Oft merkt man es erstmal gar nicht, wenn man an einem Scheidepunkt in seinem Leben angelangt ist.
So muss es auch für Konstantinos Tsilimekis gewesen sein, als er gegen Ende seines Studiums der Geschichts- und Kulturwissenschaften damit begann, sich für den deutsch-französischen Arzt und Philosophen Albert Schweitzer zu interessieren.
Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.
Mit dieser Erkenntnis brachte Albert Schweitzer seine Ethik einmal auf den Punkt.
Für Konstantinos war es eine ganz neue Idee: Wir Menschen sind nicht das Maß aller Dinge, dem sich alles andere unterzuordnen hat. Stattdessen teilen wir uns die Welt mit vielen anderen Lebewesen, die ebenfalls ein Eigeninteresse haben.
Und als Menschen können wir dieses Eigeninteresse der anderen berücksichtigen und moralische Entscheidungen treffen – zum Beispiel die Entscheidung, keine tierischen Lebensmittel und Produkte mehr zu konsumieren.
Pessimist im Erkennen, Optimist im Handeln
Die Auseinandersetzung mit dem Leben und der Philosophie Albert Schweitzers hat Konstantinos aber nicht nur zum Veganer gemacht, sondern ihm auch eine ganz neue berufliche Perspektive beschert: Vor einigen Jahren hängte er die angepeilte akademische Laufbahn an den Nagel und ging als Leiter des neu gegründeten Wissenschaftsressorts zur Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt nach Berlin.
Dort recherchiert er seitdem mit seinem Team Daten und Fakten rund um die (Massen-)Tierhaltung in Deutschland, um damit die Grundlage für eine möglichst effektive Öffentlichkeitsarbeit zu legen.
Auf unsere Frage, ob ihn der Blick auf die Welt durch die „vegane Brille“ manchmal deprimiert, antwortet er mit einem Zitat seines Vorbilds Albert Schweitzer. Dieser habe einmal von sich gesagt, er sei ein Pessimist im Erkennen, aber ein Optimist im Handeln.
„Wenn wir schauen, was in der Welt passiert, dann können wir nur pessimistisch sein,“ sagt Konstantinos. „Aber im Handeln sollten wir uns immer wieder dazu ermuntern, optimistisch zu bleiben. Und das können wir auch. Wir dürfen nicht den Fehler machen, tagtäglich den großen Umsturz zu erwarten, sondern müssen uns an den kleinen Erfolgen und Fortschritten erfreuen.“
Wir haben viele neue Anregungen und Denkanstöße aus dem Gespräch mit Konstantinos mitgenommen, und freuen uns sehr, es heute im beVegt-Podcast mit dir teilen zu können.
Viel Spaß beim Hören!
Links und Infos zur Show:
- Konstantinos Website
- Website der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt
- Die Albert Schweitzer Stiftung auf Facebook
- Buchtipp: Die Identitätsfalle* von Amartya Sen
- Bücher von und über Albert Schweitzer*
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Illin
Schweitzer soll schwarze Menschen geschlagen haben. Wenn das stimmt, kann es nicht mit der kolonialen Zeit entschuldigt werden. Gerade bei einem Menschen, der ansonst scheinbar nicht so vom Zeitgeist beeinflusst war. Es gab doch sicher andere (vielleicht sogar nicht westliche) Philosophen, die Umweltschutz und Tierrecht vetraten, die sich als Namensgeber für eine Stiftung eignen.
Konstantinos Tsilimekis
Hallo Illin,
besten Dank für den Hinweis auf den ich gerne kurz reagieren möchte:
„Soll“ … Gerüchte, Gerüchte … Belegbar ist in dieser Hinsicht nichts, der eigentliche Vorwurf selbst kam erst sehr spät auf. Wo viele überschwängliche Lobeshymnen gesungen werden, kommt meist auch irgendwann eine überbordende Kritik auf. Gerade bei einer Person wie der Albert Schweitzers fehlte und fehlt es oft in beide Richtungen an Sachlichkeit …
Was Schweitzers „kolonialistische Einstellung“ betrifft, so kann zumindest klar aufgezeigt werden, dass er den Kolonialimus an sich nicht gut hieß: „Eine große Schuld lastet auf uns und unserer Kultur.“ U. a. aus diesem Grund entschied er sich, letztlich im Gabun medizinische Hilfe zu leisten. Das heißt zwar noch lange nicht, dass etwa seine durchaus paternalistische Einstellung kritiklos betrachtet werden sollte, doch sind auch hier Differenzierungen nötig und vor allem sämtliche Umstände seines Wirkens zu berücksichtigen.
Sicherlich würden wir heute vieles noch ganz anders sehen als Schweitzer und oft auch anders handeln: und das zurecht. In der rückwärtigen Bewertung würde ich jedoch trotz aller möglichen Kritik daran festhalten zu sagen, dass Schweiter doch weit mehr richtig als falsch gemacht hat. Und was noch wichtiger ist:
Beim Rekurs auf Schweitzer (und auch andere) sollte es letztlich weniger um seine Person gehen (als reines Vorbild abgestempelt zu werden, hat er stets selbst kritisch betrachtet) als vielmehr um die Kerngedanken seiner Ethik, die noch heute dazu beitragen können, jedem Leben gegenüber Respekt und Achtung zu empfinden und auch konsequent danach zu handeln. Es liegt an uns, solche Gedanken aufzunehmen und manchmal vlt. ja sogar tatsächlich noch besser umzusetzen als ihre Urheber …
Beste Grüße
Konstantinos Tsilimekis
Illin
Danke für die ausführliche Antwort!
Konstantinos Tsilimekis
Sehr gern. 🙂
Andreas
Im Podcast bezeichnet Daniel den Vegetarismus als weder Fisch noch Fleisch finde ich nicht besonders toll! Was bringt es wenn Veganer Vegetarier belächeln? Man sollte doch auf einer Seite stehen oder?
Daniel Roth
Hi Andreas, vielen Dank für deinen Kommentar und die Anmerkung! Wenn es im Gespräch mit Kosta so rübergekommen ist, als würde ich Vegetarier belächeln oder geringschätzen, dann tut mir das wirklich leid, denn das tue ich auf gar keinen Fall.
Ich bin der Meinung, dass jeder Schritt in Richtung eines verantwortungsvolleren Lebens zählt und Respekt verdient. Jeder muss seinen eigenen Weg gehen und auch für mich gibt es noch viele Bereiche, in denen ich für mich selbst „Luft nach oben“ sehe. Das ist übrigens auch die Perspektive, die Katrin und ich hier an vielen anderen Stellen im Blog und im Podcast immer wieder vertreten: Das es nicht darum geht, „perfekt“ zu sein, sondern überhaupt die Bereitschaft zu haben, sich zu hinterfragen und ggf. zu verändern.
Im Gespräch mit Kosta ging es ja darum, dass er selbst für sich den Vegetarismus damals als nicht ausreichend empfunden hat, und nach den richtigen Worten für dieses Gefühl gesucht hat. Und an dieser Stelle habe ich spontan den „weder Fisch noch Fleisch“-Satz gebracht, weil mir das gerade in den Kopf gekommen war und ich es im Zusammenhang mit vegetarischer/veganer Ernährung diesem Moment irgendwie passend und lustig fand (was natürlich nicht heißt, dass andere das auch lustig finden müssen ;-))
„Weder Fisch noch Fleisch“ bezog sich also nicht auf den Vegetarismus an sich, sondern darauf, wie Kosta (und ich im Übrigen auch) das damals in unserer „Übergangsphase“ für uns empfunden haben.
Liebe Grüße
Daniel
Andreas
Danke Daniel für deine ausführliche Antwort. Jetzt verstehe ich deinen Ansatz besser und gebe auch zu das ich mich in diesem Moment als noch nicht Veganer zu unrecht etwas angegriffen gefühlt habe 😉