufen können auch andere Bewegungen zu einem unfreiwilligen Verlust führen. Dazu zählen unter anderem Springen, Treppensteigen, Heben und Tragen sowie Lachen, Husten und Niesen.
Und jetzt kann ich mir vorstellen, dass sich ein paar mehr Leserinnen angesprochen fühlen …
Sind wirklich nur Frauen betroffen?
Nein, das Problem gibt es auch bei Männern. Zum großen Teil sind von einer Harninkontinenz aber Frauen betroffen – und das hat natürliche Gründe.
Zum Teil sind Geburten für eine Überdehnung und Erschlaffung des Beckenbodens verantwortlich, die wiederum zu einer Inkontinenz führen können. Aber auch Frauen, die (noch) keine Kinder haben, können von erschlafftem Gewebe betroffen sein – und das bereits in jüngeren Jahren.
Und es gibt wirklich keinen Grund, sich dafür zu schämen oder vor der Harninkontinenz zu resignieren. Du kannst nämlich etwas dagegen tun!
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei Harninkontinenz?
Da wir selbst keinerlei Erfahrung mit Therapiemöglichkeiten haben, haben wir die tolle beVegt-Community befragt und uns von den Mitgliedern unserer Facebook-Gruppe praxiserprobte Tipps eingeholt.
Bitte denk dabei daran, dass jeder von uns einen anderen Körper und andere Voraussetzungen hat. Es kann also sein, dass dir bestimmte Maßnahmen überhaupt nicht helfen – und andere Tipps wiederum zu einer Besserung führen.
Eines haben die Tipps gemeinsam: Sie werden dir nicht über Nacht helfen. Es lohnt sich also, dranzubleiben und nicht gleich nach drei Tagen das Handtuch zu werfen.
Und selbst wenn du (noch) nicht von einer Inkontinenz beim Laufen betroffen bist – auch vorbeugend kannst du bereits eine Menge tun, damit es erst gar nicht soweit kommt.
Tipp #1: Beckenbodentraining
Das ist vielleicht der wichtigste Tipp, den ich dir heute mitgeben kann. Egal ob du nur vorsorglich etwas tun willst, bereits unter leichten Beschwerden leidest oder verzweifelt nach Hilfe suchst – es ist nie zu spät (oder auch zu früh), um mit regelmäßigen Beckenbodentraining zu starten.
Du kannst mit 20 oder mit 60 Jahren starten. Vor der ersten Schwangerschaft, nach drei Geburten oder ganz ohne Kinderwunsch.
Immer und überall – sogar unbemerkt
Deinen Beckenboden kannst du jederzeit trainieren – ohne dass es jemand sieht, und ohne dafür auch nur einen Cent für Trainerstunden, Bücher oder Hilfsmittel auszugeben.
Das funktioniert ganz einfach, indem du deinen Beckenboden „hochziehst“. Stell es dir in etwa so vor als ob du sehr dringend auf die Toilette musst, vor dir aber ca. 25 Frauen stehen, die alle auf die einzige Toilette weit und breit warten.
Diese Übung kannst du wirklich immer und überall durchführen: beim Anstehen an der Supermarktkasse, im Sitzen auf dem Bürostuhl, oder zur Ablenkung wenn du nachts nicht schlafen kannst.
Training mit Kugeln oder Gewichtskonen
Für mehr Abwechslung und Möglichkeiten beim Beckenbodentraining kannst du dir als Frau kleine Trainingsgeräte wie die Smartballs der Fun Factory* oder Gewichtskonen* wie z.B. von Elanée zulegen.
Beim Tragen dieser kleinen Gewichte spannst du unbewusst den Beckenboden an und trainierst ihn ganz automatisch. Das Prinzip ist das gleiche wie „ohne Geräte“.
Beckenbodentraining mit Cantienica
Die Cantienica-Methode wurde von Benita Cantieni entwickelt. Sie hat zu ihrem Konzept eine Reihe von Büchern* veröffentlicht, in dem sie es auch unter dem Begriff Tigerfeeling vermarktet. Außerdem wird die Methode in speziellen Kursen unterrichtet.
Ich habe (vergeblich) versucht, mich mit Hilfe ihrer Internetseite schlau zu machen, was denn das Besondere an dieser Methode ist. Ich persönlich finde die Beschreibung relativ schwammig, und die Übungen erinnern mich (ohne dass ich an einem ihrer Kurse teilgenommen hätte) an klassische Pilatesstunden.
Da diese Methode immer wieder auftaucht und auch von einigen beVegt-Leserinnen genannt wird, darf sie hier aber natürlich nicht fehlen.
Training mit dem Bellicon
Beim Springen auf einem kleinen Trampolin* kannst du durch sanftes Schwingen deinen Beckenboden stärken.
Diese Mini-Trampolins gibt es für zu Hause, oder du kannst in einen speziellen Kurs gehen und dort die richtige Technik erlernen. Oft ist das Training in der Gruppe motivierender als alleine zu Hause.
Tipp #2: Sportpause nach der Schwangerschaft
Sport nach der Schwangerschaft ist ein Thema, dem man ein ganzes Buch widmen könnte (wir haben darüber bereits in Folge 96 sowie in Folge 332 des beVegt-Podcast gesprochen).
Von einigen beVegt-Leserinnen, darunter auch einer Hebamme, kam die Empfehlung, auf keinen Fall zu früh wieder mit dem Laufen zu starten und nach der Geburt zuerst einen Rückbildungskurs zu belegen.
Tipp #3: Die richtige Toilettentechnik
So komisch wie sich das anhört – selbst die richtige Toilettentechnik kann einen Unterschied machen.
Es kann passieren, dass du unbewusst mit angespannten Oberschenkeln auf der Klobrille sitzt und sich dadurch die Blase nicht vollständig entleert. Das trifft besonders dann zu, wenn die Toilette nicht die optimale Höhe hat, z.B. bei kleinen Menschen.
Rein physikalisch können wir in einer Hockposition die Blase (und auch den Darm) am besten entleeren, also so, wie es in vielen asiatischen Ländern „normal“ ist.
Nun bin ich mir sicher, dass die meisten von uns ihre Toilette nur ungern gegen ein Loch im Boden austauschen möchten. Es gibt aber durchaus Toilettenhocker*, die den Körper in eine natürlichere Position fürs „Geschäft“ bringen und einen ähnlichen Effekt erzielen können.
Tipp #4: Die richtige Atmung
Auch die richtige Atmung kann bei Inkontinenz helfen. Eine unserer Leserinnen schreibt ihre Doktorarbeit im Rahmen ihres Medizinstudiums über das Thema Inkontinenz.
Nach ihren Forschungen empfiehlt sie, bei der Atmung darauf zu achten, den Beckenboden regelmäßig anzuspannen, damit er sich leicht nach oben hebt und „forciert“ auszuatmen (ähnlich wie bei der Pilates-Atmung).
Ohne eine dezente Anspannung des Beckenbodens wird der Beckenboden durch die Organe bei jeder Ausatmung nach unten gedrückt, was auf Dauer zu einer Ermüdung führen kann. Die Folge: Der Beckenboden wird schwach und es kann langfristig eine Inkontinenz entstehen.
Tipp #5: Schnelle Hilfe durch Einlagen und spezielle Tampons
Nach dem Motto „better safe than sorry“ haben mir einige Frauen berichtet, nicht mehr „ohne Schutz“ laufen zu gehen – selbst wenn das bei 80% aller Läufe im Nachhinein nicht notwendig gewesen wäre.
Apotheken, Drogerien und sogar Discounter bieten spezielle Einlagen* für Inkontinenz an, die sich in Größe und Dicke unterscheiden. Hier musst du dich durchprobieren, mit welcher Marke, welcher Größe und welcher Dicke du am besten zurecht kommst.
Eine weitere Möglichkeit sind besondere Tampons*, die nicht für die Menstruation, sondern eben ganz speziell für die Belastungsinkontinenz entwickelt wurden, z.B. von Contam oder Würfelpessare aus Silikon.
Eine einfache Alternative ist ein klassischer Tampon, der mit einer unparfümierten Vaginalcreme eingefettet wird.
Tipp #6: Auf harntreibende Getränke verzichten
Eigentlich ist dieser Tipp naheliegend, aber ich möchte ihn nicht unerwähnt lassen: Verzichte am besten auf harntreibende Getränke wie zum Beispiel Brennnessel-, Birken- und Matetee oder Kaffee – oder konsumiere diese Getränke nur in Maßen. Gerade in kritischen Situationen, z.B. vor dem Sport oder während einer Erkältung, ist besondere Vorsicht geboten.
Tipp #7: Suche eine geeignete Fachperson auf
So unangenehm eine Belastungsinkontinenz sein kann – es gibt Fachleute, die professionell für Abhilfe sorgen können und mehr als nur gutgemeinte Tipps verteilen.
Mögliche Ansprechpartner:innen können zum Beispiel deine Gynäkologin oder dein Gynäkologe sein. Außerdem gibt es Fachärzt:innen für Urogynäkologie und Physiotherapeut:innen, die sich auf die Behandlung einer Belastungsinkontinenz spezialisiert haben.
Vielen Dank!
Ich hoffe, die Tipps der beVegt-Community konnten dir helfen – und dich darin bestärken, aktiv etwas gegen deine Inkontinenz zu unternehmen.
Wenn du noch einen weiteren Tipp für unsere Leserinnen hast, der in meinem Beitrag noch fehlt, dann teile ihn gerne als Kommentar mit mir und allen Interessierten! Bitte verzichte aus Respekt auf Kommentare wie zum Beispiel „“Das ist doch Quatsch, das kann gar nicht helfen“ – denn jeder Tipp, den ich hier aufgeführt habe, kommt von einer betroffenen Person, der genau das geholfen hat.
Ein großer Dank geht an dieser Stelle an Gaby, Silke, Jessica, Valentine, Ulrike, Mirko, Simone, Denise, Franziska und Romana – ohne euch, eure wertvollen Tipps und eure Hilfe hätte ich diesen Beitrag nicht schreiben können.
Info: Dieser Beitrag ist ursprünglich im März 2019 erschienen. Wir haben ihn zuletzt im Dezember 2022 überarbeitet und auf den aktuellsten Stand gebracht. Ältere Kommentare beziehen sich deshalb auf eine vorherige Version.
Susanne Rellensmann
Liebe Kathrin, herzlichen Dank für das interessante Thema, über das ungern gesprochen wird. Ich bin 57 Jahre alt und habe fünf Kinder geboren, so dass ich auch beim Laufen, Niesen, Hüpfen, etc. unter einer Harninkontinenz litt. Im Laufe eines Marathontrainings ist die Harninkontinenz immer besser geworden und mittlerweile nicht mehr spürbar. Das Laufen selbst hilft auch.
Katrin Schäfer
Hallo Susanne,
vielen Dank für deinen Kommentar und das Teilen deiner Erfahrung, das merke ich mir und pflege es bei einer Überarbeitung ein.
Viele Grüße
Katrin
Ariane Schult
Hallo Katrin,
vielen Dank für die wertvollen Tipps. Das Bellicon Trampolin durfte ich schon mehrmals in meinen X-Jump Kursen testen :-))
Nur der letzte Punkt mit den Tampons erschließt sich mir nicht. Er wird ja vaginal eingeführt, da geht die Pipi ja trotzdem in die Büx….
Herzliche Grüße
Ariane
Katrin Schäfer
Liebe Ariane,
ich habe gerade noch mal auf der Website des einen Anbieters nachgelesen. Der Effekt ist wenn ich es richtig verstanden habe der gleiche wie z.B. bei den Kugeln von Fun Factory: die Beckenbodenmuskulatur wird durch den Tampon gestärkt und trainiert. Es gibt wohl auch Gratismuster zu bestellen: https://www.medsse.de/de/kontakt/contam_gratisprobe.php (und nein, wir bekommen kein Geld von der Firma, die Empfehlung kam von einer Leserin ;-))
Viele Grüße
Katrin
christiane
Hallo Katrin, zum Thema Atmung muss ich korrigieren, da hier viele Probleme haben: nicht bei der Ausatmung , sondern bei der Einatmung wird der Beckenboden physiologisch belastet, da sich hier das Zwerchfell in den Bauchraum absenkt, damit die Lunge im Brustraum sich füllen kann. Der Druck des Zwerchfells auf die Organe im Bauchraum setzt sich fort zum Beckenboden. Bei der Ausatmung wird dieser wieder entlastet und das können wir mit der Anspannung unterstützen oder eben für Fortgeschrittene die Anspannung des Beckenbodens gegen den „Druck von oben“ bei der Einatmung.
Sorry für die lange Anmerkung
Katrin Schäfer
Hallo Christiane,
bitte nicht entschuldigen, das ist toll. Ich bin da keine Expertin und hatte es anders verstanden, bzw. mir war nicht klar, dass die forcierte Ausatmung eher für Fortgeschrittene ist. Ich mache seit über 10 Jahren Pilates, da ist diese Art der Ausatmung nichts „Besonderes“.
Ich habe mir schon ein paar Dinge für eine Überarbeitung notiert, da ich noch weitere Tipps bekommen habe, das setze ich auch auf die Liste.
Viele Grüße
Katrin
Simone Buck
Hallo Katrin,
das ist ein toller Beitrag geworden. Ich werde ihn gerne an „meine“ laufenden Frauen weitergeben.
Viele liebe Grüße
Simone
Katrin Schäfer
Hallo Simone,
vielen Dank, das freut mich sehr 🙂
Viele Grüße
Katrin
Melanie
Hallo Kathrin,
toll dass ihr euch dem Thema widmet. Nach der Geburt meines Kindes kam das Beckenbodentraining bei mir leider viel zu lange zu kurz. Vor kurzem habe ich aber mit Übungen und solchen Konen angefangen. Ein Hocker steht schon lange neben der Toilette – das hatte ich aus dem Buch „Darm mit Charme“.
Viele Grüße
Katrin Schäfer
Hallo Melanie,
ich hab in den letzten Wochen viel dazu gelesen, und ich glaube, da bist du nicht alleine. Nach der Geburt gibt es eben noch viel mehr, und da geht das schnell unter. Aber wir wollen daran arbeiten, für das Thema mehr Sensibilität zu erwecken.
Viele Grüße
Katrin
Sabrina
Hallo,
danke für das angesprochene Thema. Ich habe ebenfalls ab und zu Probleme damit, wobei das regelmäßige Laufen eine Besserung gebracht hat. Aber ohne Vorlage gehe ich auch nicht laufen.
Wichtig zu erwähnen ist auch das Trinken an sich. Harntreibende Getränke (z. B. Brennnesseltee) verschlimmern noch die Inkontinenz. Das habe ich bei mir festgestellt.
Katrin Schäfer
Hallo Sabrina,
vielen Dank für die Ergänzung, das habe ich mir für die nächste Überarbeitung notiert.
Viele Grüße
Katrin
Caro
Hallo Katrin,
super, dass Du das Thema Harninkontinenz beim Laufen ansprichst! Tröstet mich etwas, dass ich da nicht allein mit diesem Problem bin. Darüber spricht man/frau leider nicht offen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Laufen mir zu einer leichten Besserung verholfen hat. Leider schwindet der Erfolg, wenn ich Trainingspausen habe. Nicht verzagen, trotzdem:-)
Liebe Grüße
Katrin
Hallo Caro,
freut mich, dass dir der Post hilft! Und ich hab jetzt auch schon desöfteren gehört, dass Laufen hilft. Von daher eine weitere Motivation, dranzubleiben!
Viele Grüße
Katrin