Hier ist eine Geschichte, die du so ähnlich tausendfach im Internet findest.
Vor neun Jahren beschließt Robert, dass sich in seinem Leben etwas ändern muss. Er raucht eine bis eineinhalb Schachteln Zigaretten am Tag, ist übergewichtig und antriebslos, achtet nicht auf seine Ernährung – und Sport ist ein Fremdwort für ihn.
Schritt für Schritt schafft es Robert, sein Leben komplett umzukrempeln und sich neu zu erfinden: Erst hört er mit dem Rauchen auf, dann schnürt er zum ersten Mal die Laufschuhe – und verliebt sich in diesen Sport.
Bald meldet er sich für seinen ersten Wettkampf an und passt seine Ernährung an seinen neuen, sportlichen und gesunden Lebensstil an. Robert streicht zuerst das Fleisch von seinem Speiseplan und entschließt sich dann sogar dafür, vegan zu leben.
Er nimmt 15 Kilo ab, fühlt sich so gut wie nie zuvor – und finisht schließlich seinen ersten Marathon in sagenhaften 3:30 Stunden!
Rückfall in alte Muster
Doch Roberts Geschichte geht weiter. Und diesmal ist es eine Geschichte, nach der du im Internet schon etwas länger suchen musst.
Es beginnt mit Knieschmerzen, die ihm das Laufen mehr und mehr zur Qual machen. Irgendwann ist es so schlimm, dass ihm sein Orthopäde ein striktes Laufverbot verordnet.
Robert versucht es mit anderen Sportarten, aber er bleibt nie lange dran. Kein anderer Sport verschafft ihm die gleiche Befriedigung wie das Laufen.
Dieser Verlust versetzt Robert einen Schlag, den er nur schwer verkraften kann. Nach und nach fällt er wieder in alte Muster zurück, die er längst hinter sich gelassen hatte: Er lässt seine Ernährung schleifen, nimmt Kilo um Kilo zu – und greift schließlich wieder zur Zigarette.
Robert steht plötzlich wieder an genau dem Punkt, von dem aus er vor neun Jahren seinen Neustart begonnen hatte. Nur mit dem Unterschied, dass seine Motivation jetzt an einem absoluten Tiefpunkt ist und er nicht weiß, ob er das Ruder noch ein zweites Mal herumreißen kann.
Kein Einzelfall
Wir haben Roberts Geschichte nicht erfunden, sondern er hat sie uns vor einigen Monaten in einer langen E-Mail erzählt. Darin berichtet er uns auch von dieser interessanten Beobachtung:
Häufig ist von Menschen zu hören und zu lesen, die durch den Sport und durch eine gesunde (oft auch vegane) Ernährung ihr Leben so umgekrempelt haben, dass sie gesund geworden sind … Alles schön und gut. Nur wo sind die Leute, die die Entwicklung in die andere Richtung vollzogen haben? Von denen hört man recht wenig.
Wir sind uns ganz sicher, dass Roberts Geschichte kein Einzelfall ist. Er gehört bloß zu den wenigen Menschen, die so offen über ihre Rückschläge sprechen. Wir möchten uns unseren Mitmenschen in einem möglichst guten Licht präsentieren, und deshalb neigen wir dazu, unsere Misserfolge zu verschweigen und unsere Erfolge in den Vordergrund zu stellen.
Gerade in Zeiten von Facebook und Co. entsteht auf diese Weise ein unrealistisches Bild davon, wie erfolgreich, gesund, diszipliniert usw. andere Menschen sind – darüber habe ich erst vor einigen Tagen in diesem Beitrag etwas geschrieben.
Uns hat Roberts Geschichte jedenfall sehr bewegt und auch beeindruckt, und wir haben uns in Folge 79 des beVegt-Podcast mal ein paar Gedanken dazu gemacht. Es geht um „geschönte“ Erfolgsgeschichten, um Rückschläge und um die Frage, wie du aus einem Tief wieder zurück in die Spur findest.
Wir hoffen, dass wir dir damit etwas Mut machen können, wenn du selbst manchmal an dir zweifelst – und wünschen dir viel Spaß beim Zuhören!
Links und Infos zur Show:
- Daniels Beitrag: Die Vergleichsfalle (und wie du ihr entkommst)
- Gemeinsam klappts besser: Komm in unsere Facebook-Gruppe und tritt unserem Club auf Strava bei
- Leo Babautas bekannter Blog: Zen Habits
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Mausflaus
„daniel hat die email ausgedruckt vor sich“ – und ich dachte, diese email-ausdruckenden menschen seien bloß ein gerücht… wieso druckt man eine email aus? kann man doch ebensogut vom bildschirm ablesen. geh mal von aus ihr habt den laptop eh vor euch wenn ihr aufzeichnet.
be green keep it on the screen
Daniel Roth
Hey Mausflaus, du liegst falsch – wir haben beim Podcasten keinen Laptop vor uns und drucken uns unsere Notizen meistens aus oder schreiben sie auf (wir nehmen den Podcast aus „technischen“ Gründen nicht an unserem Arbeitsplatz auf, wo wir unseren Desktop hätten).
Unser Papierverbrauch ist sehr überschaubar, aber ich gebe dir Recht – da können wir uns noch verbessern.
Danke für den Denkanstoß!
Mausflaus
fand den podcast übrigens echt interessant. gelegentlich liest man mal was von verletzungen, aber ansonsten scheint alle welt erfolgreich zu sein.
nur bei profisportlern passierts häufig, dass die nach karriereende stark abbauen. ronaldo, jan ulrich, boris becker… ordentlich moppelig geworden.
sehr schade fand ich auch die geschichte von joschka fischer. so hart gekämpft, abgenommen und irgendwann wieder schleifen lassen und heute wieder mit dickem bauch, obwohl er zeitlich bestimmt nicht mehr so eingespannt ist wie auf dem höhepunkt seiner politiker-karriere.
Guido
In meinen Augen habt ihr das Wesentliche vergessen bzw. nicht gesagt.
Für Veränderungen braucht man ein messbares Ziel, dieses Ziel muss realistisch, erreichbar und vor allem selber gewollt sein.
Wenn man kein Ziel hat, bleibt es schnell wieder beim Wollen und man wird sozusagen zum Jogger und ist ein Schönwetter-Läufer.
Wenn man ein schwammiges Ziel definiert z. B. ich möchte abnehmen, wird das nur selten ausreichen, um motiviert mehrmals die Woche über einen längeren Zeitraum zu laufen.
Ich empfehle Robert ein neues Ziel gegenüber früher zu setzen z. B. mit Traillaufen anzufangen, da man dann nur wenig mit früher vergleichen kann, auch (Fern-) Wanderwege zu laufen kann ein Anfang bedeuten; man kommt raus und sieht was anderes, man muss die Etappen ja nicht gleich durchlaufen, gehen ist durchaus erlaubt. 😉
Auch z. B. Radfahren mit einer lokalen ADFC Gruppe kann ein Anfang sein. Häufig werden mind. einmal die Woche Touren durchgeführt.
Den Schlusssatz von Daniel fand ich mit am Wichtigsten im Podcast, umgebe dich mit Menschen, die eine ähnliche Einstellung haben. Stehst du immer in der Raucherecke mit den Kollegen, wird es schwerer sein davon loszukommen, als wenn du Kollegen kennst, die ebenfalls Sport machen.
Auf die Frage warum man so wenig von denen hört, die aufgegeben haben: man sieht sie z. B. nicht mehr auf Strava.
Heinz Rudolf
Bei mir war es zwar nicht ganz so tragisch wie bei Robert, aber auch ich bin nach einem „Steilstart“ in ein „Loch“ gefallen.
Ich wollte zwar schon als Kind mindestens 100 Jahre alt werden, aber das Motiv, warum ich dann gegen Ende meines 56. Lebensjahres angefangen habe zu laufen, ist mir nicht klar, zumal ich mich damals über die Leute mit den hochroten Köpfen lustig gemacht habe.
Kurzum, mein Leben lang nie gelaufen und sonst auch keinen Sport gemacht, außer manchmal Schwimmen, habe ich 2013 angefangen, 50 Meter-weise zu laufen und mich dabei fürchterlich geniert, wenn mich Leute sahen. Dennoch: mein Ziel war, in einem Jahr 10 km laufen zu können. Als ich das einem Freund erzählte, meinte der im Spaß, „dann kannst du ja im Mai bei uns (Millau/Frankreich) den 24 km Lauf mitmachen, da sind aber ein paar Berge (1000 m Höhenunterschied) drin. Ich habe ihn erst mal für verrückt erklärt und gemeint, er wolle mich umbringen.
Dennoch, der Virus war drin. Ich suchte mir Trainingspläne und legte los. So stieß ich auch auf euch. Und siehe da, am 18. Mai finnishte ich dann diesen Lauf (gegen den Willen meiner Frau, denn sie befürchtet immer, dass ich einen Infarkt bekomme).
Davon ermutigt, bereitete ich mich für den Marathon am 26. April 2015 in Madrid vor. Auch das schaffte ich, wenn auch in keiner guten Zeit und die Kniebänder taten mir höllisch weh. 4 Monate vorher hatte ich – durch euch ermutigt – angefangen, vegan zu Essen.
Und dann kam’s. Im Mai bekam ich eine fürchterliche Alergie, insbesondere auf Olivenbäume (habe einen vor meinem Schlafzimmer), die nicht richtig kuriert wurde. Beim Laufen bekam ich Erstickungsanfälle. Das Ganze entwickelte sich zu einem ausgewachsenen Asthma. Laufen adé. Dann kamen meine Töchter nach Hause (wohnen im Ausland, da es hier keine Arbeit gibt), und baten mich natürlich, ihre Lieblingsgerichte zu kochen: Goulasch, Rouladen … Meine eigenen Leibgerichte von früher. Na ja, ihr ahnt es schon, Papa konnte nicht widerstehen … Insgesamt wieder zurück in den alten Trott..
Dennoch: Ende letzten Jahres hatte ich mir zum Ziel gesetzt, wenigsten wieder auf das Niveau von einem Halbmarathon zu kommen, bin aber das erste halbe Jahr jeden Tag nur 1 Stunde schnell gegangen (das konnte ich schon immer). Ich wollte mich wieder so wohl fühlen wie in der Zeit vor dem Marathon. Auch meine Blutwerte waren damals besser gewesen als in den 20 Jahren davor. Als ich 2013 anfing zu laufen, wollte mein Arzt mich als chronisch krank einstufen.
Anfang Juli hatte ich das Glück, endlich mal seit langer Zeit bei einer Freundin am Mittelmeer 1 Woche Urlaub machen zu können. Doch siehe da, jetzt bekam ich plötzlich Aufträge (bin Selbstständig), so dass ich morgens nur 30 Minuten (ganz langsam) Laufen konnte und dann eine Stunde Schwimmen, Rest arbeiten.
Dann habt ihr euer Trainingsbuch rausgebracht, und darin fand ich ein für mich „magisches“ Wort: „Wohlfühltempo“. Das nahm mir den Stress, den ich sonst bei meinen Trainingsplänen spürte! Jetzt durfte ich endlich gemütlich trotten!
Hier kam die Überaschung: ich hatte wohl doch nicht ganz so viel abgebaut, wie ich dachte. Nach einer Probezeit von 2 Wochen entschied ich mich für den Plan unter 2 Stunden. Damit wäre ich mit 61 vollkommen zufrieden.
Dummerweise war ich wohl bei meinem langen Lauf von 13 km vor 2 Wochen zu müde, um die Füße richtig zu heben. Das Ergebnis: ich bin dermaßen hingefallen, dass ich – abgesehen von den vielen Schürfwunden an Knien, Armen und Händen – voll aufs Gesicht gefallen bin. Ich sah aus wie ein Clown, nur mit schwarzer Nase und schwarzem Kinn vom Schorf. Habe dabei meine Oberlippe total aufgerissen und musste ins Krankenhaus zum „Schneider“, durfte aber geflickt nach 5 Stunden nach Hause.
Wieder aus den Rythmus! Mache dennoch seit einer Woche (mit etwas Angst) weiter,. Habe mich zum 16. September für einen 10 km Volkslauf angemeldet, am 26. November zum Halbmarathon in San Sebastian. Wenn es dann gut geht, überlege ich mir, am 22. April 2018 wieder den Rock’n Roll Marathon in Madrid zu laufen.
Fazit:
Motiv nicht wirklich konkret: wohlfühlen und mindestens 100 Jahre alt werden.
Umsetzung: mit einem „Wohlfühl-Trainingsplan“ und konkreten Terminen läuft es viel besser – auch alleine (habe leider keine Mistreiter, eher „Gegner“: „Laufen ist ungesund, schau doch, wie du aussiehst!“).
Ernährung: mit dem Training schreit auch mein Körper wieder mehr nach Gemüse und Obst. Das hilft dann dem schwachen Fleisch, dem Gewissen nach mehr Ethik zu folgen (hoffentich bald wieder hin zum Veganen).
Vielleicht hilft ja meine Geschichte, Leuten aus meiner Altersgruppe Mut zu machen …
Unter dem Strich seid ihr ja auch ein bisschen „dran Schuld“ 🙂
Lieben Gruß aus Madrid,
Heinz
Markus
Hallo Katrin, hallo Daniel,
ich will auch noch zwei Dinge anmerken:
1) strava ruft gerade dazu auf, gerade auch die schlechten Einheiten hochzuladen und nichts zu beschönigen: #athletesunfiltered. Finde ich sehr gut!
2) Geschichten über Misserfolge wollen viele einfach nicht lesen/hören/… Ich selbst gelte ja bei manchen als „immer unzufrieden“, weil ich auf laufenhilft.de eben von allen Wettkämpfen berichte, auch wenn es nicht lief. Dann muss ich mir meist anhören, dass ich zufriedener mit meinen Zeiten sein soll. Natürlich steckt ein wahrer Kern darin, aber Fakt ist, dass sich Erfolg viel besser vermerkten lässt und deshalb auch in unserer Wahrnehmung dominiert.
Viele Grüße
Markus