Immer wieder begegnen wir Menschen, die uns inspirieren. Die uns zeigen, was alles möglich ist. Die Aufsehen erregen, ihren eigenen Weg gehen und den Mut haben, etwas Neues auszuprobieren.
Gerade erst hat Scott Jurek auf dem Appalachian Trail einen neuen Rekord aufgestellt und ist die ca. 3.500 Kilometer von Georgia nach Maine in 46 Tagen, 8 Stunden und 7 Minuten gelaufen – im Schnitt ca. 75 Kilometer pro Tag! Eine körperliche Höchstleistung, von der viele behaupten, dass sie ohne Fleisch, Milch und Eier nicht möglich ist. Scott Jurek ernährt sich seit mehr als 20 Jahren vegan und hat über seine Ernährung, sein Training und seine Erfolge bereits in seinem Buch „Eat & Run“ geschrieben.
Aber warum sollten wir immer nur bei Spitzensportlern nach Inspiration suchen? Jeden Tag vollbringen ganz „gewöhnliche“ Menschen außergewöhnliche Leistungen.
So zum Beispiel Carmen, die am 21. März 2015 in Hamburg zu ihrer „Vegan World Friendship Tour“ aufgebrochen ist. Ihr Ziel: Einmal alleine um die Welt radeln. Ihr Weg führt sie von Hamburg durch Europa, nach Asien, über Australien, Südamerika, die Karibik und Mittelamerika wieder zurück nach Europa – insgesamt 60.000 Kilometer!
Daniel und ich finden Carmens Vorhaben unglaublich spannend und haben uns gefreut, dass sie auf ihrer Reise die Zeit gefunden hat, unsere Fragen zu beantworten.
beVegt: Carmen, stell dich doch mal vor! Wer bist du, was machst du, wenn du nicht gerade um die Welt radelst, was sollten wir über dich wissen?
Carmen: Ich habe eine wunderbare Tochter, die jetzt 19 Jahre alt ist. Sie ist glücklich und studiert in Hamburg. Meine Leidenschaft ist Triathlon. Ich liebe diesen Sport und habe täglich gerne und viel trainiert. Bei St. Pauli Triathlon habe ich tolle Trainingskollegen und Freunde gefunden und auch eine gut funktionierende Trainingsstruktur und Wettkampfbegleitung.
Ich habe 25 Jahre als Buchhalterin in kleinen grauen und beigefarbenen Büros gesessen. Dort habe ich gelernt, wie Geld gemacht wird, die Reichen in unserer Gesellschaft noch reicher gemacht und gesehen, wie schlecht die Arbeiter bezahlt werden. Irgendwann wollte ich das nicht mehr mitmachen. Habe den Job gekündigt und nun fahre ich mit dem Rad um die Welt.
Ich habe ganz bewusst keine Sponsoren und ich sammle auch keine Spenden ein.
Finanziert wird der Spaß von mir selbst. Ich habe immer sehr sparsam mit meiner Tochter gelebt, um uns eine kleine Eigentumswohnung in Hamburg zu kaufen. Diese Wohnung ist jetzt vermietet und die Mieteinnahmen teile ich mit meiner Tochter. So habe ich 7 € Reisegeld pro Tag.
beVegt: Du hast deinem Projekt den Namen „Vegan World Friendship Tour“ gegeben. Schildere uns doch kurz, um was es dabei geht: Was hast du genau vor? Was möchtest du mit deiner Reise erreichen? Was hat dich dazu bewegt, mit dem Rad eine Weltreise zu unternehmen?
Carmen: Auf meiner Reise treffe ich viele Menschen, die sich für Veganismus, für Tierschutz und Tierrechte, zum Schutz der Umwelt und in sozialen Projekten einsetzen. Ich werde euch schildern, wie unterschiedlich sie leben und sich engagieren, wie weit diese Themen in ihrer Gesellschaft schon fortgeschritten sind oder aufgrund verschiedener Traditionen oder Glaubensrichtungen schon lange Bestand haben.
Ich möchte mit meiner Reise aber auch ein Zeichen für den Klimaschutz und für das Fahrrad als Fortbewegungsmittel setzen und daran erinnern, dass uns Menschen in den nächsten Jahrzehnten große Herausforderungen gegenüberstehen und wir vernünftig und zukunftsorientiert mit unseren Ressourcen umgehen müssen.
beVegt: Wie hat dein Umfeld diesen Plan aufgenommen?
Carmen: Meine Freunde und meine Familie freuen sich für mich, weil sie wissen, dass diese Reise seit vielen Jahren mein Traum ist. Ich weiß, dass es nicht für alle einfach ist, auch für mich gibt es immer wieder Momente, in denen ich meine Familie und meine Freunde schmerzlich vermisse. Aber das Eine geht ohne das Andere nicht. Es gehört einfach dazu.
beVegt: Gibt es irgendetwas, wovor du auf dieser Reise Angst hast? Oder was dir vorher ein wenig Bauchschmerzen bereitet hat?
Carmen: Nein. Ich bin Triathletin und hab keinen Schiss. Wobei ich sagen muss, dass es schon ein paar anstrengende Situationen gab. In den Pyrenäen haben Leute an einem Fluss gestanden und auf das gegenüberliegende Ufer geschossen, an dem ich entlanggefahren bin. Und am Mittelmeer hat eine Frau faustgroße Steine 5 Meter neben mein Zelt geworfen. In der Camargue habe ich versehentlich auf einem Truppenübungsplatz geschlafen, wo auch in der Nacht geschossen wurde. Solche Situationen sind nicht sehr komfortabel, aber ich kenne die wichtigste Verhaltensregel, wenn es etwas schwierig wird: Ruhe bewahren. Und ihr kennt sie jetzt auch 😉
beVegt: Und worauf freust du dich ganz besonders?
Carmen: Ich freue mich jeden Tag, dass ich diese Reise machen kann und genieße die vielen Begegnungen mit anderen Menschen. Es ist spannend, die unterschiedlichen Menschen kennenzulernen und die verschiedenen Kulturen zu entdecken. Es ist wunderschön, Zeit in der Natur zu verbringen und an ruhigen Flussufern oder in Wäldern zu schlafen. Und es ist auch immer interessant, andere Radreisende zu treffen und sich auszutauschen, denn diese Art des Reisens ist schon etwas speziell.
beVegt: Wie hast du dich auf die vielen Kilometer auf dem Rad vorbereitet?
Carmen: Gar nicht. Ich war vor der Reise aktive Triathletin und habe jeden Tag Sport gemacht. Das reicht dicke. Ich habe eher das Gefühl, dass ich jetzt nur spazieren fahre und nach der Reise alles wieder antrainieren muss. Hihi.
beVegt: Wie sieht deine Verpflegung an einem typischen Tag deiner Weltreise aus?
Carmen: Ich esse jeden Tag Brot mit Marmelade, Müsli mit schwarzem Kakaopulver, salty Peanuts, Linsen mit Nudeln oder Reis, verschiedene Früchte, Gemüse und schwarze Schokolade. Die Linsen sind das Wichtigste an der Ernährung. Ich habe die Kraft der Linsen in den Beinen und das Ernährungskonzept funktioniert sehr gut. Ich fühle mich gesund und fit.
beVegt: Hast du schon einen Plan für die Verpflegung, wenn du gerade nicht in Gegenden mit einem guten Supermarktnetz unterwegs bist? Gerade in ländlichen Regionen und in Gegenden, in denen die Menschen kein Englisch verstehen, ist es ja nicht immer so einfach, auszudrücken, dass man keine Tiere isst.
Carmen: Es ist auch in Europa nicht immer mein Lieblingsmüsli oder schwarze Schokocreme oder Peanutbutter vorhanden. Es bedeutet auch Verzicht, wenn man so eine Reise macht. Aber Hülsenfrüchte gibt es auf der ganzen Welt und sie sind der Hauptbestandteil meiner Ernährung. Für besondere Fälle habe ich meinen VEGAN PASSPORT dabei. Da steht in 100 Sprachen höflich drin, dass ich vegan lebe.
beVegt: Und weißt du schon, wie es bei dir weitergehen wird, wenn du nach 60.000 Kilometern wieder in der Heimat ankommst? Normaler Job und Alltag? Oder wird sich für dich etwas ändern?
Carmen: Erst einmal werde ich meine Familie und Freunde ordentlich abknuddeln und mich freuen, dass wir alle leben. Ich werde die kleine Anni persönlich kennenlernen, die einen Tag nach meiner Abreise geboren wurde. Dann geh ich auf den Friedhof, um liebe verstorbene Menschen zu besuchen und dann mach ich ne Party mit Livemusik und Kaltgetränken 🙂
Jobmäßig mache ich mir keine Gedanken, denn es gibt immer was zu tun. Vielleicht werde ich Eisverkäufer, Gärtner oder Fitnesstrainer oder ich gehe in die Sicherheitsbranche. Ich habe auch noch nie im Bauwagen gewohnt. Es gibt viele Möglichkeiten zu leben. Auf jeden Fall kann ich dann auch wieder ins Millerntor gehen und mit meinen Freunden Fußball gucken.
Ich bin ich jetzt Triathletin auf Mitteldistanz und werde nach der Reise die Langdistanz angehen. Dann ist noch das Radrennen Eroica in Italien geplant, wo nur 30 Jahre alte Stahlrenner zugelassen werden. Dann möchte ich den Jakobsweg noch einmal zu Fuß gehen und noch eine zweite Radreise nach Afrika machen. Danach mache ich neue Pläne.
beVegt: Wo können wir und unsere Leser dich im Internet finden und bei deiner Reise „begleiten“?
Carmen: Jeder Tag ist neu und frisch und es passieren jeden Tag neue schöne Dinge. Was alles so passiert, könnt ihr auf der Website www.veganworldfriendshiptour.de nachlesen. Das Leben auf der Straße ist wunderbar. Ich fühle mich lebendig und frei und reise einfach. Ich weiß, dass es richtig ist, dieses Projekt zu machen. Einer muss es tun. Für die Tiere, für die Menschen, für unsere Erde. Damit wir in 30 Jahren noch Luft zum Atmen haben. Ich weiß, dass es viele Menschen auf der ganzen Welt gibt, die wie ich wissen, dass Nachhaltigkeit „vegan“ bedeutet, und es werden immer mehr. Gemeinsam können wir Sand im Getriebe von Konsumzwang und Profitgier sein.
beVegt: Vielen Dank für deine inspirierenden Antworten, Carmen! Wir wünschen dir weiterhin alles Gute auf deiner Reise und freuen uns, von dir zu lesen! Es sollte viel mehr Leute wie dich geben, die so mutig sind und ihren Traum Wirklichkeit werden lassen!
Wenn du Carmen begleiten oder mehr von ihr lesen willst, dann schau mal auf ihrem Blog The Vegan World Friendship-Tour oder auf ihrer Facebook-Seite vorbei, wo sie regelmäßig Updates, neue Reiseberichte und Fotos postet.
Und wenn dir dieses Interview gefallen hat, dann freue ich mich, wenn du es mit deinen Freunden teilst, damit möglichst viele Menschen von Carmens Projekt erfahren!
Klaus
Danke für dieses spannende Interview mit Carmen. Ich habe zwar schon eine Menge in Facebook und im Blog über Carmen und ihre Beweggründe gelesen und sie auch auf ihrer Tour bislang „begleitet“, doch jetzt habe ich noch viel mehr, ganzheitlich und nachhaltig über ihre vita und ihre Motivation erfahren. Mit jedem Bericht, mit jeder neuen Etappe wird mir klarer, was Großartiges Carmen für uns alle leistet. Und das Erstaunliche: sie löst in mir altem und gar nicht weisen Mann ein intensives Nachdenken aus und ich beginne zu überlegen, welche alten Gewohnheiten ich über Bord werfen kann und mich dem veganen Weg annähern und öffnen kann.
Katrin Schäfer
Hallo Klaus,
freut mich sehr, dass dir das Interview gefällt. Ich finde ihr Vorhaben auch klasse, denn dazu gehört eine Menge Mut – und Neugierde. Ich glaube, insgeheim träumen viele von so einem Abenteuer, aber das ganze in die Tat umzusetzen, daran hakt es dann.
Viele Grüße
Katrin
Andrea
Ich verfolge Carmens Reise auch auf Facebook und bin ganz begeistert von Ihr und Ihrem Vorhaben.
Sehr schönes Interview!
Katrin Schäfer
Freut mich Andrea!
Oliver
Hut ab. Ich bewundere jeden der es schafft aus seinem „normalen“ Leben auszubrechen um sich einen Traum zu erfüllen. Dann noch so ein sportlicher Traum, sie hat jetzt auf jedenfall einen Follower mehr 🙂 Wusste gar nicht das es einen Ausweis für Veganer gibt in dem in so vielen Sprachen steht was man essen kann. Bräuchte ich sogar als Vegetarier ab und zu mal 😉
Viele Grüße
Oliver
Katrin Schäfer
Hallo Oliver,
ja, diesen „Vegan Passsport“ haben wir auch. Wir waren vor knapp drei Jahren in Vietnam und wollten sicher gehen, dass wir überall ausdrücken können, was wir nicht essen wollen. Du kriegst ihn für einen einstelligen Euro-Betrag in einigen Online-Shops.
Viele Grüße
Katrin
Michael
Schönes Interview und sehr inspirierend. Wenn man darüber nachdenkt, dass Carmen mit 7€ pro Tag um die Welt reisen kann, fragt man sich schon warum man selbst mit dem 10-20fachen glaubt man könne sich keinen Urlaub erlauben.
Gruß Micha
Marco
Wie macht sie das mit der Krankenversicherung? Die kommt vermutlich noch hinzu, oder?
Katrin Schäfer
Hallo Marco,
gute Frage – das kann ich dir leider nicht sagen. Vielleicht meldet sie sich bei Gelegenheit noch mal dazu.
Viele Grüße
Katrin
Chris
Ich finde ihr Vorhaben, ihren Mut und ihre Einstellung sehr beeindruckend =)
Das mit den 7€/ Tag muss man allerdings etwas relativieren. Es sind keine Lebenshaltungskosten sondern lediglich Kosten für die Nahrung..
Nicht inbegriffen sind da die Färfahrten während ihrer Reise für die sie auch 3stellige Beträge zahlen muss und von Südamerika nach Europa wirds dann per Flug inkl. dem ganzen Gepäck ein vierstelliger Betrag werden. Schiffahrt noch teurer…
Zusätzlich enstehen ja noch Kosten wenn sie ihre Reifen flicken muss, sonst irgendetwas unvorhersehbares passiert und natürlich auch Sozial und Krankenversicherung.
Kurz: Bevor man sowas startet muss man schon ein paar tausend Euro auf der hohen Kante haben und investieren bevor man so etwas startet. 😛 Aber sie hat sich die eben sehr mühsam angespart und setzt die richtigen Prioritäten. Respekt!
Carmen Mickley
Vielen Dank, daß Ihr das Interview gelesen habt. Ich möchte die Fragen gerne beantworten, die jetzt noch aufgetaucht sind:
Die Auslandsreisekrankenversicherung habe ich im Voraus abgeschlossen und bezahlt. Diese Kosten müssen also nicht mehr von dem Reisegeld bezahlt werden. Das Reisegeld in Höhe von 7,00 EUR ist für Nahrung, Wasser und Unterkunft. Deswegen ist es nicht nur schön, sondern auch wichtig für mich, Outdoor zu übernachten und je nach Reiseland zwei- oder dreimal die Woche auf einen Campingplatz zu gehen. Ich koche jeden Tag selbst, was auch sehr günstig ist. Wenn ich Essen gehen möchte, dann muss ich das vorher einsparen. Aber bisher komme ich ganz gut zurecht, weil ich selten Essen gehe und mir wenig Extras wie Eis oder Brause leiste. Wenn ich von Australien oder Neuseeland nach Südamerika fahre, dann möchte ich gerne Rüberarbeiten. Aber da habe ich jetzt noch keinen Arbeitsvertrag, weil ich nicht weiß, wann ich wo sein werde und auf welchem Schiff ich anheuern werde. Und einen kleinen Notgroschen habe ich natürlich auch.
Liebe Grüße von Carmen
Manfred Rahn
Hallo ihr. Ich habe oft mit Carmen über Facebook geschrieben. Leider ist das seit einem dreiviertel Jahr eingeschlafen. Sie hat meine Nachrichten im Chat nicht mehr gelesen. Ihre facebookseite gibt es nicht mehr. Sie wollte doch am 2. April mit dem Flieger in Paris ankommen und dann noch die 1000 Kilometer mit dem Rad nach Hamburg nachhause fahren. Ich mache mir Sorgen um sie. Ist Carmen denn gut zu hause in Hamburg angekommen. Gruss Manfred.
Paul
Hallo,
ich bin über mehrere Links zu dieser Story gekommen und bin ebenfalls am Rätseln. Website, Facebook, alles weg. Was aus ihr geworden sein mag?
Manfred Rahn
Hallo, ich hab mal über die fb-seite ihres Vereins nachgefragt. Da hat dann jemand geantwortet, sie ist gut angekommen. Aber warum hätte sie dann ihre web-seite und ihre FB-Seite gelöscht. Keine Bilder vom Empfang in Hamburg. Das ist schon merkwürdig. Da mache ich mir Gedanken.
Daniel Roth
So eine lange Reise macht ja auch etwas mit einem. Vielleicht hat sie unterwegs gemerkt, dass sie sich nicht damit wohlfühlt, das Ganze so öffentlich zu machen – oder sie hatte keine Lust mehr auf Facebook und Co. Die Hauptsache ist ja, dass sie wieder gesund angekommen ist.
Manfred Rahn
Hallo. Sie hat nach der Hälfte ihrer Reise einen ganz tollen Kalender von ihrer Reise drucken lassen. Den konnte man in einem Laden in Hamburg bestellen. Den hab ich auch gekauft. Sehr schön geworden. Vor ca. einem Jahr hat sie mal geschrieben dass sie darüber ist ein Buch zu schreiben und deshalb nicht mehr so oft online ist. Ihre FB-Seite kann sie eigentlich nur selbst gelöscht haben. Das darf kein anderer, es sei denn man hat da jemand zuvor amtlich beauftragt.
Mehrdad Kashani
Hello
Why she did not tell to anybody before she want not to be online anymore.
Why would she make thousands of her journey followers worry.
I really thought bad things happened to her, such kidnapping!
I was worry more than a year about Carmen.
Frank
Hi, I also worry a lot about her. no sign of life, no more posts, no blog entry. those who might know, friends in st. pauli fanclub, say nothing. She has so many friends in the world. there is no reason to worry them like that. if she could have, she would have written something.