Vor einiger Zeit hat mich eine Verletzung zu einer Laufpause gezwungen: Meine Achillessehne, die mir schon seit Jahren hin und wieder Probleme bereitet, wollte sich meine Sturheit offensichtlich nicht länger bieten lassen. An schmerzfreies Laufen war nicht mehr zu denken.
Ein Läufer, der nicht laufen darf, ist in etwa vergleichbar mit einem Apple-Fan, der sein iPhone zur Reparatur einschicken musste – mit dem Unterschied, dass sich der Apple-Fan einfach ein neues iPhone kaufen kann, wenn er nicht mehr länger warten will.
Ich brauchte also eine Ersatzbeschäftigung, und nach einem Besuch bei unseren Freunden Nicole und Christian hatte ich sie gefunden. Die beiden haben eine Klimmzugstange in ihrer Wohnung, die Katrin und ich natürlich mal ausprobieren mussten.
Das beeindruckende und schockierende Ergebnis: Wir konnten uns beide nicht mal einen Zentimenter nach oben ziehen!
Mein Klimmzug-Erfolgserlebnis
Noch am selben Abend bestellten wir uns eine Klimmzugstange, die man in den Türrahmen einhängen kann (diese hier*), und sogenannte Powerbands* in verschiedenen Stärken, die einen Teil des Körpergewichts tragen. Mit diesen Powerbands können wir den kompletten Bewegungsablauf vom Hängen am gestreckten Arm bis „Kopf über der Stange“ trainieren – und uns so nach und nach an den ersten „freien“ Klimmzug herantasten.
Nachdem ich etwa zwei Wochen lang mit den Powerbands trainiert hatte, wollte ich es dann einfach mal wissen. Ich hängte mich an die Stange, atmete tief ein und aus, und zog mich mit ganzer Kraft nach oben – ich hatte einen Klimmzug geschafft!
Der Wahnsinn!
Inzwischen schaffe ich an einem guten Tag fast drei Klimmzüge. Das klingt für einen Klimmzug-Crack wahrscheinlich nach nicht viel, aber für mich fühlt es sich an wie ein kleines Wunder. Und auch Katrin hatte vor ein paar Tagen ein Erfolgserlebnis, als sie ihren ersten freien Klimmzug geschafft hat.
Ein Anfänger sein
Dieses Erlebnis war für uns beide aber noch aus einem ganz anderen Grund wichtig: Es hat uns mal wieder erleben lassen, wie es sich anfühlt, ein absoluter Anfänger zu sein.
Viele Leserinnen und Leser von beVegt, aber auch viele Teilnehmer an unserem Laufcoaching sind Laufanfänger. Für uns hingegen ist das Laufen schon seit Jahren etwas völlig Normales und Alltägliches. Es fällt uns nicht mehr schwer, und wenn wir ehrlich sind, dann können wir uns gar nicht mehr richtig daran erinnern, wie es „damals“ war, als wir unsere ersten Laufschritte gemacht haben.
Das Klimmzug-Training hat uns wieder zu Anfängern werden lassen, und wir haben all die Dinge erlebt, mit denen sich ein Anfänger herumschlägt: Der Frust, bei Null anfangen zu müssen. Das Gefühl, dass es alle anderen besser können als man selbst. Das zähe Warten auf das erste Erfolgserlebnis.
Und trotzdem war es eine großartige Erfahrung! Das Anfänger-Dasein hat nämlich auch eine Menge Vorteile, und drei davon möchte ich dir jetzt noch vorstellen.
3 Vorteile des Anfänger-Seins
- Als Anfänger stehen dir alle Türen offen, alles ist möglich. Du spürst die Veränderung, die in der Luft liegt, und das ist aufregend! Es gibt noch keine Routine, und keine Langeweile – alles ist neu und spannend, du wirst nie wieder so viel in so kurzer Zeit lernen wie jetzt!
- Als Anfänger machst du wahnsinnig schnell Fortschritte – auch wenn es sich vielleicht nicht so anfühlt. Ich habe mich in wenigen Wochen von 0 auf 3 Klimmzüge gesteigert. Das ist auf den ersten Blick nicht beeindruckend, aber sieh es mal so: Vor ein paar Wochen konnten meine Muskeln mich keinen einzigen Zentimeter bewegen, und jetzt ziehen sie meine 70 Kilo schon 3 Mal nach oben. Von so einer Steigerung träume ich nach 15 Laufjahren nur noch!
- Als Anfänger setzt du dich neuen Reizen und Eindrücken aus, du entwickelst dich weiter und forderst dich – das hält jung und macht dein Leben spannender und interessanter.
Und das waren bestimmt noch nicht alle Vorteile des Anfänger-Seins – fallen dir noch andere ein? Übrigens: Das alles gilt nicht nur im Sport, sondern in allen Bereichen, in denen man ein Anfänger sein oder werden kann. Nachdem ich beVegt jahrelang mit der „Trial an Error“ Methode gestaltet habe, lerne ich jetzt zum Beispiel endlich, wie Webdesign „richtig“ funktioniert. Und was soll ich sagen: Es macht genauso viel Spaß wie das Klimmzug-Experiment!
Hier ist eine kleine Aufgabe für dich, wenn du magst: Such dir etwas aus, was dich schon immer gereizt hat – zum Beispiel einen Klimmzug schaffen ;- Und dann fang einfach damit an. Werde wieder zum Anfänger!
Hi Kathrin und Daniel,
danke für den coolen Beitrag!
Wegen meiner Knieverletzung konnte ich die letzten 2,5 Monate auch nicht mehr trainieren und musste zwei geplante Laufveranstaltungen dadurch absagen 🙁
Ursprünglich angeregt durch euer Blog vor 1,5 Jahren, habe ich das Laufen begonnen und kann einfach nicht mehr ohne, nahezu alle positiven Effekte (ich hatte schon ganz vergessen, WIE VIELE es sind) fallen im Moment weg und fehlen mir, körperlich und seelisch.
Daher finde ich speziell diesen Beitrag umso spannender. Ich bin mit der Überzeugung groß geworden, dass JEDER Mensch einen besser trainierten Oberkörper hat als ich; von meiner familiären Veranlagung her bin ich ohnehin taille-aufwärts schmal gebaut und kann in diesem Körperbereich kaum Muskeln aufbauen, was natürlich, dann noch als Läuferin, auf lange Sicht nicht so gesund für Nacken usw. ist…
Wie auch immer, auch ich kam auf die Klimmzugstangenidee, habe mich aber dann doch (noch) nicht rangewagt. Ich habe so wenig Kraft, dass ich nicht einmal wüsste, wo ich beginnen sollte.
Durch Zufall kam ich auf dieses Video:
[Link entfernt, da Seite nicht mehr erreichbar]
Kennt ihr dieses Trainingsprogramm und könnt ihr es empfehlen?
Auf den ersten Blick sieht es ja rel. seriös aus. Dennoch bin ich etwas unsicher.
Das andere Problem ist häufig bei Trainingsvideos, dass du meist ein Trainingsgerät, das ja auch Geld kostet, benötigst, aber wenn du „nur“ das besitzt, kannst du leider auch nur 40% der Übungen machen. Also brauchst du dann noch die Erweiterungen und zwei weitere Versionen einer Sache, von welcher du nicht einmal sicher sein kannst, dass du sie einen Monat lang durchziehen wirst.
Erfahrungsgemäß möchte ich es mit Trainingsgeräten daher ähnlich minimalistisch halten wie auch in der Küche. Andererseits, seitdem ich meinen coolen Mixer habe, weiß ich auch, dass es keinen Tag mehr gibt, an welchem ich ihn nicht benutzt habe. Vielleicht wäre es mit einer Klimmzugstange ähnlich, dennoch: meine Wohnung ist klein, die Stange sperriger als ein Mixer und ein Goldesel grast leider auch nicht bei mir im Vorgarten…
Wozu würdet ihr raten?
Video oder diese Gurte für die Klimmzüge? Welche Stärke würdet ihr mir empfehlen (wiege ca. 60 kg), ebenfalls M?
Liebe Grüße,
und immer wieder danke für euer Blog 🙂
Ritalina
Hallo Ritalina, vielen Dank für deinen Kommentar!
Der Oberkörper ist bei vielen Läufern ein Schwachpunkt, da bist du ganz sicher nicht alleine. Und Klimmzüge sind nochmal eine ganz eigene Hausnummer – sie gehören zu den anspruchsvollsten Übungen, die du mit eigenem Körpergewicht machen kannst. Ich schaffe z.B. etwa 30 saubere Liegestütz, aber habe wie geschrieben vor ein paar Wochen nicht mal einen viertel (ach was, zehntel) Klimmzug geschafft.
Katrin und ich haben beide das Gefühl, dass uns das Klimmzugtraining auch im Bezug auf Rückenprobleme, Körperhaltung usw. richtig was bringt. Wir können dir also wirklich empfehlen, dich auch heranzuwagen. Mit den Bändern ist das überhaupt kein Problem – auch wenn du wirklich gar keine Kraft hast (so wie wir), schaffst du mit dem „richtigen“ Band 5-10 komplette Bewegungsabläufe. Mach davon 2-3 Durchgänge alle 2 Tage und du wirst sehr schnell Fortschritte erzielen.
Zu dem Programm, das du verlinkt hast, kann ich selbst nichts sagen. Aber ich glaube, dass auch Mark von marathonfitness.de es empfiehlt, deshalb bin ich mir sehr sicher, dass es seriös ist. Aber auch mit diesem Programm wirst du eine Klimmzugstange und vermutlich auch die Trainingsbänder brauchen, um Klimmzüge zu üben 😉
Unsere Klimmzugstange lässt sich übrigens sehr platzsparend verstauen. Man kann die beiden „Haltearme“ (mir fällt grade kein besseres Wort ein) einklappen, und dann ist sie flach und kann z.B. unter einem Sofa, auf einem Schrank usw. verstaut werden. Wir sind wirklich sehr zufrieden damit.
Egal wie du dich entscheidest, ich drücke dir die Daumen dass es mit dem Knie bald bergauf geht und du wieder ins Lauftraining einsteigen kannst!
Viele Grüße
Daniel
Oh, jetzt habe ich doch ganz die Empfehlung für eine „Stärke“ für das Band vergessen. Das ist nicht ganz leicht zu sagen. Bei mir ist das Problem, dass ich die Beine nicht durchstrecken kann, weil ich mit 1,84m sonst den Klimmzug mit angewinkelten Armen starten würde. Ich winkle also meine Beine am Knie an und geh dann sozusagen mit dem Knie in die Schlaufe – dadurch ist das Band natürlich weniger stark gespannt und nimmt weniger Gewicht vom Körper weg.
Katrin kann die Beine aber durchstrecken, und sie hat bei etwas unter 50kg Körpergewicht mit dem „S“ Band angefangen. Ich denke also, dass du mit dem „M“ Band starten könntest.
Hi Daniel,
danke für die sehr informative(n) Antwort(en) und deine schnelle Reaktion 🙂
Das waren genau die Informationen, die mir zuvor gefehlt haben 🙂 ich weiß nun, was ich tun werde:
Stange, Band und youtube… 😀
Habt eine schöne Zeit und auch dir alles Gute mit deiner Achillessehne!
Schöne Grüße,
Ritalina
Super, das freut mich 🙂 Dann viel Spaß und Erfolg auf dem Weg zum ersten Klimmzug 😉
Es gibt Menschen, die keinen einzigen Klimmzug schaffen? Obwohl sie unter 100 kg wiegen?
Ja, die gibt es. Und ich bin mir sicher, dass es sogar eine ganze Menge von meiner „Sorte“ gibt. Genauso wie es Menschen gibt, die keine 2 Minuten am Stück joggen können. Was alles kein Problem ist, denn man kann das ja ändern. Was möchtest du denn mit deinem Kommentar genau sagen?
Ich find‘ es wirklich super, dass ihr damit angefangen habt Klimmzüge zu trainieren, da sie den Oberkörper so umfassend fordern und auch beim Laufen Vorteile bringen können (Stichwort: Haltung, Körperspannung). Wie viele schafft ihr inzwischen? Sind ja ein paar Tage vergangen, seitdem der Artikel erschienen ist 😉
Liebe Grüße
Jan
Danke für den Tritt in den Hintern Jan 🙂 Grade getestet, ich habe 3 saubere Klimmzüge geschafft (allerdings Untergriff, also Chin-Ups). „Richtige“ Pull-Ups fallen mir noch sehr schwer. Aber mein Ziel ist es, Ende des Jahres 10 Chin-Ups und 5 Pull-Ups zu schaffen. Das wäre mega!
Das schaffst du ganz locker, mein Lieber 🙂